Natürlich stimmten Leipzigs Grüne am Mittwoch, 18. April, nicht zu, als der Stadtrat die Beteiligung der Stadt Leipzig am EU-Projekt "D-AIR" beschloss, das kürzlich noch den irreführenden Titel "Green Airports") trug. Ein Antrag des Wirtschaftsdezernats übrigens, das auch noch mit "eilbedürftig" in den Stadtrat ging.

Geht ja nur um etwa 37.000 Euro. Dumm nur, dass nicht mal das Wirtschaftsdezernat weiß, was im Vertrag steht.

Normalerweise heißt das auch für überarbeitete Stadträte: Finger weg. Jeder Tölpel, der an der Haustür ein Geschäft abgeschlossen hat, weiß, wie teuer es werden kann, wenn dann die Rechnung kommt – oder er hat das Kleingedruckte nicht mal zu sehen bekommen.

Umso entsetzter war Bert Sander, Stadtrat der Wählervereinigung, Mitglied der Grünen-Fraktion, als am Mittwoch, 18. April, um 19:49 Uhr die Stadtratsmehrheit dem Verwaltungsantrag zustimmte. Sander hatte sich extra noch zu Wort gemeldet, um vom Wirtschaftsbürgermeister mehr Handfestes zu erfahren: “Herr Albrecht, sind Sie der Meinung, es sei bereits hinreichend den Eingangsbereich des Flughafens grün anzustreichen, um das Zertifikat ‘Green Airports’ zu ergattern? Der Flughafen ballert mit den größten Dreckschleudern der Welt. Herr Albrecht, meinen Sie wirklich, es reicht Elektroautos einsetzen zu können, um eine Reduzierung von CO²-Emission ausweisen zu können? Die Drucksache stellt den Stadtrat vor das Ansinnen für einen Etikettenschwindel bzw. Schildbürgerstreich zu votieren.”

Die Stadtratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen stimmte daher der Vorlage nicht zu. Aber das Entsetzen blieb auch am Tag danach.

Denn die in der Stadtratssitzung von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gestellte Anfrage, ob der Vertrag mit dem “Lead Partner Eindhoven” in deutscher oder zumindest englischer Sprache dem Amt für Wirtschaftsförderung vorliege, und wenn ja, warum der Vertrag der besagten Drucksache dann nicht den ausgereichten Papieren angehängt wurde, beantwortete der zuständige Wirtschaftsdezernent Uwe Albrecht (CDU) mit dem Zugeständnis, dass der Vertrag eben nicht vorliegt.
“Was ja wohl so viel bedeutet, dass der Vertrag also weder gelesen, geschweige denn geprüft werden konnte – man darf daher in diesem Fall von einem geradezu klassischen ‘Blindflug’ der Stadtverwaltung sprechen”, stellt Sander fest. “Aber mal abgesehen von dieser Peinlichkeit, das ausgereichte Papier zur Sache spricht davon, dass die ‘Akkreditierung als nachhaltiger Flughafen’ auch von einer ‘reduction (Reduktion von CO2 Emissionen)’ abhängig sei. Genau an diesen Passus dockt das Amt für Wirtschaftsförderung an – so verspricht das Amt z. B. Elektro-Autos von BMW-Leipzig am Flughafen einzusetzen, um zum einen die ‘Einbeziehung der regionalen Wirtschaft’ (und nicht etwa, um eine Einbeziehung der durch die CO2-Emission betroffenen Bürger zu gewährleisten), zum anderen die ‘Anbindung des Flughafens an die Innenstadt’ zu fördern.”

Für den Ansatz, den Flughafen jetzt mit Elektro-Autos anzusteuern, hat er nur Spott übrig: “Der Airport Leipzig/Halle ballert mit den mittlerweile weltweit als größte Dreckschleudern geächteten Flugapparaten (z. B. den Antonows) durch die Gegend. Meint das zuständige Amt für Wirtschaftsförderung etwa, es reiche bereits aus, Elektroautos aufzustellen, um eine Reduzierung der CO2-Bilanz am Flughafen Leipzig/Halle ausweisen zu können, oder anders gefragt, ist es schon hinreichend, den Eingangsbereich des Flughafens grün anzustreichen, um das Zertifikat ‘Green-Airport’ ergattern zu können? Und darüber hinaus, meint das Amt für Wirtschaftsförderung durch eine so beliebige wie inflationäre Wiederholung der mittlerweile sehr beliebten Phrase ‘Nachhaltigkeit’, wie sie auch in den Papieren zur Drucksache V/1326 zelebriert wird, tatsächlicher Nachhaltigkeit auch nur einen Flohsprung näher zu kommen?”

Sein Fazit: “Kurzum, der vorliegende Antrag des Leipziger Amtes für Wirtschaftsförderung spricht jedem ernsthaften, heißt, verantwortungsvollem Bemühen um tatsächlichen Umweltschutz Hohn. Der Stadtrat hat mehrheitlich für einen Etikettenschwindel, eine Mogelpackung, ja, für einen Schildbürgerstreich votiert, der zu allem Überfluss auch noch zusätzliche Steuermittel kosten wird, denn gefördert werden die entsprechenden Maßnahmen von der EU zu jeweils nur zu 75 Prozent, die Stadt muss also die restlichen 25 Prozent als Eigenanteil aufbringen.”

Es helfe wenig, wenn das Amt für Wirtschaftsförderung in diesem Zusammenhang beteuert, dass der Eigenanteil “überwiegend durch Personalleistungen der Stadt Leipzig, Amt für Wirtschaftsförderung” aufgebracht werden solle.

Sander: “Es ist zu vermuten, dass die in den entsprechende Brüsseler EU-Kommissionen bereits sehr aktive Luftfahrtlobby sich über den nunmehr auch in Leipzig gelandeten Coup schief und scheckig lachen wird – denn die Stadt Leipzig hat sich ja nunmehr bereiterklärt, die Kosten für ihre Lobbyarbeit (Reisekosten, Personal, ‘Externe Expertisen’ etc. pp.) mit 25 Prozent zu unterstützen. Fest steht jedenfalls auch, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die Wählervereinigung Leipzig werden die weitere Entwicklung in dieser Angelegenheit sehr genau unter die Lupe nehmen.”

Bei “D-AIR” geht es tatsächlich nur um das CO2-Aufkommen, das der Flughafen selbst beeinflussen kann – so etwa die Anreise von Mitarbeitern und Passagieren und im Flugbetrieb das CO2-Aufkommen bei Start und Landung. Hat das Flugzeug die Landebahn verlassen, greift die viel beschworene “Nachhaltigkeit” nicht mehr, obwohl auch ACI Europe betont, dass 95 Prozent der Treibhausgase von Flugzeugen ausgestoßen werden, wenn sie in der Luft sind. Wirklich nachhaltig würde ein Flughafen also erst dann werden, wenn der Flottenausstoß an Treibhausgasen der landenden Airlines selbst deutlich sinkt.

Normalerweise müsste ein tatsächlich sinnvolles Akkreditierungsverfahren die am Airport jährlich getankten Mengen an Kerosin auf die Zahl der Passagiere und die transportierten Frachten umrechnen. Nicht dieses lächerliche Gramm-Spiel, wie es ACI Europe durchführt mit einen “Carbon Footprint” pro Passagier – bei dem die 43 Flughäfen, die im zweiten Jahr teilnahmen, auf 3,73 Kilogramm pro Passagier kamen. Erreichte Reduktion in diesem Berichtsjahr: 0,11 Kilogramm pro Passagier.

Die Ratsvorlage:
http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/121F73AE37BB3694C125785D004F8D7F/$FILE/V-ds-1326-text.pdf

www.airportcarbonaccreditation.org

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