Wo ist die Grenze? Gehört Werbung für süchtigmachende Produkte überhaupt in den öffentlichen Raum? Die Diskussion ist ja nicht neu in Leipzig. Und konsequent wäre tatsächlich genau das, was das Jugendparlament im Juli beantragt hat: Zu prüfen, ob Alkohol- und Nikotinwerbung nicht im ganzen Stadtgebiet verboten werden könnte. Denn sie knallt einem ja überall ins Gesicht. Auch Kinder werden mit ihrem Anblick nicht verschont.

Aber die Stadtverwaltung positioniert sich jetzt ablehnend zum Antrag des Jugendparlaments: „Die Verwaltung handelt bereits im Sinne des Antrags und prüft fortlaufend die rechtlichen Möglichkeiten.“

Denn das Problem ist nicht, dass die Stadtverwaltung nicht will. Zumindest will sie auf die Werbeeinnahmen aus öffentlicher Werbung nicht verzichten. Das wäre tatsächlich konsequent gewesen, wenn Verwaltung und Stadtrat einfach beschlossen hätten, die ganzen Leuchtsäulen und Werbedisplays aus der Stadt zu verbannen. Kaum eins der abgebildeten Produkte braucht der Mensch, vieles ist gesundsheits- und umweltschädlich oder eine Verführung zum blanken Geldausgeben, die mit völlig falschen Versprechen verknüpft ist.

Aber den Mut hat Leipzig noch nicht.

Wer aber weiter Werbeverträge fürs Stadtgebiet macht, muss Kompromisse schließen. Denn ein Großteil der Werbeeinnahmen fließt nun einmal für Suchtmittelwerbung.
„Die Verwaltung teilt die Auffassung des Jugendbeirats, Werbung für Suchtmittel zum Schutze von Jugendlichen zu verhindern. Allerdings ist der kommunale Handlungsrahmen beschränkt. Es wurden jedoch soweit rechtlich zulässig, Regelungen getroffen“, formuliert die Verwaltung jetzt ihren Standpunkt und versucht zu erklären, wie der Kompromiss aussieht.

„Werbung im öffentlichen Raum unterteilt sich in kommerzielle Werbung auf stationären Werbeanlagen auf der Grundlage der Werbeverträge der Stadt Leipzig und auf die Veranstaltungswerbung auf transportablen Werbemedien über die Sondernutzungssatzung der Stadt Leipzig. Beim Abschluss der Werbeverträge konnte ein Werbeverbot für Suchtmittel verhandelt werden, für Werbeanlagen, die vor Kindergärten und Schulen eingesehen werden können. Unter Suchtmittel werden neben Betäubungsmitteln gemäß BtMG auch Tabakprodukte und alkoholische Getränke verstanden.“

Das ist der eigentliche Kompromiss: Keine Schnaps- und Zigarettenwerbung direkt vor Schulen und Kindergärten. Erst um die nächste Ecke.

Wer abends in Leipziger Parks schaut, sieht: Es nutzt nicht viel. Rauchen und Saufen gehören zu den jugendlichen Kraftproben. Nach wie vor. Wobei – einschränkend – auch gesagt werden muss: Es sind nicht die einzigen Süchte. Eine derart aufgedrehte Gesellschaft wie die unsere ist regelrecht angetrieben von Süchten.

Nicht alle preisen sich auf öffentlichen Werbeflächen an. Und was dann auf Hängeplakaten beworben wird, hat eher seltener mit angepriesenen Suchtmitteln zu tun.

Aber auch da versuche die Stadt zu regeln, betont die Verwaltung: „Außerhalb der Werbeverträge hat die Stadt nur noch die Möglichkeit, Veranstaltungswerbung über Sondernutzungserlaubnisse zu genehmigen. Allerdings richtet sich eine mögliche Ablehnung einer Sondernutzung allein nach straßenrechtlichen Kriterien. Es besteht keine Inhaltskontrolle, soweit gegen kein gesetzliches Verbot verstoßen wird.

Die Stadt wirkt zwar auch empfehlend auf die Antragsteller insbesondere im Bereich von Schule und Kitas ein, Einschränkungen für Zigaretten- und Alkoholwerbung auf stationären Werbeanlagen der Werbepartner der Stadt können jedoch nur durch den Gesetzgeber vorgegeben werden. Ein entsprechendes Werbeverbot liegt bisher aber nicht vor.“

Die neue Leipziger Zeitung Nr. 59 ist da: Zwischen Überalterung und verschärftem Polizeigesetz: Der Ostdeutsche, das völlig unbegreifliche Wesen

Zwischen Überalterung und verschärftem Polizeigesetz: Der Ostdeutsche, das völlig unbegreifliche Wesen

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