Hochbeete, Themengärten, hunderte Pflanzenarten, eine Sinfonie für die Nase: Der Duft- und Tastgarten im Leipziger Friedenspark ist für alle Besucher ein Erlebnis, vor allem aber auf Bedürfnisse blinder und sehbehinderter Menschen ausgelegt. Eigentlich. Denn baulich und konzeptionell blieb über die letzten Jahre manches liegen. Nun soll die Überarbeitung des Ortes endlich angepackt werden. Strittig blieb nur ein Punkt.

„Im Laufe der Jahre haben sich dort viele Mängel summiert“, hob der Antrag des BSW zum Duft- und Tastgarten hervor: abgesenkter Wegebelag, der eine gefährliche Stolperfalle und Barriere darstellt, Mängel bei den Hochbeeten, eine fehlende oder irreführende Beschriftung in Brailleschrift, eine marode Pergola, defekte Wasserzuleitungen.

BSW für Antrag des Behindertenbeirats

Es bestehe also, wie bei Ortsbegehungen festgestellt, klarer Handlungsbedarf, sagte BSW-Stadtrat Ralf Pannowitsch am Mittwoch, dem 24. September, in der Ratsversammlung – auch wenn die Stadt beim im Juli 2007 eröffneten Duft- und Tastgarten „nur“ für bauliche Fragen zuständig sei, nicht die gärtnerischen.

Zumindest einige Maßnahmen seien auch in der angespannten Haushaltslage Leipzigs finanzierbar, obgleich beispielsweise ein barrierefreier Zugang zum nahen Apothekergarten derzeit wohl eher Zukunftsmusik sei.

Duft- und Tastgarten. Foto: S. Eicker
Der Duft- und Tastgarten im Leipziger Friedenspark. Foto: Sabine Eicker

Den städtischen Verwaltungsstandpunkt (VSP) kritisierte Pannowitsch als zu vage, räumte aber ein, dass seine Fraktion berechtigt Rüffel vom Beirat für Menschen mit Behinderungen kassiert habe, weil dieser vorab nicht in den Antrag einbezogen und gefragt wurde. Hier gelobte der Stadtrat mehr Sensibilität. „Aus Respekt vor dem Sachverstand des Behindertenbeirats und des Blinden- und Sehschwachenverbandes“ möge man dem Änderungsantrag des Ersteren zustimmen, so die Bitte.

Fehlende Kooperation und Hinhalten: deutliche Kritik vom Beirat

Die selbst sehbehinderte Susanne Siems sprach als Vertreterin beider Verbände aus Sicht Betroffener – freundlich im Ton, klar in der Sache. So sei die Kooperation mit der Stadt immer wieder eingeschlafen, weswegen ein Gremium zur Zusammenarbeit auf Augenhöhe wichtig sei, betonte die Bibliothekarin und Journalistin: Stadtverwaltung, Verbände und die Uni Leipzig/Botanischer Garten sollten gemeinsam entscheiden.

Ferner müssten Infomaterial und Audioguides wegen teilweisen Mangels an Aktualität überarbeitet werden, damit blinde und sehschwache Menschen den Garten eigenständig erkunden können. Auch möge man Erfahrungen ähnlicher Gärten aus anderen Städten wie etwa Radeberg aufnehmen.

Vor allem ärgere sie sich über ein fehlendes WC vor Ort, mit dessen Umsetzung man seit Jahren vertröstet werde, sagte Siems: „Mit fehlt an der Stelle etwas die Geduld.“ Ohne Toilette seien Führungen quasi unmöglich und die nächste Sanitäranlage an der Philipp-Rosenthal-Straße für Menschen mit Langstock 25 Minuten weit weg. Über die WC-Einrichtung bis Ende März 2026, wie vom Beirat für Menschen mit Behinderungen gefordert, hatte sich Stadtrat Pannowitsch allerdings skeptisch gezeigt.

Rosenthal: Toilette soll in Konzeption priorisiert werden

Das sah auch Stadträtin Pia Heine (SPD) so, deren Fraktion den Aspekt „barrierefreie Sanitäreinrichtung“ in ihrem Änderungsantrag unverbindlicher formuliert hatte. Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (Die Linke) hatte mit den meisten Punkten des Antrags vom Beirat keine Bauchschmerzen. Einige Maßnahmen, so Rosenthal, seien schon beauftragt.

Bei der strittigen Toilettenfrage verwies er darauf, dass ein WC für den Duft- und Tastgarten in der städtischen Sanitärkonzeption enthalten sei und mit entsprechender Priorisierung 2027/28 realisiert werden könne, aber nicht schon 2026. Diese Zusage könne als Protokollnotiz festgehalten werden, so Rosenthal. Daher hatte die SPD ihren Änderungsantrag kurzerhand zurückgenommen.

WC bis Frühjahr 2026 chancenlos

In der punktweisen Abstimmung zum Beirats-Antrag fiel die WC-Einrichtung bis Ende März 2026 dann mit 18:39 Stimmen (bei sechs Enthaltungen) durch – nach kurzer Turbulenz, in der OBM Burkhard Jung (SPD) klarstellte, dass die verbindliche Protokollnotiz für eine Toilette 2027/28 entfällt, sofern jetzt formal ein WC beschlossen wird, dessen Aufbau im kommenden halben Jahr aber kaum realistisch scheint.

Die weniger kontroversen Punkte – Gremium, Überarbeitung des Infomaterials, Neukonzeption und Aufnahme weiterer Impulse – kamen dagegen einstimmig durch. Nicht elektronisch, sondern fix per Handzeichen. „Machen wir es mal so, kommt!“, meinte Jung dazu.

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