Als Vorsitzender des Stadtelternrats, so Andreas Geisler, habe er gelernt, dass zwei Dinge an Schulen nichts zu suchen haben: erstens Angst, zweitens Hunger und Durst. Um das Thema Hunger ging es dem SPD-Stadtrat und seiner Fraktion mit dem Antrag, in kommunalen, weiterführenden Schulen die Ausgabe eines Mittagessens-to-go als Lunchbeutel zu prüfen. Die Debatte im Stadtrat wurde dann kontrovers.
Cool, wer nicht mitisst? Dieser Eindruck drängt sich laut SPD-Fraktion auf, wenn man sich anschaut, dass laut ihrem Stadtrat Andreas Geisler nur knapp die Hälfte der berechtigten Schülerinnen und Schüler an weiterführenden Schulen am Schulessen teilnehmen – bezogen auf die Zahl derer, die Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) des Bundes beziehen. Und ab Klassenstufe sechs, so Geisler, rausche der Anteil noch einmal deutlich abwärts.
Angebot für junge Menschen
Was also tun? „Damit auch junge Menschen ein Angebot haben, ein Mittagessen einzunehmen und den Ort dafür wählen können (Mensa, Pausenhof, für Jugendliche ab Klasse 9 oder 10 Orte im Umfeld der Schule) wäre ein Mittagessen-to-go ein sinnvolles Angebot. Dass dieses sowohl günstig im Preis sein sollte, als auch nach BuT abrechenbar, ist notwendig, um möglichst viele junge Menschen mit diesem Angebot zu erreichen“, heißt es im Antrag der SPD-Fraktion.
Sinnvollerweise sollte das Mittagessen-to-go ausgewogen und kostengünstig sein, außerdem für das Angebot gemeinschaftlicher Mittagsverpflegung nach Bildung und Teilhabe abgerechnet werden können, heißt es. „Damit hätten alle Kinder mit einkommensschwachen Eltern die Möglichkeit, wieder gemeinsam im Schulhof, in der Mensa oder wo auch immer zu essen und nicht hungrig danebenzustehen“, sagte Geisler. Die Stadt sei nach einem anfänglich ablehnenden Verwaltungsstandpunkt (VSP) inzwischen eingelenkt und teile die Sicht der SPD.
Lebhafte Kontroversen im Stadtrat
Vicki Felthaus (Bürgermeisterin und Beigeordnete für Jugend, Schule und Demokratie, Die Linke) bestätigte: Im Fachausschuss habe man nach Rücksprache mit anderen Kommunen zugesagt, dass man die Prüfung im Sinne der SPD vornehmen könne. Der Anspruch auf Bildung und Teilhabe sei allerdings gemeinsam mit dem Sozialamt und durch die Einführung der Bildungskarte erhöht, sodass der Anteil derer, die an einer Schulverpflegung teilnehmen, jetzt bei über 60 Prozent liege, mithin etwas höher als von Geisler ausgeführt. „Das darf gerne noch steigen.“
Hätte die Debatte nach dieser Korrektur enden können, entspann sich dann noch einmal eine lebhafte Diskussion in der Ratsversammlung. Angefangen bei Michael Weickert (CDU), der Geisler zustimmte, aber die Familien in der Pflicht sah, sich um ihre Kinder zu kümmern, man dürfe nicht allein Symptome bekämpfen.
Das trieb Thomas Kumbernuß (Die PARTEI, Freie Fraktion) ans Mikrofon, der meinte, ein ganz großes Symptom des Problems nenne sich Kapitalismus: „Ich finde es schön, Herr Weickert, dass Sie was dagegen machen wollen.“
Andreas Geisler verwies auf den Anteil beispielsweise Alleinerziehender, die stärkere Unterstützung benötigten, der Verantwortung gerecht zu werden. „Bildungsgerechtigkeit betrifft am Ende das Kind, nicht die Eltern.“ Marco Götze (Die Linke) mahnte, beim Kern der Sache zu bleiben, es gehe um die Zeit, welche Kinder und Jugendliche in der Schule zubringen.
AfD und BSW verweigern Zustimmung
Dann meldete sich Christian Kriegel (AfD) zu Wort, seine Fraktion werde dem Antrag nicht zustimmen, da es Cateringfirmen gäbe, die kein Lunchpaket anbieten könnten. Würde man alles nach dem Mittagessen-to-go ausrichten, würde die Chance auf höherwertige Mahlzeiten womöglich torpediert.
Nahtlos schloss sich Thomas Kachel für das BSW an: „Uncoole“ Dinge seien nicht unrichtig, man müsse jungen Leuten klarmachen, dass gemeinsames, warmes Essen ein Wert an sich sei. Doch Lunchbeutel könnten dies auf längere Sicht durch die „Macht des Faktischen“ aushebeln.
Morlok und sein Seitenhieb auf die Stadt
Sven Morlok (FDP, Freie Fraktion) nutzte seine Redezeit für einen Hieb auf die Stadt und ihren über den Haufen geworfenen Verwaltungsstandpunkt mit seinen juristischen Details, was OBM Burkhard Jung (SPD) kommentierte: „Brecht sagt: Wer A sagt, muss nicht B sagen, er kann auch einsehen, dass A falsch war.“ Ute Köhler-Siegel (SPD) wies dann noch darauf hin, dass die Schulen nach ihrem Wunsch befragt werden müssten. Und auch Vicki Felthaus ergriff noch einmal das Wort: Man habe gut mit dem Sozialamt zusammengearbeitet und sei gemeinsam klüger.
Das Ziel stehe: In weiterführenden Schulen solle es vor allem ab Klasse 7 einfach etwas Ordentliches zum Mittagessen geben.
Dem Antrag stimmte die Ratsversammlung schließlich mit 37:16 Stimmen bei fünf Enthaltungen zu: „Der Oberbürgermeister prüft im Rahmen der kommenden Ausschreibung für Cateringunternehmen für Schulen in kommunaler Trägerschaft in 2025, ob ein Mittagessen-to-go in weiterführenden Schulen angeboten werden kann.“
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