Braucht Leipzig nun ein Zukunftszentrum für Europäische Transformation oder nicht? Die Frage tauchte am 15. September auch noch einmal am Rande der Ratsversammlung auf, auf der Leipzig schon einmal eines beschloss: Dass das Zukunftszentrum in Leipzig auch eine Fläche bekommt. Und zwar nicht nur irgendeine, sondern eine mitten im Herzen der Stadt – auf dem Matthäikirchhof.

Auch ein bisschen gezwungenermaßen. Denn mehrere ostdeutsche Kommunen sind neben der Doppelbewerbung der sächsischen Städte Leipzig und Plauen im Wettbewerb um dieses attraktive, vom Bund geförderte Zukunftszentrum, das sich ganz direkt um die Fragen der Demokratie und der friedlichen Transformation der Gesellschaft kümmern soll.

Aber echte Punkte im Rennen bringt der Standort.

Und da hat Leipzigs Verwaltung dann schnell festgestellt, dass sämtliche Standorte außerhalb des Stadtzentrums keine Chance haben, wenn das Gespann Leipzig-Plauen Chancen auf den Gewinn des Wettbewerbs haben will.

„Eine Bewerbung mit Standorten außerhalb des Innenstadtbereichs, z. B. in Grünau, Schönefeld, Paunsdorf oder Gohlis-Nord, würde die Erfolgsaussichten der Bewerbung von Leipzig und Plauen erheblich schwächen, da ausdrücklich ein innerstädtischer Standort gefordert wird“, schildert das Stadtplanungsamt die Suche nach einem geeigneten Standort.

„Es wurden verschiedene Standorte für den Leipziger Teil des Zukunftszentrums untersucht. Neben möglichen Standorten in Grünau, Schönefeld, Paunsdorf und Gohlis-Nord wurden auch weitere Standorte im Bereich der Innenstadt untersucht. Nach Prüfung aller in der Bewerbung nachzuweisenden Standortanforderungen hat sich herausgestellt, dass der Bereich Matthäikirchhof am besten als Standort geeignet ist.

Die genaue Verortung auf dem Areal lässt sich derzeit nicht beschreiben, da zuvor der städtebauliche Wettbewerb durchgeführt werden muss. Die Prüfung eines weiteren Standorts ist noch nicht abgeschlossen, jedoch ist dieser aufgrund verschiedener offener Fragen aktuell nicht für die Bewerbung geeignet.“

Das heißt: Eine konkrete Fläche ist noch nicht festgelegt. Offen ist auch die Frage, ob die alten Stasi-Bauten dort nun stehen bleiben oder abgerissen werden, um wirklich Baufreiheit zu schaffen.

Die tiefverwurzelte Angst vor Veränderungen

Aber dass es so ein Zentrum braucht, um die Notwendigkeit von Transformation überhaupt zu thematisieren, darüber herrschte bei den meisten Stadträten und Stadträtinnen am 15. September Einigkeit. Denn eindeutig gehört eben das nicht zu derzeit geübten Diskussionskultur.

Und teilweise auch nicht zur Politik. CDU-Stadträtin Sabine Heymann ging in einer kurzen Rede auf die schlichte Tatsache ein, dass Transformation eigentlich der Normalzustand einer Gesellschaft ist.

Aber das ist im Denken der meisten Menschen nicht verankert. Im Gegenteil: Veränderungen machen ihnen Angst, weil auch ein gut Teil der Politik diese Ängste schürt. Es geht ja auch um ganz elementare Veränderungen wie Energie- und Mobilitätswende, wie Udo Bütow von der AfD diesmal zu Recht ansprach.

Auch wenn seine Fraktion sich komplett gegen das Zentrum aussprach. Nicht ganz logisch, denn die von Bütow angesprochenen Handwerker- und Lieferprobleme gehören natürlich dazu. Transformation gestaltet man nicht nur durch Sonntagsreden, sondern mit echten materiellen Veränderungen. Dazu braucht es Menschen, Ausbildung und Geld.

Ist Plauen der richtige Partner?

Wie schwer sich freilich viele Menschen damit tun, Transformation überhaupt zu denken, darauf machte dann Thomas Kumbernuß (Die PARTEI) aufmerksam, der Plauen gleich mal zu einem völlig inakzeptablen Partner für Leipzig erklärte, nachdem dort ein ziemlich seltsames Gemisch aus Rechtsradikalen, Querdenkern und Corona-Leugnern sogar den Rücktritt der Regierung gefordert hatte.

Die Demokratie als einen Transformationsprozess zu begreifen, ist auch noch nicht wirklich Allgemeingut bei vielen Ostdeutschen.

Und so konnte OBM Burkhard Jung in Replik auf Kumbernuß durchaus zu Recht sagen, dass gerade diese Demonstration von 5.000 Menschen in Plauen ein sehr gutes Argument sei für die gemeinsame Bewerbung Leipzigs und Plauens.

Konkrete Grundstücke freilich beschloss man am 15. September noch nicht.

Nur dass die Stadt dem Zentrum auf dem Matthäikirchhof die notwendigen Grundstücke verpachten will. „Eine genaue Beschreibung der Grundstücke wird im Rahmen der aktuell laufenden Bewerbungserstellung erarbeitet. Erst nach dem Ende des Standortwettbewerbs und der Entscheidung des Bundes über den Standort des Zukunftszentrums kann die rechtliche Umsetzung der kostenfreien Grundstücksübertragung mit dem Bund oder einer vom Bund beauftragten Körperschaft erfolgen.“

Trotzdem ist der Zeitplan sportlich: „Das Zukunftszentrum soll 2028 seine Arbeit aufnehmen. Die Entscheidung über den Standort trifft der Bund Ende 2022/Anfang 2023. Eine kostenfreie Übertragung der notwendigen städtischen Grundstücke kann demnach frühestens 2023 erfolgen.“

Aber dann muss es schnell gehen – von der Entscheidung über den alten Stasibau bis hin zur konkreten Festlegung der Flächen auf dem Matthäikirchhof. Denn dann geht es an Planung und Baubeschluss.

Dafür gab es dann am 15. September eine doch sehr deutliche Mehrheit von 33:9 Stimmen bei 7 Enthaltungen.

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