Immer deutlicher wird, dass die älteren Politiker in einem völlig anderem Verhältnis zur Zeit leben. Sie haben sich augenscheinlich daran gewöhnt, dass alles seinen gemächlichen Gang geht und dass man selbst für wichtige Richtungsentscheidungen jahrelang Zeit hat. Und nur die jungen Leute scheinen zu spüren, dass auch eine Stadt wie Leipzig keine Zeit mehr hat, sich auf die Folgen des Klimawandels einzustellen. Im April stellte das Jugendparlament seinen Antrag zum Klimanotstand.

Na gut: Es war die Stadtratswahl dazwischen. Dann kamen die Ferien. Trotzdem gingen gleich mal wieder vier Monate ins Land. Bis zur nächsten Stadtratssitzung werden es fünf sein. In einer Zeit, in der „Fridays for Future“ daran erinnert, dass die ersten Klimaveränderungen jetzt schon zuschlagen, ist das eine Menge Zeit. Die dann eigentlich noch obendrauf kommt auf all die von Leipzigs Verwaltung vorgelegten Handlungskonzepte zur Klimaanpassung, die bislang weitgehend nur bedrucktes Papier geblieben sind.

Andere Städte sind deutlich schneller, stellen die Grünen im Stadtrat nun in ihrem Änderungsantrag zum Antrag des Jugendparlaments fest: „Der Antrag des Jugendparlaments wurde am 28.04.2019 eingebracht. Seither haben zahlreiche deutsche Städte den Klimanotstand verhängt, die erste deutsche Stadt war Konstanz am Bodensee.“

Städte, die den Klimanotstand erklären, geben allen Maßnahmen, die die Stadt stabilisieren gegen die absehbaren Folgen der Klimaerwärmung, oberste Priorität. Und Maßnahmen, die die Co2-Bilanz der Stadt deutlich senken können, gehören ebenso auf die Prioritätenliste. Es gilt schon lange nicht mehr, dass Leipzig bei dem Thema mit dem Finger auf andere zeigen kann. Im Gegenteil: Es gab viele schöne Versprechungen, die aber nicht unbedingt in Stadtpolitik umgesetzt wurden, weil entweder die Kraft, die Leute oder die Lust dazu fehlten.

„Hauptverursacher der Klimakrise ist der Mensch. Während insbesondere der in den Städten der Industriestaaten lebende Mensch zum Klimawandel beiträgt, sind die Folgen des Klimawandels weltweit zu spüren. Bereits heute beträgt der globale Temperaturanstieg gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter 1 Grad Celsius. Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre ist im gleichen Zeitraum von 280 ppm auf 400 ppm gestiegen“, stellt die Grünen-Fraktion in ihrem Änderungsantrag zum Antrag des Jugendparlaments fest.

„Internationale Expertisen weisen aus, dass die Zeit, bis es zu einer unabwendbaren Klimakatastrophe kommt, nur noch wenige Jahre beträgt, falls nicht rasch weltweit gegengesteuert wird. Um eine unkontrollierbare globale Erwärmung mit nicht absehbaren Folgen zu verhindern, ist es unerlässlich, die Treibhausgasemissionen schnellstmöglich massiv zu reduzieren. Hier sind insbesondere die Städte gefordert.“

Die Klimakrise werde aber nicht nur hauptsächlich in den Städten der Industrieländer verursacht, sie habe auch enorme Auswirkungen auf das Leben in der Stadt, betonen die Grünen. „Menschen, Tiere und Pflanzen leiden massiv unter Hitzeperioden und regelrechten Trockenzeiten. In der Stadt Leipzig lag die Jahresdurchschnittstemperatur in den vergangenen 5 Jahren um durchschnittlich mehr als 1 Grad über dem langjährigen Mittel, gleichzeitig erreichte die Jahressumme der Niederschläge dieses meist nicht. Innerhalb der letzten 50 Jahre ist es in Leipzig sogar um durchschnittlich 1,6 °C wärmer geworden.“

Die Grünen sind sich sicher: „Es darf nicht erwartet werden, dass die Klimakatastrophe allein durch Eigenverantwortung der Menschen und von Einzelpersonen abgewendet werden kann. Die Klimakrise kann und muss vor allem politisch gelöst werden. Entsprechende Maßnahmen sind auch und insbesondere auf kommunaler Ebene notwendig, da hier Ursachen und Lösungen konkret und alltagsnah sind. Zudem kann die Verwaltung hier – gemessen an der staatlichen oder gar europäischen Ebene – innerhalb des vorhandenen Rahmens zeitnah Beschlüsse fassen und umsetzen.“

Und so lautet denn sehr detailliert der Beschlussvorschlag der Grünen:

„Die Stadt Leipzig soll den Klimanotstand mit sofortiger Wirkung verhängen.

Jegliche Entscheidung der Stadtverwaltung wird damit unter den Klimavorbehalt gestellt. Beschlussvorlagen des Stadtrats sind grundsätzlich auf die absehbaren Auswirkungen auf den Klimaschutz zu prüfen. Die Ergebnisse dieser Prüfung sind in den Vorlagen und Verwaltungsstandpunkten zusammen mit der Prüfung anderer Ziele auszuweisen.

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, auf Grundlage des beschlossenen Energie- und Klimaschutzprogramms sowie der Klimaanpassungsstrategien bis Ende 2019 eine Prioritätenliste von Maßnahmen zu erarbeiten, die sich an der Zielstellung orientiert, größtmögliche Klimaschutzeffekte in einem möglichst kurzen Zeitrahmen zu erzielen.

Der Oberbürgermeister soll halbjährlich über Fortschritte oder Probleme bei der Umsetzung von prioritären Maßnahmen des Klimaschutzprogramms berichten. Das gültige Energie- und Klimaschutzprogramm sowie die Klimaanpassungsstrategien sind zu evaluieren. Auf dieser Grundlage ist bis Ende 2020 ein angepasstes und aktualisiertes Klimaschutzprogramm zu erarbeiten.

Die Stadt Leipzig führt ein Klimaschutz-Monitoring ein, mit dem Fortschritte oder Rückschritte privater und öffentlicher Maßnahmen beim Klimaschutz messbar gemacht werden können.

Der Oberbürgermeister soll sich als Präsident des Deutschen Städtetages gegenüber der Bundesregierung für die Einführung eines Klimaschutzgesetzes einsetzen, welches an den Forderungen des Pariser Abkommens 2015 orientiert ist.“

Umwelt-AG der Leipziger Grünen findet den Jugendparlamentsantrag „Klimanotstand in Leipzig“ gut

Umwelt-AG der Leipziger Grünen findet den Jugendparlamentsantrag „Klimanotstand in Leipzig“ gut

Hinweis der Redaktion in eigener Sache: Eine steigende Zahl von Artikeln auf unserer L-IZ.de ist leider nicht mehr für alle Leser frei verfügbar. Trotz der hohen Relevanz vieler unter dem Label „Freikäufer“ erscheinender Artikel, Interviews und Betrachtungen in unserem „Leserclub“ (also durch eine Paywall geschützt) können wir diese leider nicht allen online zugänglich machen.

Trotz aller Bemühungen seit nun 15 Jahren und seit 2015 verstärkt haben sich im Rahmen der „Freikäufer“-Kampagne der L-IZ.de nicht genügend Abonnenten gefunden, welche lokalen/regionalen Journalismus und somit auch diese aufwendig vor Ort und meist bei Privatpersonen, Angehörigen, Vereinen, Behörden und in Rechtstexten sowie Statistiken recherchierten Geschichten finanziell unterstützen.

Wir bitten demnach darum, uns weiterhin bei der Erreichung einer nicht-prekären Situation unserer Arbeit zu unterstützen. Und weitere Bekannte und Freunde anzusprechen, es ebenfalls zu tun. Denn eigentlich wollen wir keine „Paywall“, bemühen uns also im Interesse aller, diese zu vermeiden (wieder abzustellen). Auch für diejenigen, die sich einen Beitrag zu unserer Arbeit nicht leisten können und dennoch mehr als Fakenews und Nachrichten-Fastfood über Leipzig und Sachsen im Netz erhalten sollten.

Vielen Dank dafür und in der Hoffnung, dass unser Modell, bei Erreichen von 1.500 Abonnenten oder Abonnentenvereinigungen (ein Zugang/Login ist von mehreren Menschen nutzbar) zu 99 Euro jährlich (8,25 Euro im Monat) allen Lesern frei verfügbare Texte zu präsentieren, aufgehen wird. Von diesem Ziel trennen uns aktuell 500 Abonnenten.

Alle Artikel & Erklärungen zur Aktion Freikäufer“

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar