Eigentlich handelte SPD-Stadtbaurat Walther Beyer im Jahr 1946 ganz im Sinne Theodor Fontanes, als er nach dem desaströsen Zweiten Weltkrieg das pompöse Siegesdenkmal auf dem Leipziger Markt einfach nicht mehr ertragen konnte und quasi im Alleingang entfernen ließ. Für ihn war das 1888 eingeweihte Denkmal eine „Versinnbildlichung des Militarismus“. Nun aber wollen es Leipzigs Kaiserreichverehrer wieder zum Leben erwecken. Mit ziemlich verkorksten Argumenten.

Auch wenn sie es erst einmal nur als Anfrage formulieren: „Bestehen Möglichkeiten, Gelder des Bundes und des Freistaats Sachsen für die Errichtung eines Einheitsdenkmals für den Wiederaufbau des Siegesdenkmals zu verwenden?“Was schon schräg genug ist, denn das im ersten Anlauf gescheiterte Freiheits- und Einheitsdenkmal für Leipzig hat nichts mit der Bismarckschen Einigung von oben von 1870/1871 zu tun, die ja die Leipziger AfD-Fraktion in diesem Jahr ebenfalls feiern wollte. Ganz auf einer uralten Traditionslinie, bei der Walther Beyer wahrscheinlich die Haare zu Berge gestanden hätten.

Denn bis heute wird ja selbst die Frage umschifft, ob der von Bismarck initiierte Deutsch-Französische Krieg überhaupt nötig gewesen wäre, um das geeinigte deutsche Reich zu gründen. Ganz abgesehen davon, dass dem schon zwei blutige Kriege gegen Österreich vorausgegangen waren und die Gründung des Wilhelminischen Kaiserreiches mit dieser arroganten Siegergeste in Versailles praktisch den nächsten Krieg schon in sich trug.

Säbelrasseln war im Wilhelminischen Kaiserreich praktisch normale Politik. Und auch wenn die AfD in ihrer Anfrage die scheinbar nur auf die deutsche Einheit zielenden Sockelinschriften zitiert, verherrlichte das Denkmal eben nicht wirklich die Einheit der deutschen Länder, sondern den Krieg, den Sieg über Frankreich. Und es inszeniert das feudale Fürstentum.

Fontane hat zwar einige dicke und auch lesenswerte Bücher über den Deutsch-Französischen Krieg geschrieben, aber einige Jahre später sagte er zu dem Thema: „Abgesehen von dem Entsetzlichen jedes Krieges, stehe ich außerdem noch allem Heldentum sehr kritisch gegenüber.“

Aber von nichts anderem als bärbeißigem Heldentum erzählte ja die behelmte Germania auf dem Denkmal, das Walther Beyer so gründlich beseitigen ließ, dass auch das Stadtgeschichtliche Museum 2014 vergeblich nach Spuren des Denkmals fahndete. Einziger bekannter Rest ist das Heinrich-Heine-Denkmal hinter dem Volkshaus, das aus einem Sockelstein gefertigt wurde.

Und dass 2014 überhaupt danach gesucht wurde, hatte ja mit dem am Ende gescheiterten Versuch zu tun, auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz ein Freiheits- und Einheitsdenkmal zu bauen, das ja nicht wie ein klassisches Heldendenkmal aussehen sollte. Die Aversionen sind ja nur zu berechtigt und Beyers Haltung ist nur zu verständlich, der dieses falsche preußische Heldentum vom Marktplatz entfernt sehen wollte. Denn ringsum erzählten ja die Trümmer – auch die des Alten Rathauses – davon, was so ein inszeniertes Heldentum anrichtet.

Umso beklemmender, dass eine nun sichtlich zutiefst rückwärtsgewandte Fraktion im Leipziger Stadtrat auch noch indirekt vorschlägt, dieses bombastische Denkmal mit seiner kriegerischen Sprache wieder auferstehen zu lassen und gar noch als Freiheitsdenkmal zu deklarieren.

Was kommt als Nächstes? Die Forderung, dass Sachsen wieder einen König bekommt und die Hohenzollern wieder den deutschen Kaiserthron besetzen?

Der Antrag, das Siegesdenkmal abzureißen, kam 1945 übrigens direkt aus der Leipziger SPD. Eine Stadtratsentscheidung dazu gab es nicht, auch keinen Befehl der sowjetischen Kommandantur. Beides hätte es unter dem auf Ausgleich bedachten OBM Erich Zeigner wohl auch nicht gegeben, was wahrscheinlich auch erklärt, warum Beyer Druck machte und letztlich eigenmächtig handelte. Was übrigens nicht bedeutet, dass das Siegesdenkmal später in DDR-Zeiten nicht dennoch abgeräumt worden wäre.

Und eine Mehrheit für ein derart kriegerisches Denkmal ist im gegenwärtigen Stadtrat auch nicht in Sicht. Da stehen die AfD-Fraktionäre ziemlich allein da und sind ja auch schon mit dem Vorstoß gescheitert, 2021 in Leipzig die Bismarcksche Reichsgründung feiern zu wollen. Die Zeiten von Pickelhaube und Knobelbecher sind eigentlich lange vorbei.

Auch die Zeiten für solche blasigen Sprüche wie diesen, der auf der Nordseite des Denkmals zu lesen war: „Unsre Brüder haben freudig für das Reich den Tod erlitten.“

Das ist ziemlich verlogene Kriegsverherrlichung. Wie sie damals im deutschen Kaiserreich üblich und Schulstoff war. Kaiserlich professorales Gesülze, über das eigentlich Heinrich Böll alles gesagt hat, als er seine Erzählung „Wanderer, kommst du nach Spa…“ schrieb.

Walther Beyers Handeln war nur konsequent. Und dass der Bund ausgerechnet Geld dafür geben würde, ein kriegerisches Siegesdenkmal wieder zu errichten, darf bezweifelt werden.

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