In Sachen Tourismus geht ja einiges drunter und drüber in der Region Leipzig. Man hat zwar alles Mögliche zusammengeschmissen - auch die touristische Vermarktung. Aber wenn es dann an das Auswerten der Zahlen geht, endet der Blick überall an den kommunalen Obrigkeitsgrenzen. Da muss man das oft als arrogant empfundene Leipzig nicht ausnehmen. Verständlich, wenn auch Markkleeberg seinen Tourismus eher in den Stadtgrenzen betrachtet.

Am Donnerstag, 25. Juni, versuchte die Stadt im Leipziger Süden irgendwie einen Reim auf seine Übernachtungszahlen für das Jahr 2014 zu finden. Immerhin legte die große Nachbarstadt Leipzig einen Zuwachs bei den Übernachtungen von 2,5 Prozent hin. Sachsenweit gab es ein Plus von 3,4 Prozent.

Da fällt es schon auf, wenn Markkleeberg für 2014 ein leichtes Minus von 0,9 Prozent meldet.

Doch dies ließe sich leicht hinnehmen, kommentiert Stadtsprecher Daniel Kreusch die Zahlen: “In den zwölf Markkleeberger Tourismusbetrieben, die laut Statistischem Landesamt jedes Jahr erfasst werden, wurden insgesamt 125.225 Übernachtungen gezählt. Nach Angaben des Tourismusvereins Leipziger Neuseenland, der alle Anbieter berücksichtigt, kamen 2014 sogar insgesamt 139.070 Besucherinnen und Besucher nach Markkleeberg.”

Da ist trotzdem die Frage interessant, warum die Zahl zurückging.

“Einer der Hauptgründe für den Rückgang gegenüber dem Vorjahr ist der Jahrestag der Völkerschlacht, der im Oktober 2013 zum 200. Mal stattfand und besonders viele Besucherinnen und Besucher angelockt hatte. Der 201. Jahrestag wurde nun wieder etwas kleiner begangen, weshalb auch der Andrang bei den Beherbergungsunternehmen geringer ausfiel”, meint Kreusch.

Was zumindest die Frage aufwirft: Spielt der viel beschworene Tourismus im Leipziger Neuseenland überhaupt die Rolle, die ihm oft zugesprochen wird? Immerhin steht Markkleeberg bei großen touristischen Attraktionen eindeutig im Schatten Leipzigs. Und die Touristen nächtigen in Markkleberg auch nicht unbedingt, weil sie sich ein paar Tage an den Tagebauseen tummeln wollen. Dagegen spricht die kurze Aufenthaltsdauer, die eher für Städtetouristen und Messebesucher typisch ist.

Die Markkleeberger Zahlen im Detail

Die Bettenkapazitäten erhöhten sich um neun Prozent auf 919 Betten, was einen Rückgang der Auslastung auf 36 Prozent zur Folge hatte.

“Bei stabiler Gesamtentwicklung sollte dieser Wert aber wieder steigen”, zitiert Kreusch die Markkleeberger Touristiker. “Sie richten ihren Blick schon auf die Nebensaison: Die Gastgeber wünschen sich eine höhere Nachfrage außerhalb der Sommermonate und mehr Gäste, die eine ganze Woche oder länger bleiben. Soll heißen: Noch bleibt Markkleeberg mit durchschnittlich 2,1 Tagen Aufenthaltsdauer ein Kurzurlaubsziel. Neben den Übernachtungsgästen strömen jährlich noch etwa 1,2 Millionen Tagesbesucher in die Stadt.”

Zum Vergleich zieht Daniel Kreusch aber nicht die dicke Nachbarstadt heran, sondern Kleinstädte aus der Region: “Der Vergleich mit anderen Städten ähnlicher Größe zeigt, dass Markkleeberg gut aufgestellt ist: Grimma (42.480 Übernachtungen) oder Delitzsch (44.126) liegen – an den absoluten Zahlen gemessen – hinter Markkleeberg. Und selbst die Porzellanstadt Meißen hatte 2014 gut 17.000 Übernachtungen weniger aufzuweisen. Dass das Ende der Entwicklung aber noch nicht erreicht sein muss, zeigt zum Beispiel Radebeul (238.210), welches genau wie Markkleeberg vor den Toren einer Großstadt liegt.”

Er weiß also recht genau, wo der eigentliche Motor der touristischen Entwicklung brummt.

Und was ist nun mit dem Neuseenland?

“Hinsichtlich der Lage an den Seen bzw. im Vergleich mit anderen Seestädten gibt es ebenfalls Potenzial, das es auszureizen gilt. Neuruppin zählte 2014 zum Beispiel insgesamt 182.176 Übernachtungen, in Senftenberg waren es 283.557.”

Da kommen dann aber Themen ins Blickfeld, die weder Markkleeberg noch der Gewässerverbund bislang angegangen sind: Es fehlt an attraktiven Campingplätzen und Caravan-Stellplätzen, die auch ein echtes Erholungspublikum ins Neuseenland holen würden. Im benachbarten Leipzig ist das zwar auf dem ehemaligen agra-Gelände in Planung – aber auch nur vorübergehend. Augenscheinlich wissen die handelnden Planer im Neuseenland (noch) nicht einmal, was sie wirklich wollen und was für ein Tourismus tatsächlich funktionieren würde.

Und da ist die nicht unbedingt barrierefreie ÖPNV-Verbindung nach Leipzig auch noch ein Thema – samt den Straßenbahnverbindungen, die der Landkreis Leipzig am liebsten loswerden würde. Touristen lieben Verbindungen mit Ecken und Kanten überhaupt nicht.

Vielleicht wird’s ja 2015 besser. Von Januar bis April verzeichnete der Landkreis Leipzig, zu dem Markkleeberg gehört, einen Zuwachs von 11,5 Prozent bei den Übernachtungen. Leipzig kam auf ein Plus von 3,5 Prozent. Einen Dämpfer gibt’s dafür in Dresden mit minus 5 Prozent bei den Übernachtungen bis April. Die Pegida-Demonstrationen haben nun doch noch ein Nachspiel für die Landeshauptstadt. Denn während die Zahl der Bundesbürger, die zu Besuch nach Sachsen kamen, leicht stieg, sanken die Touristenzahlen aus vielen europäischen Ländern auffällig.  Es spricht sich schnell herum, wenn Populisten auf den Straßen Stimmung machen.

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Es gibt 2 Kommentare

Daß für den Gewässerverbundes, der mit “Gewässer-” Tourismus nicht das Geringste zu tun, auch im Winter zahlende “Gewässertouristen” braucht, wußte schon 2002 das Wirtschaftlichkeits-Gutachten. Das nahm den “winterlichen” Touristen nämlich gleich als Arbeitsgrundlage. Weshalb man u. a. deshalb schon seit damals ahnen konnte, daß der Gewässerverbund hauptsächlich Geld (Steuermittel) verbrennt. Dazu noch auf Kosten der Natur, die angeblich renaturiert werden sollte.
Die Nähe zur Kultur- und Wirtschafts”metropole” Leipzig dürfte der wesentliche Grund sein auch (!) die Tagebaurestlöcher zu besuchen. Eine Urlaubsregion wird eine industriell geprägte Landschaft wohl nie werden.
Der Städte- und Kulturtourismus ist das hiesige Pfund gegen das Lausitzer Seenland. Wo es in der Tat noch Gegenden gibt, in denen man sich erholen und Urlaub machen kann. Daran ändert auch ein weiterer Campingplatz nichts.

Es ist sicher nicht nur der seltsame ÖPNV in Markkleeberg, der aber für die meisten Touristen eher egal sein wird; denn m.E. fahren Touristen (in einer Großstadt) nur mit dem Auto ins Umland, um vor unliebsamen Überraschungen (letzter Bus um 17 Uhr und so) gefeit zu sein.

Andere Gründe sind es sicher. Allein, dass Markkleeberg keinen gescheiten zentralen Platz mit Eisdiele und Bäumen hat. Borna hat es besser hingekriegt. Man läuft dort zwar ewig vom Bahnhof, dafür wird man mit interessanten Details belohnt.

Der ganze agra-Park (kann man sich nicht mal nen schöneren Namen ausdenken als diese grobkörnige Technik-Wort?) und auch der Keessche Park sind gewaltige Pfunde, wo andere Kleinstädte sich die Finger wundlecken würden. Ich habe eher den Eindruck, man lässt das alles so ein bissel vor sich hingammeln aus altsozialistischem Desinteresse…

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