Der Klimawandel ist ein Problem – nicht nur für die zähe Politik auf Länderebene, auch in Leipzig. Wenn Verwaltungen an ihren eingespielten Prozessen festhalten und den Druck einer notwendigen Veränderung nicht in Handeln umsetzen, dann passiert genau das, was derzeit mit der „Europäischen Energie- und Klimaschutzkommune“ Leipzig passiert: Die Stadt schafft ihre selbst gesetzten Ziele nicht. Und auch das Sofortpaket von Burkhard Jung gegen den Klimanotstand hilft nicht die Bohne.

Es ist nicht ehrgeizig genug. Das hatte ja auch schon „Fridays for Future“ kritisiert. Seit 2011 hat Leipzig einfach neun wertvolle Jahre vertan, um die CO2-Emissionen in der Stadt wirklich wie geplant zu senken. Seit dem Pariser Klimaabkommen 2015 wissen auch die Regierungen, dass sie keine Zeit mehr haben, dass sie über 40 Jahre lang die Warnungen der Wissenschaft ignoriert haben und damit erst dafür gesorgt haben, dass der Zeitraum, in dem die Menschheit hätte handeln können, auf zehn Jahre geschrumpft ist.

Zehn Jahre, in denen genau jenes CO2-Level in der Atmosphäre erreicht wird, das gerade noch eine Erwärmung der Atmosphäre um 2 Grad ergibt. Den Wert, den Wissenschaftler für unsere Zivilisation für den maximal verkraftbaren halten.

2014 schien Leipzig da auf die richtige Spur einzuschwenken. Tapfer verkündete die Stadt, bis 2050 spätestens klimaneutral zu sein. Von knapp 6 Tonnen Co2 pro Einwohner sollten die Emissionen schon bis 2020 auf 4,5 Tonnen sinken.

Doch dieses Ziel wird Leipzig nicht erreichen. Dazu spricht erstmals auch das Leipziger Amt für Umweltschutz klare Worte: Am Dienstag, 23. Juni, meldete es – mit einiger Verspätung – dass der neue Bericht zum Klimaschutzprozess der Stadt jetzt vorliegt. Er liegt aktuell zum Herunterladen auf leipzig.de/klimaschutz im Bereich „Publikationen“ bereit.

Tatsächlich ist es der Bericht für das Jahr 2018 und beinhaltet die Zahlen bis 2017. Aber die Zahlen sind aussagekräftig genug.

Wie aus dem Bericht hervorgeht, sind die Werte der Treibhausgas-Emissionen in Leipzig in den vergangenen Jahren zu langsam gesunken.

„Maßstab ist dabei der Beschluss des Stadtrates zum Klimanotstand, der für Leipzig bis spätestens 2050 Klimaneutralität vorsieht“, erläutert dazu Peter Wasem, Leiter des Amtes für Umweltschutz.

„Eine Absenkung der Treibhausgasemissionen mit der derzeitigen Rate führt allerdings dazu, dass das Emissionskontingent, das uns bis 2050 noch zur Verfügung steht, bereits im Jahr 2026 erschöpft sein wird und deshalb – quasi über Nacht – die Klimaneutralität erreicht sein müsste. Da dies praktisch unmöglich ist, ist es notwendig, bereits jetzt erhebliche zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen, die Minderungsrate entscheidend zu steigern.“

Wie soll Leipzig das CO2-Ziel von 2026 schaffen? Grafik: Stadt Leipzig, Umsetzungsbericht "Europäische Energie- und Klimaschutzkommune“ 2018
Wie soll Leipzig das CO2-Ziel von 2026 schaffen? Grafik: Stadt Leipzig, Umsetzungsbericht „Europäische Energie- und Klimaschutzkommune“ 2018

Neben den Daten und Aussagen zur Treibhausgasbilanzierung wird im Bericht auch der Umsetzungsstand der über 100 Maßnahmen des Leipziger Energie- und Klimaschutzprogramms für das Jahr 2018 abgebildet. Nebst Einschätzung zur Umsetzung. Und auch hier hapert es gewaltig.

Die Broschüre informiert zudem ausführlich über den Einsatz der verschiedenen Energieträger in der Stadt Leipzig. So werden etwa die relevanten Einzelergebnisse zum Energieverbrauch und den Treibhausgasemissionen nach den drei Sektoren „Haushalte“, „Wirtschaft und kommunale Einrichtungen“, „Verkehr“ und den verschiedenen Energieträgern aufgeschlüsselt.

Die Broschüre „Europäische Energie- und Klimaschutzkommune“ informiert jährlich sowohl über die Erfolge, als auch die Hemmnisse im kommunalen Klimaschutzprozess und will gesellschaftliche Diskussionen über den weiteren Weg anregen. Der weitere Weg des kommunalen Klimaschutzprozesses wird Inhalt der ersten klimapolitischen Stunde in der Ratsversammlung am 9. Juli 2020 sein, kündigt Wasem an.

Und da wird es wahrscheinlich heftig zur Sache gehen. Denn auch die großen Initiativen, die Leipziger Klimawende wirklich anzupacken, kamen bislang allesamt aus dem Stadtrat – vom Ausstieg aus der Fernwärmeversorgung aus Lippendorf bis hin zur Mobilitätswende und dem 365-Euro-Ticket.

Und auch die Maßnahmen, die OBM Burkhard Jung in sein Sofortprogramm mit aufgenommen hat, sind zum größten Teil längst vom Stadtrat beschlossene Maßnahmen – von der Solardachstrategie bis zum Straßenbaumprogramm.

Und auch der Leipziger Ökolöwe ist ein gutes Stück verzweifelt über das Leipziger Kleckertempo. Er fordert Ergänzungen im Sofortprogramm des OBM. Denn die Leipziger Reduktionsziele werden deutlich verfehlt.

„Wir können nicht so weitermachen wie bisher. Die Menge an CO2-Emissionen, die Leipzig zur Verfügung steht, ist schon 2026 aufgebraucht. Das ist in sechs Jahren!“, warnt Friederike Lägel, umweltpolitische Sprecherin der Ökolöwen.

Im Juli soll ein kommunales Sofortprogramm zum Klimanotstand vom Stadtrat verabschiedet werden. Ein Dokument von großer Tragweite, wie Lägel betont: „Das Sofortprogramm zum Klimanotstand muss das Ruder herumreißen. Der Entwurf des Oberbürgermeisters weist in vielen Punkten in die richtige Richtung. Er enthält allerdings auch eklatante Lücken.“

In einer Liste zählen die Ökolöwen konkrete Maßnahmen auf, die im Entwurf des Sofortprogramms noch fehlen. „Diese sind vor dem Beschluss zwingend aufzunehmen“, fordert Lägel.

Die Klimanotstands-Liste der Ökolöwen.

In der Liste findet man viele Maßnahmen, mit denen sich Leipzigs Verwaltung in der letzten Zeit schwertat, auch weil das alte Bild einer autogerechten Stadt immer noch die Regeln bestimmt. Auch dann, wenn es um ÖPNV und Radverkehr geht, die beide gleichermaßen unter fehlenden Strukturen leiden.

Das Sofortmaßnahmen-Programm zum Klimanotstand kann auf kommunaler Ebene nur ein Anfang sein, findet Friederike Lägel: „Das Sofortprogramm ersetzt keinesfalls die zügige Umstellung der Stadtwerke Leipzig auf einen 100-prozentigen Ökostromanbieter, den vollständigen Vollzug der Wärmewende in Leipzig und den schnellen Ausstieg aus der Braunkohle.“

Leipzigs Umweltdezernat legt Umsetzungsbericht zum Klimaschutzprogramm vor, Stand 2016

Leipzigs Umweltdezernat legt Umsetzungsbericht zum Klimaschutzprogramm vor, Stand 2016

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten unter anderem alle Artikel der LEIPZIGER ZEITUNG aus den letzten Jahren zusätzlich auf L-IZ.de über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall zu entdecken.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Wirklich passieren würde nur etwas, wenn Leipzig für die fehlenden Emissionsrechte ab 2026 Strafe zahlen müsste.
Die bisherigen “Sofortprogramme”, die zum großen Teil eh nur bereits beschlossene (siehe Artikel) oder jahrelang nicht umgesetzte Projekte (Straßenbäume) enthielten, sind ein Tropfen auf den heißen Stein.

Offensichtlich bedarf es rigoroser Einschnitte, wie z.B. bei zweispurigen Straßen eine Spur dem Radverkehr zuzuschlagen, um das Umdenken auch innerhalb der trägen Bevölkerung zu forcieren.
Solange jeder weiterhin beruhigt seinen motorisierten Verkehrsraum samt Parkplatz erfolgreich einfordern kann, wird da nichts passieren…

Schreiben Sie einen Kommentar