Wie zahnlos Leipzigs Umweltschutzpolitik ist, zeigt jetzt auch die Stellungnahme des Dezernats Umwelt, Ordnung, Sport zu einem Antrag von Ute Elisabeth Gabelmann, Stadträtin der Piraten. Die hatte nämlich die Errichtung von Fledermaustürmen gefordert, weil die radikalen Sanierungen der letzten Jahre auch viele Rückzugsräume der Fledermäuse zerstört haben.

„Die Stadt Leipzig prüft geeignete Standorte zur Errichtung eines oder mehrerer Fledermaustürme sowie deren Umsetzung. Die Finanzierung und Errichtung kann im Rahmen von vertraglich entsprechend gesicherten Kompensationsmaßnahmen oder in Zusammenarbeit mit örtlichen Tier- und Naturschutzinitiativen erfolgen, in deren Betreuung es übergehen kann“, hatte Gabelmann beantragt.

Denn dass es da ein Problem gibt, stellt auch das Umweltdezernat fest: „Neben dem allgemeinen Rückgang an Beuteinsekten und dem Verlust von Nahrungs- oder Jagdhabitaten durch Intensivierung der Landwirtschaft, durch Flächenversiegelung oder der Beseitigung von linearen Strukturen (z. B. Hecken) in der Landschaft sind Fledermäuse auch durch zunehmenden Verlust ihrer Quartiere bedroht.“

Eigentlich genug Grund zum Handeln. Es betrifft ja nicht nur die Fledermäuse, wie die Warnungen des NABU immer wieder zeigen: Auch Vögel verlieren ihre Nistmöglichkeiten in der Stadt. Viele Sanierer gehen rigoros gegen die Tiere vor. Und hier gesteht das Umweltdezernat auch zu, dass eben auch die wertvollen Feldraine verschwinden. Nicht einmal benannt sind die alten Fledermausbäume im Auenwald, die mal wegen eines radikalen Deichschutzes gefällt wurden, mal einer vom Stadtrat nicht genehmigten Waldpflege zum Opfer fielen.

Und immer wieder ist auch das Umweltdezernat involviert und zeichnet sich durch Nichtstun aus.

Man tut nur, was gesetzlich vorgeschrieben ist. Und so steht es nun auch in der Stellungnahme für Ute Elisabeth Gabelmann.

Der Alternativvorschlag lautet zwar: „Die Stadt Leipzig prüft im Einzelfall geeignete Standorte zur Errichtung eines oder mehrerer Fledermaustürme sowie deren Umsetzung. Die Finanzierung und Errichtung wird im Rahmen von Vorhaben geprüft, bei denen Maßnahmen bezüglich des besonderen Artenschutzes (§ 44 ff BNatSchG) erforderlich werden. Die Finanzierung erfolgt durch den jeweiligen Vorhabenträger. Neben der naturschutzfachlichen Eignung wird im Rahmen der Erarbeitung des Artenschutzfachbeitrages auch geprüft, ob in Zusammenarbeit mit örtlichen Tier- und Naturschutzinitiativen deren Betreuung erfolgen kann.“

Aber das ist so gar nicht beabsichtigt. Denn aktiv werden will man nur, wenn konkrete Fledermausstandorte durch Sanierungen verloren zu gehen drohen. Und man davon Kenntnis erhält.

Kern der Antwort: Primäres Ziel sollte deshalb immer die Erhaltung entsprechender, bestehender Quartiere in Wäldern und Parks (z. B. höhlenreiche Altbäume) oder im Siedlungsbereich (Unterschlupf an und in Gebäuden, z. B. durch fledermausgerechte Haussanierung) sein. Bisher ist es möglich, vorhandene größere Quartiere in Höhlen, Stollen, Bunkern bzw. an oder in Gebäuden (z. B. Keller, Dachböden) aufzuwerten oder dort neue einzurichten.

Bei Wegfall dieser Strukturen, durch Abbruch von Gebäuden, das Verfüllen von Stollen und Kellern oder auch bei der Entfernung alter Höhlenbäume, sind gemäß § 44 Abs. 5 BNatSchG im Rahmen von vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen Ersatzquartiere zu schaffen, wenn ansonsten die ökologische Funktion der von einem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang nicht mehr erfüllt ist.“

Was ja wohl heißt: Die Behörde wird erst aktiv, wenn sie vom Verlust eines konkreten Fledermausstandorts Kenntnis erhält und der Bauherr zur Kompensation verpflichtet werden kann.

Wer entsprechende Informationen zum Fledermausschutz auf der Homepage der Stadt sucht, wird auch nichts finden. Keine Kartierung, kein Verzeichnis der wichtigsten Habitate. Vielleicht wollte man gar nicht erst sichtbar machen, wie viele wertvolle Fledermausbäume in den letzten Jahren schon verschwunden sind.

Der NABU Leipzig wird in seiner Kritik an der behördlichen Gleichgültigkeit sehr deutlich: „Hauptursache für die Gefährdung der heimischen Fledermausarten ist der Verlust von geeigneten Lebensräumen. Alte Baumbestände mit Unterschlupfmöglichkeiten sind selten und werden oft der ‚Verkehrssicherung‘ oder Bauprojekten geopfert. Ritzen, Fugen und Spalten in Gebäuden gehen durch Modernisierung von Fassaden und Dächern verloren. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz muss in solchen Fällen eine Genehmigung vorliegen und es muss Ersatz durch künstliche Quartiere geschaffen werden – beides wird in Leipzig leider oftmals ignoriert.

Auf diese Weise sind in der wachsenden Stadt bereits zahllose Fledermausquartiere verloren gegangen. Oftmals passiert das besonders grausam: Die Tiere werden bei Bauarbeiten in ihren Quartieren einfach eingemauert und sterben qualvoll. Zudem sorgt die großflächige Landschaftszerstörung auch dafür, dass es immer weniger Insekten gibt, sodass die Fledermäuse nicht nur unter Wohnungsnot leiden, sondern auch an Nahrungsmangel.“

Da reicht es nicht wenn „alle in Leipzig vorkommenden Fledermäuse“ in diversen Richtlinien verzeichnet sind, im Ernstfall aber nicht rechtzeitig eingeschritten wird. „Da eine Besiedlung von Nisthilfen durch Fledermäuse in der Regel mehrere Jahre dauert, ist der Erhalt oder die Erweiterung bestehender Quartiere einer Neuerrichtung vorzuziehen“, meint das Umweltdezernat zwar.

Aber vorsorgend Türme für die Nachtflieger zu bauen, hält man trotzdem nicht für sinnvoll: „In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass gegenwärtig weder Studien noch Untersuchungen zur Wirksamkeit der Fledermaustürme vorliegen. Anhand des derzeitigen Kenntnisstandes ist eine pauschale Prüfung fachlich geeigneter Standorte im Stadtgebiet kaum möglich.

Im Einzelfall sollte ein Fledermausturm in seiner Ausgestaltung den örtlich vorkommenden Fledermausarten angepasst sein und in seinem Umfeld müssen geeignete Nahrungs- und Jagdhabitate für Fledermäuse zur Verfügung stehen. Künstliche Fledermausquartiere, wie die Fledermaustürme, sollten zudem jährlich auf Besatz kontrolliert und bei Bedarf gereinigt werden. (…) Bis erste Praxiserfahrungen vorliegen, wird auf die bei bisherigen Maßnahmen erfolgreich errichteten Ersatzquartiere (Fledermauskästen) zurückgegriffen.“

Wir kriegen noch mehr Ärger mit den Insekten in unserer Welt

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