Man kann aus dem Impfen und der Impfpflicht ein Politikum machen. Das versucht auch die AfD-Fraktion im Leipziger Stadtrat. Am 9. Februar war das in der Ratsversammlung gleich zweimal Thema. Aber bei der Anfrage zur angekündigten Impfpflicht in der Pflege wurde einmal mehr deutlich, wie sehr das falsche Verständnis von (Impf-)Freiheit kollidiert mit der Pflicht der staatlichen Verwaltungen, die gesundheitliche Unversehrtheit aller Bürger im Blick zu haben.

Denn um nichts anderes geht es ja in dieser vom Bund angekündigten einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Wer in der Pflege und im Gesundheitswesen arbeitet, hat jeden Tag mit Menschen zu tun, die durch eine Virusinfektion besonders gefährdet sind. Es waren gerade die Sterbefälle bei den Hochbetagten und gesundheitlich Vorbelasteten, die schon in der zweiten Corona-Welle die Leipziger Sterbezahlen in die Höhe trieben.Das aber verhindert man eben nicht nur dadurch, dass man die Älteren und Gefährdeten impft. Denn das ist ja nie ein hundertprozentiger Schutz. Schon gar nicht, wenn dann auch noch das direkte Betreuungspersonal nicht geimpft ist.Eine gesetzliche Impfpflicht für dieses Personal ist also in erster Linie ein Versuch, gerade an den entscheidenden Punkten im Pflege- und Gesundheitsbereich den Schutz zu verbessern und die möglichen Infektionszahlen zu senken.

Da geht es eigentlich nicht um die Frage Freiheit, sondern um die Frage Verantwortung. Auch für die Pflegekräfte. Und schon in der Antwort an die AfD-Fraktion machte das Leipziger Sozialdezernat klar, dass dieses Bewusstsein in Leipziger Gesundheitseinrichtungen deutlich höher ausgeprägt ist als in anderen sächsischen Landesteilen.

In der Antwort wird es noch einmal extra betont: „Im Städtischen Eigenbetrieb Behindertenhilfe Leipzig (SEB) gelten 8,3 %, im Städtischen Klinikum ‚St. Georg‘ (Eigenbetrieb der Stadt Leipzig) 17,2 %, in der Klinikum St. Georg gGmbH 16,3 % und in der Städtische Altenpflegeheime Leipzig gGmbH 7,6 % der Beschäftigten als aktuell ungeimpft.“

Das Problem zum Zeitpunkt der Ratsversammlung war freilich, dass ausgerechnet wieder der bayerische Ministerpräsident Markus Söder versucht hatte, politisch Punkte zu machen, indem er ankündigte, die Impfpflicht in den Einrichtungen Bayerns nicht umsetzen zu wollen. Ein Zug, auf den auch gleich noch ein paar Medien aufsprangen.

Der AfD-Stadtrat Udo Bütow nannte am 9. Februar die BILD und die LVZ, die seiner Ansicht nach angekündigt hätten, Sachsen würde ein Moratorium zu dieser Impfpflicht verhängen. Obwohl dazu offiziell gar nichts aus Dresden verlautete. Im Gegenteil: Dort wird an der gesetzlichen Umsetzung des Bundesbeschlusses gearbeitet, wie das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt am 28. Januar angekündigt hatte.

Da war es schon recht forsch, dass Bütow fragte, ob Leipzig nun quasi eigenmächtig die Impfpflicht aussetzen würde, um die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems zu sichern.

Aber darauf hatte Sozialbürgermeister Thomas Fabian eine klare Ansage: „Unsere Aufgabe ist es, Gesetze umzusetzen. Und nach meiner Kenntnis hat das SMS dieses Gesetz nicht außer Kraft gesetzt.“ Im Gegenteil, es werde daran gearbeitet.

Leipzig bereitet sich also gesetzeskonform darauf vor, ab dem 16. März die Impfpflicht in den Gesundheitseinrichtungen zu kontrollieren. Obwohl die Stadt so lange auch nicht warten wird. Man habe jetzt schon mit den Beschäftigten gesprochen, ist in der Antwort zu lesen.

Besonders schön Fabians Satz: „Und ich verlasse mich mehr auf das, was ich aus dem Ministerium höre, als auf das, was in den Medien verbreitet wird.“

Denn einige Medien mutmaßen ja nur zu gern und tun so, als sei die auch von Bütow erwähnte Argumentation der Impfgegner gleichwertig mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und den Empfehlungen von Impfkommissionen und erfahrenen Virologen.

Und auch OBM Burkhard Jung ließ sich die Gelegenheit nicht nehmen, noch einmal deutlich zu werden. Als OBM habe er einen Eid geschworen, das Recht zu schützen. Dass er von Söders neuer politischer Volte so gar nichts hält, machte er ebenso deutlich.

Leipzig werde die vom Bundestag im Dezember beschlossene Impfpflicht ab dem 16. März Zug um Zug und Schritt für Schritt umsetzen.

Mit den jetzt schon hohen Impfzahlen in den Einrichtungen hat Leipzig dabei deutlich bessere Voraussetzungen als andere Kommunen in Sachsen.

Die Debatte vom 9. Februar 2022

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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