Bereits im Februar – kurz nach dem rassistisch motivierten Massenmord in Hanau – stand der Antrag auf der Tagesordnung der Ratsversammlung. Rund fünf Monate später hat der Stadtrat nun beschlossen, antimuslimischen Rassismus und Islamfeindlichkeit zu verurteilen. Zudem beschlossen die Stadträt/-innen, Geld in Bildungsarbeit zu investieren.

Auf Antrag des Migrantenbeirates hat sich der Stadtrat am Mittwoch, den 8. Juli, gegen antimuslimischen Rassismus und Islamfeindlichkeit positioniert. Die CDU enthielt sich bei der Abstimmung; die AfD war dagegen.

Beschlossen wurde dabei auch, dass die Stadt bis Ende des Jahres ein Konzept zur Prävention entwickeln sowie muslimische Vereine und Initiativen in Leipzig fördern soll. Die Forderung, jährlich 30.000 Euro für politische Bildungsarbeit zur Verfügung zu stellen, fand ebenfalls eine Mehrheit – hier stimmte allerdings auch die SPD dagegen.

Kanwal Sethi, der Vorsitzende des Migrantenbeirates, bezog sich in seiner Begründung unter anderem auf die rassistisch motivierten Morde in Hanau im Februar dieses Jahres. Rassismus sei aber noch weiter verbreitet. „Wir alle sind anfällig dafür.“ Darin bezog er auch sich selbst mit ein. Seit 2015 habe sich das Problem verschlimmert. „Seitdem sind alle, die eine andere Hautfarbe haben, entweder Muslime oder Flüchtlinge.“

Juliane Nagel (Linke) am 8. Juli 2020 im Stadtrat. Foto: L-IZ.de
Juliane Nagel (Linke) am 8. Juli 2020 im Stadtrat. Foto: L-IZ.de

Juliane Nagel (Linke) betonte ebenfalls, dass Stereotype in der Gesellschaft weit verbreitet seien. Laut einer wissenschaftlichen Studie würde die Hälfte der Einwohner/-innen in Sachsen den Islam als Bedrohung betrachten. Das Problem nicht explizit zu benennen und sich stattdessen allgemein gegen „Extremismus“, Hass und Gewalt auszusprechen – wie es die CDU in einem Änderungsantrag forderte –, lehnte sie ab.

Kritik am Antrag des Migrantenbeirates kam von AfD-Stadtrat Roland Ulbrich, der sich kürzlich in einer Debatte über die Todesopfer rechter Gewalt herablassend über diese geäußert hatte. Er sprach nun davon, dass „Rassismus“ ein „Schlagwort“ und der Antrag vorwurfsvoll formuliert sei. Die Muslime sollten seiner Meinung nach mehr Anerkennung für die Gastfreundlichkeit ihnen gegenüber in Deutschland zeigen.

Grünen-Stadträtin Katharina Krefft entgegnete sinngemäß, dass Ulbrich die rassistischen Täter als Opfer darstellen würde. Die Opfer seien jedoch die Diskriminierten. FDP-Stadtrat Sven Morlok (Freibeuter) verwies darauf, dass Deutschland kein Gastgeber für Andersgläubige sei, sondern das Grundgesetz die Religionsfreiheit garantiere. Der Islam gehöre demnach zu Deutschland.

Der Änderungsantrag aus der CDU erhielt zwar Zustimmung aus der SPD, scheiterte jedoch deutlich an einer Mehrheit.

Die Debatte vom 8. Juli 2020 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

Nach Stadtratsrede von Roland Ulbrich (AfD): Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener?

Nach Stadtratsrede von Roland Ulbrich (AfD): Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener?

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