Am 30. Oktober folgte der Leipziger Stadtrat einem Antrag aus dem Jugendparlament und rief für Leipzig den Klimanotstand aus. Für die SPD war der Begriff „Klimanotstand“ zu alarmistisch. Sie hätte ihn gern gestrichen gehabt. Aber das Gegenteil ist wahr: Das Wort passt wie die Faust aufs Auge. Nur das Denken in der Leipziger Verwaltung hängt der Wirklichkeit noch geschätzte 30 Jahre hinterher. Und dabei war OBM Burkhard Jung doch so stolz, als er am 10. Juni sein Sofortmaßnahmenpaket öffentlich vorstellte.

In Wirklichkeit war es nur ein Machbarkeitspaket, das vor allem Maßnahmen umfasst, die vom Stadtrat meist längst beschlossen sind und auch größtenteils längst hätten umgesetzt werden können. Logisch, dass es postwendend Kritik von „Fridays for Future“ gab.

Denn das Paket machte sogar erst recht deutlich, wie viel Arbeit in der Verwaltung immer wieder liegengeblieben ist, einfach verschoben auf den Sankt-Nimmerleins-Tag, egal, wie viel Kritik es dafür aus dem Stadtrat gab. Aber selbst der Umsetzungsbericht zur Klimaschutzkommune, den das Amt für Umweltschutz gerade vorgelegt hat, zeigt, wie ratlos die Verwaltung ist, wenn es darum geht, auch nur die eigenen Klimaziele für 2026 zu erreichen. Denn das wenige, was von der Stadt auf den Weg gebracht wurde, reicht nicht ansatzweise, die CO2-Last auf das nötige Maß zu senken.

Und so kritisieren auch die Grünen das völlige Ungenügen des von Burkhard Jung vorgelegten Sofortmaßnahmenprogramms.

Denn eigentlich hätte das Klimasofortmaßnahmenprogramm eine große Chance für Leipzig bedeuten können, kurzfristig auf die Klimakrise zu reagieren. Und das kann es auch noch werden, wenn in das Papier jetzt wirklich Standards geschrieben werden, die Leipzig erreichen kann. Denn die Ziele, die sich Jung gesetzt hat, sind windelweiche.

Warum wird bei neuen Stadtquartieren noch immer größtenteils eine fossile Versorgung mit Strom und Wärme angestrebt? Was soll das, fragen sich die Grünen? Warum nicht 100 Prozent, wo das möglich ist?

Der Änderungsantrag der Grünen zum Klimasofortmaßnahmenprogramm.

Und warum dieses Herumgeeier bei Solaranlagen auf städtischen Dächern, wo jetzt seit Jahren fast nichts passiert ist? Ist es so schwer, da oben Solaranlagen zu installieren? Zehn bis 15 städtische Gebäude kann man noch in diesem Jahr mit leistungsfähigen Photovoltaikanlagen ausrüsten. Dann steigt der Solaranteil im Leipziger Strommix nämlich schon einmal deutlich an. Und dass die Stadt nur im Ausnahmefall Bürgersolaranlagen akzeptieren will, finden die Grünen inakzeptabel. Ausgerechnet hier sollen die Bürger also wieder nur ein Alibiplätzchen bekommen und nicht selbst aktiv werden dürfen?

Die Grüne-Fraktion hat sich sichtlich intensiv mit dem von der Verwaltung vorgelegten Klimasofortmaßnahmenprogramm beschäftigt und eine ganze Reihe an Änderungsvorschlägen eingebracht.

„Nur mit konkreten Maßnahmen wird das Klimasofortmaßnahmenprogramm seine notwendige Wirkung erzielen“, sagt dazu Sophia Kraft, energiepolitische Sprecherin der Fraktion. „Beispielsweise muss der Anteil erneuerbarer Energien an der Strom- und Wärmeversorgung in den Quartieren wesentlich höher sein, der Leipziger Energie- und Baustandard muss natürlich auch für die Beteiligungsunternehmen gelten und bei der Planung von kommunalen Neubauten muss von Vornherein die Nutzung von PV- und Solaranlagen in Kombination mit einem Gründach mitgedacht werden. Hier fordert meine Fraktion an einigen Stellen Nachbesserungen im Sinne eines ambitionierten Klimaschutzes und hat einen diesbezüglichen Änderungsantrag eingereicht.“

Und es betrifft ja nicht nur den Energiemix, der ziemlich schnell deutlich umweltfreundlicher werden muss. Es geht beim Straßenbaumprogramm weiter, wo Leipzig – trotz Beschluss zum Pflanzen von 1.000 neuen Straßenbäumen jährlich – in den letzten Jahren 5.000 Straßenbäume verloren hat. Und das Dilemma wird sich verschärfen, wenn ein Trockenjahr dem nächsten folgt.

Es geht auch um das schleppende Gründachprogramm, fehlende Fassadenbegrünung und das große Thema aus dem Corona-Shutdown: Denn der schnellste Weg, den Radverkehr attraktiver und sicherer zu machen, ist nicht der Bau neuer Radwege, sondern das Schaffen von Radstreifen auf existierenden Straßen.

Im Grünen-Antrag heißt es dazu: „Zudem werden kurzfristig 17 Maßnahmen zur Radwegmarkierung im Bestand ausgeführt, um Lücken zu schließen und Gefahrenstellen zu beseitigen. Dies betrifft bereits fertig geplante Straßen wie die Johannisallee und die A.-Hoffmann-Straße sowie weitere Straßen wie die Gerberstraße/Eutritzscher Straße und die Käthe-Kollwitz-Straße, die in der Planung abgeschlossen werden müssen.“

Denn das kostet nicht Millionen, ist aber relativ schnell umgesetzt. Aber gerade hier sind die Widerstände in der Verwaltung am größten. Sieht man die Chance, wirklich einmal einen großen Schritt zu klimafreundlichem Verkehr zu tun, einfach nicht und tut so, als müssten erst genug Radfahrer/-innen unterwegs sein, damit man reagiert.

Dumm nur, dass die im bestehenden Netz immer öfter unter die Räder von Lkw und Pkw geraten. Und damit potenzielle Radfahrer/-innen immer wieder abgeschreckt werden.

Auch das Amt für Umweltschutz gibt nun zu: Die Treibhausgas-Emissionen in Leipzig sinken zu langsam

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