Die Ratsfraktionen fielen aus alle Wolken, als die Stadtverwaltung am 25. Oktober unverhofft ankündigte, die Bürgerbüros in Großzschocher und Böhlitz-Ehrenberg aus Effizienzgründen schließen zu wollen. In der Ratsversammlung am 29. Oktober gab es dazu schon eine erste Diskussion. Aber mindestens zwei Fraktionen wollen die Angelegenheit nicht einfach so auf sich beruhen lassen. Sie stellen nicht nur dicke Fragepakete an die Verwaltung. Die Linke will mit einem Antrag auch wieder Klarheit in die Frage bringen.
Die Linksfraktion im Stadtrat zu Leipzig hat deshalb einen Antrag eingereicht, welcher die Erstellung eines Konzepts zur künftigen Steuerung sowie Sicherstellung der Bürgerservice-Leistungen fordert.
„Für viele Bürgerinnen und Bürger sind die Bürgerbüros der Stadtverwaltung der unmittelbare und wohnortnahe Zugang zu vielen städtischen Dienstleistungen“, heißt es darin.
„Deshalb hatte auch der Stadtrat am 12.03.2025 beschlossen, 280 für Umlenkungen vorgesehene Stellen in bürgernahe Dienstleistungen, einschließlich des Bürgerservice und der Bürgerbüros zu führen. (vgl. VIII-HP-10289-NF-03 ‚Bürgernahe Dienstleistungen stärken, Leistungsfähigkeit der Verwaltung sichern und Nachhaltigkeit im Stellenplan schaffen!‘ unter Beschlusspunkt 3)“
Vor dem Hintergrund des ungebrochenen Vertrauens in die Leistungsfähigkeit und Zugänglichkeit der Bürgerbüros müssten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Bürgerinnen und Bürger bzw. Einwohnerinnen und Einwohner in den Bürgerbüros sicher sein und einen kundenfreundlichen Aufenthalt erwarten dürfen, betonte der Antrag.
Ein Aushängeschild der Verwaltung
„Die Bürgerbüros der Stadtverwaltung sind für viele Leipzigerinnen und Leipziger der unmittelbarste wohnortnahe Zugang zu zahlreichen städtischen Leistungen. Sie sind sozusagen das Aushängeschild der Verwaltung. Immer öfter standen die Bürger/-innen in den letzten Monaten allerdings vor verschlossenen Türen oder mussten aufgrund des hohen Ansturms auf wenige freie Termine unverrichteter Dinge wieder gehen“, geht Enrico Stange, Sprecher für Allgemeine Verwaltung und Beschäftigung der Linksfraktion, auf die eh schon komplizierte Lage der Bürgerbüros ein.
„Die Gründe für die Situation sind vielfältig: Personalmangel, hohe Krankenstände etc. Schon im März dieses Jahres hatte der Stadtrat die Umlenkung von 280 Stellen hin zu bürgernahen Dienstleistungen beschlossen – wo sind diese?
Natürlich wissen wir, dass nicht alle Bürgerservicebüros mit der gleichen Frequenz besucht werden. Auf die individuellen Umstände vor Ort entsprechend zu reagieren, hält unsere Fraktion für durchaus sinnvoll.
Allerdings braucht es dafür ein klares Konzept: So könnte beispielsweise der Bürgerbus vermehrt in Außenbezirken zum Einsatz kommen, während in hochfrequentierten Büros – wie der Otto-Schill-Straße – genügend Personal zur Verfügung steht.
Auch der Umstieg auf digitale Leistungen ist begrüßenswert. Ein Blick auf aktuelle Zahlen von 2024 jedoch zeigt, dass der Anteil analoger Nutzung von Dienstleistungen deutlich überwiegt – ein Ungleichgewicht, welches sich mit den kommenden Jahrzehnten sicher verschieben wird. Darauf gilt es dann entsprechend zu reagieren.
Nicht zuletzt muss vor allem die Sicherheit und Zugänglichkeit der städtischen Bürgerbüros für Einwohner/-innen sowie Beschäftigte im Vordergrund stehen. Denn das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger sollte die Verwaltung nicht leichtfertig verspielen.“
Zwei dicke Fragepakete
Und auch die Grünen fanden sich durch die kurzfristige Schließungsankündigung überrumpelt und stellten dann am 5. November einen ganzen Fragenkatalog zu Vorgehen der Stadtverwaltung. In der Begründung wurden sie deutlich: „Die flächendeckenden Bürgerbüros basieren auf dem Stadtratsbeschluss von 1996, der eine dezentrale Verwaltung vorschreibt. Seit 30 Jahren bieten diese den Bürger/-innen in bewährter Weise kurze Wege bei Verwaltungsanliegen in Zuständigkeit der Stadt Leipzig.
Die Verwaltung begründet die Schließung der beiden Bürgerbüros in Südwest und Böhlitz-Ehrenberg mit angeblicher Effizienz, ohne konkrete Kostenersparnisse oder Auswirkungen auf die Bürger/-innen darzulegen.
Besonders in Ortschaften wie Böhlitz-Ehrenberg, Knautnaundorf, Rehbach, Hartmannsdorf und Knauthain sind Alternativstandorte nicht ohne weiteres erreichbar – die Schließung würde die Grundversorgung mit bürgernahen Verwaltungsdienstleistungen gefährden bzw. deutlich verschlechtern.
Die geplante Schließung fällt in Böhlitz-Ehrenberg mit der Verkehrseinschränkung im Zusammenhang mit der Sanierung der Georg-Schwarz-Brücken ebenso wie im Südwesten mit der Sanierung der Dieskaustraße zusammen, die bereits erhebliche Verkehrsbeeinträchtigungen verursachen.
Eine zusätzliche Belastung der Bürger/-innen durch eine Schließung der beiden Bürgerbüros ist unverhältnismäßig. Seit 30 Jahren sind die Bürgerbüros ein bundesweit anerkanntes Vorbild für niedrigschwellige Verwaltung. Digitale Angebote können persönliche Beratung – besonders für ältere Menschen – noch längst nicht in dem Maße ersetzen, die eine Schließung der Bürgerbüros rechtfertigen würde.“
Aber diese Niedrigschwelligkeit droht nun ein weiteres Opfer der rigiden Kürzungen im Haushalt der Stadt zu werden, während die vom Bund nicht ausfinanzierten Sozialausgaben die Stadt immer weiter in den Schuldenstrudel geraten lassen.
Und um etwas mehr Klarheit in diesem Vorgang zu bekommen, stellte auch die Linksfraktion am 6. November noch eine umfangreiche Anfrage an die Verwaltung. Eine Anfrage, die zumindest andeutet, dass die Ersparnis durch die Schließung der beiden Bürgerbüros mit 50.000 Euro im Vergleich zum Millionen-Minus in Stadthaushalt doch ziemlich marginal ausfallen dürfte.
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