Der Stadtrat hat am Mittwoch, den 30. Oktober, mit großer Mehrheit beschlossen, 2023 aus der Fernwärmeversorgung aus Lippendorf auszusteigen. Sollte es „unvorhergesehene Ereignisse“ geben, kann der Ausstieg auf spätestens 2025 verschoben werden. Vor allem die Stadtverwaltung hatte mit Blick auf die Versorgungssicherheit davor gewarnt, sich auf einen frühen Ausstieg festzulegen.

Leipzig möchte 2023 aus der Fernwärmelieferung aus Lippendorf aussteigen. Das haben sowohl Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) als auch verschiedene Fraktionen des Stadtrates in den vergangenen Monaten erklärt. In der Ratsversammlung am Mittwoch, den 30. Oktober, fand sich das Thema gleich in mehreren Anträgen wieder.

Die Grünen forderten in einem ersten Antrag zunächst: „Die Leipziger Gruppe wird per Gesellschafterweisung beauftragt, sämtliche Bausteine zur Wärmeselbstversorgung bis 2022 zu realisieren und keinerlei Verträge mit dem Braunkohlekraftwerk Lippendorf über 2023 hinaus abzuschließen.“

Später schob die Fraktion eine umfangreiche Neufassung hinterher. Dort hieß es nun an oberster Stelle, dass der Ausstieg aus der Fernwärmelieferung auf Basis der Braunkohle im Jahr 2022 beginnen soll. Die aus dem Braunkohlekraftwerk Lippendorf gelieferte Fernwärme soll schon bis 2023 vollständig ersetzt werden. Diese hat laut Stadtverwaltung aktuell einen Anteil von 50 bis 70 Prozent an der nach Leipzig gelieferten Fernwärme.

Katharina Krefft (B90/Die Grünen) vor dem Ratssaal am 30. Oktober 2019. Foto: Michael Freitag
Katharina Krefft (B90/Die Grünen) vor dem Ratssaal am 30. Oktober 2019. Foto: Michael Freitag

Außerdem forderten die Grünen unter anderem, neue Erzeugungskapazitäten für die unabhängige Wärmeversorgung der Stadt und ausreichend ergänzende Speicherkapazitäten aufzubauen. In zwei Jahren soll die Umsetzung der Beschlüsse evaluiert werden.

Die Linken möchten den Ausstieg nicht ganz so schnell vorantreiben. In einem Änderungsantrag ergänzten sie, dass die aus Lippendorf gelieferte Fernwärme „bei unvorhergesehenen Verzögerungen“ bis 2025 statt 2023 ersetzt werden könne. Die SPD nannte in ihrem Änderungsantrag das Jahr 2023 als Ziel, „spätestens jedoch bis 2026“.

Weniger ambitioniert zeigte sich diesbezüglich die Stadtverwaltung. Diese nannte in ihrem Standpunkt das Jahr 2030 als Zielmarke. Womit die CDU einverstanden war, die ihrerseits ergänzte, dass ein Preis für Fernwärme sichergestellt werden müsse, der „für alle Bevölkerungsgruppen weiterhin bezahlbar bleibt“.

Die AfD wollte sich vorab nicht auf ein Jahr festlegen, sondern die Verwaltung damit beauftragen, eine Abwägung von Vor- und Nachteilen zu erarbeiten – für den Fall, dass der Ausstieg nicht erst 2030, sondern schon 2023 erfolgt. Erst dann soll der Stadtrat darüber entscheiden.

In der Ratsversammlung war vor allem die Versorgungssicherheit ein Thema. Laut Sabine Heymann (CDU) ist diese vor allem durch vielfältige Angebote gewährleistet. SPD-Stadtrat Christopher Zenker nannte ein Biomassekraftwerk und ein Kraftwerk zur thermischen Abfallverwendung als Bedingungen für Versorgungssicherheit.

Aus Sicht des Linkspolitikers Michael Neuhaus kann sich Leipzig schon heute ohne Fernwärme aus Lippendorf versorgen. „Wir sind aber auf angemessene Reserven angewiesen.“

Als weitere Herausforderungen nannten verschiedene Politiker/-innen aufwendige Genehmigungsverfahren und mögliche Klagen gegen neue Kraftwerke in Leipzig. Laut Sven Morlok (FDP/Freibeuter) hätten letztere wahrscheinlich aufschiebende Wirkung. Dem widersprach Jürgen Kasek (Grüne): Erst müsse ein Gericht einen Eilantrag zulassen – das sei nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich.

Beratung heute vor großem Publikum: Ungewohnt volle Tribüne im Stadtrat. Foto: Michael Freitag
Beratung heute vor großem Publikum: Ungewohnt volle Tribüne im Stadtrat. Foto: Michael Freitag

Als Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) ans Rednerpult trat, entrollten Gäste auf der Tribüne – wie schon zuvor bei der Debatte zum Klimanotstand – ein Banner und forderten einen raschen Kohleausstieg. Vor allem aus der AfD-Fraktion gab es wütende Reaktionen. Nach wenigen Sekunden war das Schauspiel jedoch vorbei. Jung betonte nochmals, möglichst bis 2023 aus der Fernwärme aus Lippendorf aussteigen, sich aber nicht darauf festlegen zu wollen.

Nach einer Beratungspause fanden die meisten Fraktionen und die Verwaltung einen Kompromiss: Leipzig wird 2023 aus der Fernwärme aus Lippendorf aussteigen, es sei denn, es kommt zu „unvorhergesehenen Ereignissen“. Dann wäre es spätestens 2025 der Fall. Zudem sollen die städtischen Gremien in zwei Jahren einen Sachstandsbericht zur Umsetzung des Beschlusses erhalten.

Mit Ausnahme der AfD stimmten alle Stadträte und Stadträtinnen sowie Oberbürgermeister Jung für den Beschlussvorschlag. Für den Antrag der AfD wiederum stimmte niemand außerhalb der eigenen Fraktion.

Das Video der Debatte um die kohlefreie Fernwärmeversorgung in Leipzig

Quelle: Livestream der Stadt Leipzig

Zum Livestream & Mitschnitt der Ratsversammlung vom 30. Oktober 2019

Der Stadtrat tagt: Die Oktober-Sitzung im Livestream und als Aufzeichnung

Grüne bündeln ihre Forderungen zum Fernwärmeausstieg, zum Forstwirtschaftsplan und zum Abgasausstoß des Flughafens

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