Normalerweise sind ja Pressekonferenzen bei der Stadt Leipzig kein großes Thema. Wenn unsereins es schafft, dran teilzunehmen, saust er oder sie hin und berichtet über das, was man erfährt. Für Stadträt/-innen sind die Pressekonferenzen meist nicht vorgesehen. Trotzdem stellte die Grünen-Fraktion eine Anfrage genau zu dem Thema. Ursache war mal wieder ein kleiner Leipzig-Aufreger. Aber manchmal braucht es solche Aufreger zur Klärung.

Auslöser war der Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek, der sich für einen besonderen Pressetermin der Stadt interessierte: „Am 29.09.2021 fand in der Distillery die Vorstellung der Besetzung der Koordinationsstelle Nachtkultur statt. Ein Stadtrat, der sich ordentlich für die Pressekonferenz angemeldet hatte, wurde durch das Referat Kommunikation der Stadtverwaltung wieder ausgeladen mit dem Hinweis darauf, dass Stadtratsvertreter/-innen nicht an Pressekonferenzen der Stadt teilnehmen können“, heißt es in der Anfrage der Grünen.„Bereits in der Vergangenheit wurden die Fraktionen, sofern sie durch Dritte Kenntnis geplanter Pressekonferenzen hatten, teils am Zutritt gehindert. Anfragen der Fraktionsgeschäftsstelle, wieso man zwar über Pressemitteilungen der Stadt informiert, über Einladungen zu Pressekonferenzen jedoch nicht, wurden derart beantwortet, dass sich solche ausschließlich an Pressevertreter und nicht an Vertreter/-innen des Stadtrates richten würde. Eine Bitte um Aufnahme in den Verteiler wurde abgelehnt.“

Ein durchaus nicht so einfacher Vorgang, wie Burkhard Jung in seiner Antwort am Abend des 13. Oktober ausführte. Denn natürlich sind die Pressekonferenzen zuallererst gedacht, die Presse für Themen aus der Stadtverwaltung auf den aktuellen Stand zu bringen und den Journalist/-innen die Möglichkeit zu geben, direkt mit den Entscheidungsträgern aus der Verwaltung reden zu können.

Gute Gründe für Nichtöffentlichkeit

Bei den meisten Pressekonferenzen interessiert das auch die Stadtratsfraktionen eher nicht, weil es meist Themen sind, die zuvor oder auch parallel in den Ausschüssen des Stadtrates besprochen werden. Dort wieder können die Stadträt/-innen direkt mit den Verantwortlichen der Verwaltung diskutieren, sind also in vielen Themenfeldern deutlich besser informiert als die Presse.

Aus gutem Grund: Demokratie braucht auch Schutzräume, in denen sich die gewählten Gremien ohne ständiges Störgeräusch von außen eine Meinung bilden und Entscheidungen treffen können. Was dabei herauskommt, erfährt die Öffentlichkeit dann in der Regel in den öffentlichen Stadtratssitzungen.

Freilich gibt es aber auch Pressekonferenzen, auf denen die Verwaltung Neuigkeiten vorstellt, die auch für die Ratsfraktionen wichtig oder interessant sind. Gerade wenn es um kurzfristige Entscheidungen geht, wo es vorher keine Informationen für den Stadtrat gab. Dann war es auch bisher üblich, dass interessierte Stadträt/-innen zu den Pressekonferenzen auftauchten.

Dass sie vom Referat Kommunikation ausgeladen würden, das war bisher eigentlich nicht üblich.

Wenn Dinge zuerst in der Zeitung stehen

Auch wenn die Grünen kritisch anmerken, dass auch gewöhnliche Pressekonferenzen für Ratsfraktionen frustrierend sein können, wenn dann wichtige Informationen zuerst in der Zeitung stehen: „In der Folge erfahren die Fraktionen grundlegende Vorschläge und Entscheidungen des Oberbürgermeisters und seiner Verwaltung erst Tage später aus der Presse. Dabei geht es teilweise auch um die Umsetzung von Aufträgen, die der Stadtrat erteilt hat, andererseits aber auch um Angelegenheiten, über die der Stadtrat erst noch zu entscheiden hat. Als prominente Beispiele seien u. a. die Entwicklung des Stadionumfeldes und des Cottaweges, der Forstwirtschaftsplan, der Ausstiegspfad aus der Lippendorfer Fernwärme oder auch die Quartiersentwicklungen, wie u. a. am Eutritzscher Freiladebahnhof, zu nennen.“

Erstaunlich viele gar nicht so kleine Themen, die die Grünen da aufzählen. „Entsprechende Unmutsbekundungen an dieser vom Oberbürgermeister legitimierten Praxis des Referates Kommunikation erfolgten in den vergangenen Jahren mehrfach, u. a. auch im Ältestenrat, ohne dass sich jedoch etwas änderte“, betonen sie in ihrer Anfrage. „Unsere Fraktion empfindet die beschriebene Vorgehensweise als Missachtung des kommunalpolitischen Souveräns, des Stadtrates, und damit als offenbar mangelhaftes Demokratieverständnis.“

Stadträt/-innen werden nicht weggeschickt

Tatsächlich hat OBM Burkhard Jung wohl recht, wenn er betont, dass Pressekonferenzen auf Einladung der Stadt nun einmal als direkter Service für die Presse gedacht sind und die Stadt damit auch ein gewisses Hoheitsrecht ausübt. Und ganz bestimmt hat er recht, wenn er betont, dass Pressekonferenzen nicht öffentlich sind. Es kann also nicht jeder kommen, den das Thema interessiert, sonst ist ja oft kein Platz mehr für die Journalisten, die wirklich berichten wollen und müssen.

Deswegen werden auch die Ratsfraktionen nicht in den Presseverteiler aufgenommen, so Burkhard Jung. Aber das Anliegen, das die Grünen geäußert haben, verstehe er trotzdem, machte er am 13. Oktober deutlich. Deswegen sei es in keiner Weise rechtens, wenn das Referat Kommunikation Stadträten die Teilnahme verweigere. Was er dann gleich mal mit dem scherzhaften Hinweis verband, auch die Verwaltung wäre nur zu gern dabei, wenn die Fraktionen zu Pressekonferenzen einladen.

Aber eine Anweisung, dass Stadträt/-innen an Pressekonferenzen nicht teilnehmen dürfen, gibt es nicht. Und sie würden auch nicht weggeschickt, wenn sie dazukommen, so Jung. Aber gar eine schriftliche Ablehnung, wie sie Jürgen Kasek bekommen hat, ginge ganz und gar nicht. Der entschuldigte sich dann sogar selbst noch für die Aufregung, die er mit seiner Reaktion auf die Ausladung ausgelöst hatte. Da wäre er wohl doch etwas zu emotional geworden.

Aber manchmal braucht es eine solche Klärung: Die Pressekonferenzen sind für die Presse da. Und manchmal bekommt sie dadurch Informationsvorsprung auch vor den Ratsfraktionen. Manchmal ist sie aber auch schon froh, wenn sie „dicke“ Themen erst einmal ordentlich erklärt bekommt. Und manchmal ist es auch gut, wenn Stadträte dabeisitzen. Dann weiß man auch gleich, dass das Thema auch in den Ratsfraktionen sehr ernst genommen wird. Auch das ist eine Information. Und manchmal eine sehr wichtige.

Die Fragestunde vom 13. Oktober 2021 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. Über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar