Das klingt dann wieder mal wie eine technische Aufrisszeichnung: „Masterplan Grün Leipzig 2030“. Vielleicht wird es ja am Ende – im Jahr 2020 – auch eine und die Kartenzeichner aus dem Amt für Stadtgrün und Gewässer können eine richtige Leipzig-Karte zeichnen mit allen Parks, Grünen Fingern, Radwegen, Wasseradern und Blühwiesen, die dauerhaft in der wachsenden Stadt erhalten werden sollen. Denn genau darum geht es. Und die Leipziger sollen mitmachen dürfen.

Dafür stellte Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal das Konzept am Montag, 28. Mai, der Presse vor. Die Dienstberatung des OBM hat es zwar schon beschlossen, aber es muss noch in den Stadtrat.

„Leipzig hat sich in den letzten Jahren von einer schrumpfenden zu einer stark wachsenden Stadt gewandelt“, konstatiert Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal. „Damit die grüne und blaue Infrastruktur in Leipzig auch in Zukunft den Anforderungen zum Erhalt der Lebensgrundlagen gerecht wird und einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung einer hohen Lebensqualität leistet, ist es erforderlich, zu analysieren, welche Leistungen für die Stadt bzw. die Bevölkerung, aber auch die Gäste der Stadt heute bereitstehen und wie und wo diese Infrastruktur gesichert und weiterentwickelt werden muss.“

Gemeinsam mit Bürgern, Umweltverbänden und der Stadtpolitik soll nun in den nächsten beiden Jahren der „Masterplan Grün Leipzig 2030“ erarbeitet werden. Die Verwaltung hat dazu ein Beteiligungskonzept erstellen lassen, welches im Juni dem Stadtrat zum Beschluss vorgelegt wird. Über Bürgerforen, Werkstätten, Lesungen, Baumpflanzungen und Spaziergänge soll die Öffentlichkeit bereits ab der Analysephase an der Entwicklung der sogenannten blau-grünen Infrastruktur beteiligt werden.

„Mit einer stark wachsenden Stadt verändern sich die Substanz und Entwicklungsmöglichkeiten für die grüne und blaue Infrastruktur in der Stadt. Die Flächeninanspruchnahme steigt und in den verbleibenden von Stadtgrün und Gewässern geprägten Freiräumen nimmt der Nutzungsdruck zu“, benennt Rüdiger Dittmar, Leiter des Amtes für Stadtgrün und Gewässer, das Problem, das vielen Leipzigern längst auf der Seele brennt. Denn kleine, lieb gewordene Parks verschwinden, weil sie (wie in Connewitz oder an der Seeburgstraße) nur als Zwischennutzung vereinbart waren, der Grund aber begehrte Baufläche ist.

Das Thema hat aber auch in der Verwaltung das Bewusstsein dafür geschürt, dass Leipzig jetzt handeln muss. Denn ein grünes Verbundsystem in der Stadt ist nicht nur dringend erforderlich als Luftschneise, Schattenspender, Erholungsort oder Naturschutzinsel in einer dicht bebauten Umgebung. Hier geht es auch um die Stadtmobilität der Zukunft. Alle wissen es ja: Immer mehr Leipziger fahren Rad – und die meisten bevorzugen Routen abseits der abgasgeplagten Straßen.

Dittmar: „Grüne Achsen in der Stadt werden abseits von Straßen zu Mobilitätsachsen für Fuß- und Radverkehr und dienen gleichzeitig als Biotopverbund für Arten und zwischen Lebensräumen. Der Masterplan konkretisiert die 2017 beschlossene Freiraum-Strategie ,Lebendig grüne Stadt am Wasser‘ für die grün-blaue Infrastruktur. Seine Leitthemen sind Klima, Gesundheit, Biodiversität, Mobilität und Umweltgerechtigkeit.“

In der Vorlage wird noch viel deutlicher, dass es in diesem Masterplan eigentlich um eine komplexe Zukunftsstruktur für eine lebendige Stadt geht: „Als wesentliche Herausforderungen, denen sich die Freiraumentwicklung in Zukunft in wachsenden Städten stellen muss, um zur Sicherung der Lebensgrundlagen und -qualität beitragen zu können, wurden fünf Themenfelder identifiziert, denen sich der Masterplan prioritär widmen soll: Biologische Vielfalt, Klimaanpassung, Gesundheit, nachhaltige Mobilität und Umweltgerechtigkeit.

Diese fünf Themenfelder greifen globale Herausforderungen einer nachhaltigen Stadtentwicklung auf und bieten gleichzeitig die Möglichkeit, sich mit den zentralen sozialen, ökologischen und ökonomischen Dimensionen und Funktionen der blauen und grünen Infrastruktur in Leipzig bis auf Quartiersebene hinunter auseinanderzusetzen.“

Ein Blick aufs Deckblatt, und man sieht: Es geht auch um Straßenbäume, um die Nutzung alter Bahngleise, um Bänke zum Sitzen, aber augenscheinlich auch um Gemeinschaftsgärten und immer wieder Mitmach-Formate wie das „Leipziger Gartenprogramm“ oder gemeinsame Spaziergänge. Denn wer zu Fuß geht, merkt, wie angenehm oder unangenehm Stadträume sind. Und da sind die Themen Verkehrslärm und Feinstaub noch gar nicht benannt.

Wenn die Arbeit am „Masterplan“ gut wird, dann wird es nicht nur einen klaren Plan geben, wie viel Grün (und Blau) man überall im Stadtgebiet sichern und stärken muss, sondern auch eine Werkzeugkiste, in der lauter Dinge stecken, die man noch zusätzlich macht. Wie zum Beispiel das Aufstellen weiterer Sitzbänke im Stadtgebiet, was mehrere Stadtratsfraktionen schon gefordert haben, oder die Schaffung neuer Radwegetrassen „im Grünen“, abseits von den Hauptverkehrsstraßen. Was ja ein Wunsch selbst der CDU-Fraktion ist. Wahrscheinlich wissen 2020 alle, wie viel lebendiges Potenzial in dieser Stadt steckt.

Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) fördert die Erarbeitung des Masterplans und übernimmt 50 Prozent der Kosten (158.000 Euro).

Innerhalb der Verwaltung soll er dann unter Federführung des Amtes für Stadtgrün und Gewässer ressortübergreifend erarbeitet werden. Begleitend ist eine umfangreiche zivilgesellschaftliche Beteiligung vorgesehen: Mit dabei sind unter anderem Umweltverbände, Stadtpolitik, Stadtbezirksräte und Ortschaftsbeiräte und der „Grüne Ring Leipzig“ sowie zahlreiche Vertreter themenspezifischer Interessen – von den Kleingärtnern bis zu Bürgervereinen. Eine Arbeitsgruppe Masterplan steuert die Aufstellung des Plans und die Öffentlichkeitsbeteiligung.

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Es gibt 4 Kommentare

@Christian
Man darf die Pläne nicht überbewerten. Sie sind vor allem ein Instrument, um Fördermittel abzugreifen und festzulegen, was nicht werden soll.
Was die Stadt nicht macht: Sie beauftragt für Pläne, Konzepte etc. nicht PWC und Co., sondern begleitend zum Prozess ein Planungsbüro, dass sich auf solche Konzepte spezialisiert hat.

Genau das ist es!
Da wäre auch noch der Nahverkehrsplan…

Man könnte lachen, wenn es nicht so furchtbar ernüchernd wäre zuzusehen, wie sich alle gegenseitig ausbremsen und hinter dicken Papierstapeln verteidigen.
Weil keiner mehr Mut hat zu entscheiden und für seine Thesen und Vorschläge einzustehen.
Dafür gibts dann wieder PWC und KPMG und und und…

@christian
Ich würde spontan auf > 20 schätzen.
Das Ganze hat allerdings auch eine andere Problematik: Der Freistaat bereitet gerade die Fortschreibung des Landesentwicklungsplans (LEP) vor. Danach müsste dann der Regionalplan Westsachsen angepasst werden – dieser ist gerade in Fortschreibung, dem wiederum folgt die Fortschreibung des INSEK (integriertes Stadtentwicklungskonzept) der Stadt Leipzig. Dieses wird voraussichtlich am 31. Mai in der Ratsversammlung beschlossen. Danach erfolgt die Anpassung gefühlter hundert Fachkonzepte, Teilkonzepte, Pläne, Programme etc, die irgendwie darauf aufbauen. Faktisch wird man niemals fertig. Viel wichtiger als die vielen Konzepte wäre es allerdings, die Dinge umzusetzen, die bereits beschlossen sind und in den Konzepten stehen. Dafür fehlt meist auch das Personal und das Geld.

Alles gut und schön; kann mal bitte jemand nachzählen, wie viel “Pläne” und “Konzepte” es mittlerweile in Leipzig gibt, die jeweils aufeinander warten und als Argumente herhalten, um später aktualisiert zu werden???

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