Man lernt doch immer was dazu. Auch über jene Regierung von CDU und FDP, die vor zehn Jahren die Baumschutzsatzungen der sächsischen Kommunen einfach durch Landesrecht ausgehebelt hat. Das soll mit der Novelle des sächsischen Naturschutzgesetzes wieder rückgängig gemacht werden, über die der Landtag im Frühjahr 2021 beschließen soll. Da könnte Leipzig ja wieder eine Baumschutzsatzung aufstellen, fanden die Grünen im Leipziger Stadtrat.

In ihrem Antrag dazu formulierten sie die Aufforderung so: „Der Oberbürgermeister wird aufgefordert, bis zum 1. Quartal 2021 eine Neufassung der Satzung zum Schutz und zur Pflege des Baumbestandes der Stadt Leipzig (Baumschutzsatzung) vorzulegen, die der Änderung des Sächsischen Naturschutzgesetzes Rechnung trägt. Im Rahmen der Neufassung ist zu prüfen, auf welche Weise die geltenden Regelungen so weiterentwickelt und ergänzt werden können, dass ein umfassenderer Gehölzschutz als bisher gewährleistet werden kann.“Auch Leipzig hat einige tausend Bäume auf Privatgrundstücken durch das „Gesetz zur Vereinfachung des Landesumweltrechts“ vom 23. September 2010 verloren, das auch Änderungen im Naturschutzgesetz zur Folge hatte, die die damalige Regierung unter Entbürokratisierung verkaufte. Tatsächlich beschnitt diese Änderung – als „Baum-ab-Gesetz“ scharf diskutiert – die Rechte der Kommunen, wertvolle Baumbestände auf Privatgrundstücken zu schützen.

Aber das Amt für Stadtgrün und Gewässer klärt die Grünen-Fraktion jetzt über einen kleinen Irrtum auf, der aber nur logisch ist, wenn man die drastischen Folgen der Gesetzesänderung von 2010 bedenkt: Die Leipziger Baumschutzsatzung ist nie außer Kraft gesetzt worden. Sie wurde durch Landesrecht nur zahnlos gemacht, gilt aber trotzdem weiter. Leipzig muss also keine neue Verordnung beschließen. Sowie der Landtag sein Ja zur neuen Gesetzesänderung gibt, ist auch die Leipziger Baumschutzsatzung wieder vollumfänglich in Kraft.

Das Amt für Stadtgrün und Gewässer erklärt dazu:Der Vorschriftentext der Baumschutzsatzung der Stadt Leipzig in der Beschlussfassung des Stadtrates vom 16.10.1992 ist seit der Veröffentlichung im Leipziger Amtsblatt Nr. 3 vom 08.02.1993 unverändert in Kraft. Änderungen des Vorschriftentextes erfolgten weder, wie im Antrag behauptet, 2002 noch 2013. Anpassungen waren lediglich die Ausweisung der Vergleichswerte für Ersatzpflanzungen in EURO sowie die Erstreckung der Satzung auf die eingemeindeten Ortsteile.

Einschränkungen des Geltungsbereiches der Satzung erfolgten vielmehr durch Landesrecht 2010 (Gesetz zur Vereinfachung des Landesumweltrechtes) und 2013 (SächsNatSchG).

Schwer wog infolgedessen die Lockerung des Schutzstatus für Gehölze auf mit Gebäuden bebauten Grundstücken.

Im vorliegenden Entwurf für ein Erstes Gesetz zur Änderung des Sächsischen Naturschutzgesetzes (Landtags-Drucksache 7/4539) wird diese Lockerung durch Änderung des § 19 SächsNatSchG rückgängig gemacht.

Alle anderen verbleibenden und neuen Regelungen in § 19 SächsNatSchG berühren nicht die grundsätzlichen Schutzvorschriften, Verbote, Ausnahme- und Befreiungstatbestände und Verfahrensvorschriften der Baumschutzsatzung der Stadt Leipzig. Die ursprüngliche Gültigkeit des Geltungsbereiches würde wieder hergestellt.

Eine Anpassung an die zukünftigen landesrechtlichen Vorschriften erscheint somit nicht erforderlich, falls der Entwurf durch die Abgeordneten des Landtages angenommen wird.“

Was natürlich noch nicht bedeutet, dass das Amt dann tatsächlich jede widerrechtliche Baumfällung verhindern kann.

Man braucht auch Personal, das vor Ort kontrollieren kann

„Die Baumschutzsatzung der Stadt Leipzig geht mit ihren Bestimmungen teilweise über die Regelungen in anderen sächsischen Kommunen und auch über die Empfehlungen der Mustersatzung des Sächsischen Städte- und Gemeindetages hinaus. Noch schärfere Regelungen dürften kaum möglich und auch nicht rechtmäßig sein“, betont es.

Ergänzt aber auch: „Hauptgrund für das Verschwinden ungezählter Gehölze im Stadtgebiet in den letzten Jahren ist die stark gestiegene Bautätigkeit. Gesichtspunkte des Baumschutzes treten dabei grundsätzlich hinter einem gegebenen Baurecht zurück. In den Fällen, in denen dem Bauherren bspw. eine Verschiebung oder Modifikation des Baukörpers zum Schutz vorhandener Bäume nicht zugemutet werden kann, in denen eine Verwirklichung des Baurechts also die Beseitigung geschützter Gehölze erfordert, ist regelmäßig von einer Ermessensreduzierung auf Null, mithin von einem Anspruch auf Zulassung der Baumfällung, auszugehen. Hieran ändert auch eine wie auch immer geartete Gehölzschutzsatzung nichts.“

Eine Haltung, die absehbar noch zu vielen Konflikten in Leipzig führen wird, denn oft werden bei Neubauten auch sämtliche Gehölze gerodet, die vom eigentlichen Baukörper gar nicht berührt werden. Und das auch in der Regel oft ohne vorherige Aufnahme der vorkommenden Tierarten, von denen viele in der Regel geschützt sind.

Dass das praktisch nie sanktioniert wird, hat aus Sicht des Amtes für Stadtgrün und Gewässer auch mit fehlendem Personal zu tun: „Aus der Sicht der Verwaltung erscheint es wesentlich wichtiger und dringender, die Kontrolle der Einhaltung der Verbote der bestehenden Satzung sowie die Überprüfung der Erfüllung von Auflagen der Verwaltungsakte – hier insbesondere die Ausführung der Ersatzpflanzungen und Vornahme von Schutzmaßnahmen zu erhaltender Gehölze im Wirkbereich von Bauvorhaben – sowie die Ahndung von Verstößen abzusichern. Im Falle der Rücknahme der Lockerungen für mit Gebäuden bebaute Grundstücke muss zudem mit einer höheren Zahl von Verwaltungsverfahren gerechnet werden, was die Situation noch verschärfen dürfte.“

So deutlich hat die Verwaltung bislang noch nicht formuliert, dass sie sich vom Stadtrat eigentlich eine Aufstockung der Personalstellen wünscht, um den Schutz von Gehölzen und Biotopen bei Bauvorhaben im Stadtgebiet auch kontrollieren und durchsetzen zu können. Das Bauordnungsamt hat ja – zuletzt im Zusammenhang mit „Schottergärten“ – darauf hingewiesen, dass es überhaupt keine Leute hat, die die Einhaltung der Vorgartensatzung kontrollieren können.

So ähnlich scheint es auch bei der Kontrolle zur Einhaltung der Baumschutzsatzung zu sein. Wenn niemand losgeht, die zu schützenden Bestände erfasst und auch kontrolliert, dass sie erhalten werden, geht der Verlust an wertvollen Gehölzen und geschützten Tierarten in Leipzig immer weiter.

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Keine Kommentare bisher

Es wäre fantastisch wenn sich die Grünen mal um die Verordnung der Kleingartensparten kümmern würden. Dort müssen Gehölze bei Neuverpachtung entfernt werden die bis zu 50 Jahre alt sind. Dort herrscht Kahlschlag ohne Ende….

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