Seit Jahren geht das nun so: Jahr für Jahr steigen die Betreuungszahlen in der Jugendhilfe. Noch viel stärker steigen die Kosten. Und irgendwie bekommt das zuständige Amt die Entwicklung nicht in den Griff. Anlass für die Grünenfraktion im Stadtrat, jetzt direkt einen Antrag zur Amtsstruktur zu stellen. Denn irgendwer muss doch endlich mal für die Koordination der Hilfen die Verantwortung übernehmen.

Die Entwicklung der vergangenen Jahre im Bereich der Hilfen zur Erziehung stellt sowohl für die Stadt Leipzig als auch für Teile der Stadtgesellschaft ein ernsthaftes Problem dar. Nicht nur die dramatisch angestiegenen Fallzahlen, gerade im Bereich der stationären Heimunterbringung, sondern auch die damit verbundenen immensen finanziellen Kosten verlangen längst ein deutliches Gegensteuern, um die finanzielle Handlungsfähigkeit der Stadt nicht zu gefährden.

„Eine dahingehend erwartbare Strategie und Problemanalyse ist jedoch jenseits der neuen Dezernatsführung – speziell im Amt für Jugend, Familie und Bildung – bislang nicht erkennbar“, erklärt Michael Schmidt, jugendpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und stellvertretender Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses.

„Die künftige strukturelle Trennung des Amtes für Jugend, Familie und Bildung in ein daraus erwachsendes klassisches Jugendamt geht mit der Verpflichtung einher, die Entwicklung der Hilfen zur Erziehung verstärkt in den Fokus zu nehmen und als zentrale Herausforderung anzunehmen. Hier setzen wir große Hoffnung und Vertrauen in die künftige Arbeit von Bürgermeisterin Felthaus.“

Zweifelsohne seien vor allem präventive Hilfen von großer Bedeutung, ebenso wie ein handhabbarer Betreuungsschnitt im ASD, so die Grünen. Denn Leipzig hat nun einmal nach wie vor ein Problem mit hoher Jugendarmut mit all ihren Folgen. Da muss die Stadt helfen. Aber irgendwie scheint das sehr unkoordiniert zu passieren. Es seien vor allem interne Strukturen und Prozesse, die auf den Prüfstand gestellt werden müssten, so die Grünen, da ohne dass diese ausreichend qualifiziert und wirksam sind, alle anderen Instrumente ihre Wirkung weitestgehend verfehlen würden.

„Der aktuell in der Presse thematisierte Fall einer Leipziger Familie verdeutlicht exemplarisch die Notwendigkeit eines prozesswirksamen Rückführungsmanagements sowie die Erarbeitung und Einhaltung verbindlicher Fachstandards“, sagt Michael Schmidt.

„Statt diese Themen zu forcieren und so die eigenen Prozesse und Arbeitsweisen zu verbessern, wurde die stetige Fallzahlentwicklung und der immer weiter anwachsende Anteil der stationären Hilfen jahrelang durch rein externe Faktoren erklärt und für nur indirekt beeinflussbar abgetan. Wir sollten alles dafür tun, um den Rückstand an echter sozialpädagogischer Fallarbeit im Sinne einer ganzheitlichen Unterstützung für die betroffenen Familien abzubauen.“

Der Allgemeine Sozialdienst leiste ohne Zweifel eine unschätzbar wichtige Arbeit für die Stadt Leipzig, für die Kinder- und Jugendlichen und ihre Familien, betont Schmidt. „Um dieser Aufgabe und der daraus hervorgehenden Erwartungshaltung gerecht zu werden, braucht es nicht nur exzellent ausgebildete Mitarbeitende verbunden mit einer positiven Arbeitskultur, Leidenschaft, Engagement und Teamwork, sondern auch Strukturen, Prozesse und Netzwerke, die die betreuten Familien optimal unterstützen und Hilfen an die Hand geben, um ihren Erziehungsaufgaben bestmöglich nachzukommen.“

Aber die Koordination müsse unbedingt verbessert werden. Eine neu einzurichtende Stabsstelle soll dabei helfen, heißt es im Antrag der Grünen-Fraktion.

Der Antrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen.

Die beantragte weisungsfreie Stabsstelle, die unabhängig einer ASD- und Amtsleitung nach entsprechender Analyse von Strukturen und Prozessen wichtige Veränderungsprozesse anschiebt und begleitet, wäre eine große Chance, mittelfristig Verbesserungen in der Arbeitsweise des ASD und den daraus folgenden Wirkmechanismen zu erzielen, so die Grünen.

Immer mehr Personal und stationäre Hilfen würden die Sache nicht bessern, auch nicht die Betreuung der jungen Menschen. Ein Problem stecke wohl eher in der Führung des Amtes. Im Antrag heißt es dazu: „Die hohe personelle Fluktuation der vergangenen Jahre sowie der hohe Anteil junger Mitarbeitenden und Berufseinsteiger verlangt zudem ein hohes Maß an Führungskultur, Begleitung und Weiterbildungs- und Qualitätsmanagement.“

Nach Budgetüberschreitung um 37 Millionen Euro: Grüne fordern auch personelle Konsequenzen im Leipziger Jugendamt

Nach Budgetüberschreitung um 37 Millionen Euro: Grüne fordern auch personelle Konsequenzen im Leipziger Jugendamt

Leipziger Zeitung Nr. 85: Leben unter Corona-Bedingungen und die sehr philosophische Frage der Freiheit

Leipziger Zeitung Nr. 85: Leben unter Corona-Bedingungen und die sehr philosophische Frage der Freiheit

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten unter anderem alle Artikel der LEIPZIGER ZEITUNG aus den letzten Jahren zusätzlich auf L-IZ.de über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall zu entdecken.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Vielleicht bekommt dann meine Tochter den seit mehr als 2 Jahren beantragten Erziehungsbeistand, oder den Einzelbegleiter. Kann ja sein. Somit würde auch der dahingehende richterliche Beschluss endlich umgesetzt werden. 2 Kinder mit ADHS sollten eigentlich Anlass genug sein, um tätig zu werden. Aber bisher eben nicht.

Schreiben Sie einen Kommentar