LEIPZIGER ZEITUNG/Auszug Ausgabe 76, seit 21. Februar im HandelEs ist eine ungewöhnliche Konstellation, in der die Oberbürgermeisterwahl am Sonntag, den 1. März, auf die Zielgerade geht. Eigentlich müsste man Sebastian Gemkow, den Bewerber der CDU, als Herausforderer von Amtsinhaber Burkhard Jung (SPD) bezeichnen. Schließlich möchte er den wichtigsten Posten im Rathaus nicht verteidigen, sondern erobern. Doch es war Gemkow, der den ersten Wahlgang am 2. Februar knapp für sich entscheiden konnte.

Der 41-Jährige erhielt 31,6 Prozent der Stimmen. Für Jung stimmten nur 29,8 Prozent der Wähler/-innen. Also ist vielleicht Jung der eigentliche Herausforderer?

Wem auch immer man diesen „Titel“ verleihen möchte – als Favorit für den zweiten Wahlgang gilt Burkhard Jung. Schließlich darf er sich seit einigen Wochen offiziell über die Unterstützung von Linkspartei, Grünen und Die PARTEI freuen. Deren Bewerber/-innen verzichten darauf, am 1. März erneut anzutreten. Im ersten Wahlgang kam Franziska Riekewald (Linke) auf 13,5 Prozent, Katharina Krefft (Grüne) auf zwölf Prozent und Katharina Subat (Die PARTEI) auf 2,4 Prozent. Jung darf also auf rund 25 zusätzliche Prozentpunkte hoffen – sofern die Wähler/-innen der drei Frauen den Empfehlungen folgen.

Anders ist die Situation bei Gemkow, der im zweiten Wahlgang offiziell von keinem Ex-OBM-Bewerber unterstützt wird. Weder Christoph Neumann (AfD), der 8,7 Prozent der Stimmen holte, noch Marcus Viefeld (FDP), der 1,2 Prozent bekam, wollten eine Wahlempfehlung aussprechen.

Neben Jung und Gemkow geht Ute Elisabeth Gabelmann (Piraten) in die zweite Runde. Sie war im ersten Wahlgang mit 0,9 Prozent auf dem letzten Platz gelandet. Ausschlaggebend für die Entscheidung, erneut anzutreten, war laut Gabelmann „das Wahlergebnis, an dem wir sehen, dass sich die Mehrheit der Wähler von den jetzt noch verbliebenen Kandidaten offensichtlich nicht repräsentiert sieht“.

Die fünf ehemaligen Bewerber/-innen für das OBM-Amt begründeten ihre Entscheidungen und Empfehlungen ebenfalls. Für Viefeld (FDP) sei klar gewesen, dass er im zweiten Wahlgang „keine Rolle mehr spielen“ werde. „Unsere Wähler wissen selbst am besten, was für Leipzig die beste Wahl ist, daher verzichte ich auch auf eine Wahlempfehlung.“

Aus Sicht der AfD ist weder Jung noch Gemkow eine gute Wahl. Ersterer hatte sich immer wieder klar gegen die Partei und andere rechtsradikale Kräfte positioniert und letzterer habe als Justizminister in Sachsen zu wenig gegen „Extremisten“ unternommen. Kurz nach der Wahl am 2. Februar hatte der ehemalige AfD-Bewerber Neumann öffentlich darüber spekuliert, dass viele AfD-Sympathisant/-innen bereits im ersten Wahlgang aus taktischen Gründen für Gemkow gestimmt hätten.

Die Linkspartei, die unter anderem mit dem Slogan „Leipzig kippt nicht“ für Jung mobilisiert, begründete ihre Unterstützung für den Amtsinhaber damit, dass ihre „kommunalpolitischen Vorstellungen“ eher mit Jung umsetzbar seien. Dazu zählten: bessere Bedingungen im sozialen Bereich, das 365-Euro-Ticket für den ÖPNV, bezahlbares Wohnen, Investitionen in die freie Szene und mehr Engagement gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit.

Grünen-Politikerin Krefft begründete die Unterstützung durch ihre Partei mit „klaren Zusagen zu einer neuen Kultur der Zusammenarbeit“ seitens Jung. Im Stadtrat hatte sich die Grünen-Fraktion in den vergangenen Jahren immer wieder unzufrieden über die Arbeit der Verwaltung geäußert. Zuletzt sorgte Jung selbst für Unmut in der Fraktion, weil er die einst von den Grünen vorgeschlagene Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau (parteilos) mehrmals öffentlich kritisiert hatte.

Als wichtige Themen der kommenden Jahre benannten die Grünen unter anderem Klimaschutz, nachhaltige Stadtentwicklung und eine soziale Wohnungspolitik.

Katharina Subat (Die PARTEI) wiederum begründete ihre Unterstützung für Jung vor allem mit Befürchtungen, dass Gemkow für Law-and-Order-Politik in Leipzig sorgen werde: „Ich hatte einen Traum. Ein schlimmer Traum von meinem Leipzig. Schwarze Horden mit schwarzen Knüppeln zogen durch die ehemals freie Stadt Leipzig. Alle Spätis waren geschlossen.“

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