Und was machen sie nun, die Herren Bernward Rothe, Landtagsabgeordneter der SPD aus Sachsen-Anhalt, und sein Leipziger Mitstreiter Roland Mey, dereinst mal Stadtrat in der Leipziger SPD-Fraktion? Machen sie Urlaub? Ruhen sie sich aus, bis das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, ob ihr Antrag zu einem einigen und einzigen Mitteldeutschland rechtmäßig war?

Das kann dauern. Denn das Bundesinnenministerium hat im September den von ihnen eingereichten Antrag auf Zulassung eines Volksbegehrens abgelehnt. Sie hatten sich auf das Grundgesetz berufen, wo in Absatz 4 von Artikel 29 eindeutig die Chance eröffnet ist, dass Bürger ein Volksbegehren zu einer Länderfusion starten dürfen: “Der Absatz 4 im Artikel 29 des Grundgesetzes lautet: „Wird in einem zusammenhängenden, abgegrenzten Siedlungs- und Wirtschaftsraum, dessen Teile in mehreren Ländern liegen und der mindestens eine Million Einwohner hat, von einem Zehntel der in ihm zum Bundestag Wahlberechtigten durch Volksbegehren gefordert, dass für diesen Raum eine einheitliche Landeszugehörigkeit herbeigeführt werde, so ist durch Bundesgesetz innerhalb von zwei Jahren entweder zu bestimmen, ob die Landeszugehörigkeit gemäß Absatz 2 geändert wird, oder dass in den betroffenen Ländern eine Volksbefragung stattfindet.“

Ohne wenn und aber.

Aber irgendwie hat die Kohlregierung 1984 schon das Grundgesetz außer Kraft gesetzt. Damals wurde eine “Verordnung zur Durchführung des Gesetzes nach Artikel 29 Abs. 6 des Grundgesetzes” (Neugliederungsdurchführungsverordnung – NeuGlV) erlassen, die so formuliert ist, dass aus dem überschaubaren Wirtschaftraum des Grundgesetzes irgendwie dann doch die kompletten Bundesländer werden, die fusioniert werden sollen. Aus einer Aufgabe, die eine emsige Bürgerinitiative bewältigen kann – nämlich in einem überschaubaren Wirtschaftraum wie Leipzig / Halle Unterschriften für ein Volksbegehren zu sammeln, wird auf einmal eine Aufgabe, die selbst gut finanzierte Parteien fast nicht schaffen: ganze Bundesländer abzudecken beim Unterschriftensammeln. So kann man Bürgerbegehren abwürgen.

Vielleicht war das 1984 genau die Ambition, als der damalige Innenminister das Formularblatt entwickeln ließ. Jedenfalls war die Antwort des Justiziars aus dem Bundesinnenministerium, die Bernward Rothe und Roland Mey bekamen, genauso formuliert. Am Ende lautet das Fazit des Schreibens: Egal, was Sie machen, Sie kommen hier nicht durch.

Das hat sich Bernward Rothe ja bekanntlich so nicht gefallen lassen. Er ist mit einer Beschwerde vors Bundesverfassungsgericht gezogen.

Natürlich könnten die drei Landtage in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen oder der Bundestag die Sache auch selbst in die Hand nehmen. Sie könnten aus eigener Entscheidung den Weg zu einer Länderfusion eröffnen, der in dieser im Grunde zusammenhängenden Wirtschaftsregion auch eine einheitliche Verwaltung schaffen würde.

Aber danach sieht es nicht aus. Man kocht lieber weiter seine Einzelsüppchen. Die eifrigste Zustimmung bekommt das Thema Mitteldeutschland vor allem von dort, wo die Zerstückelung der Landschaft tatsächlich als Hemmnis empfunden wird. Aus Leipzig zum Beispiel, wo OBM Burkhard Jung zum Thema Mitteldeutschland schon mal sagt: “Wir hätten eine schlankere Verwaltung, wir würden enorme Kosten sparen und wir hätten eine starke Stimme.”

Nämlich nicht nur diese quengelnde Sachsen-Stimme, auf die im Bundesrat sowieso niemand hört, weil die Themen meistens auch besonders obskur sind, sondern die Stimme eines 8-Millionen-Einwohner-Landes, das wenigstens das Gewicht von Niedersachsen hätte.

Und der OBM von Halle, Dr. Bernd Wiegand, sieht es genauso: “Ich befürworte bereits seit Jahren ein starkes Mitteldeutschland.”

Aber was nun? Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann dauern. Dazu hat es viel zu viele Verfahren auf dem Tisch, mit denen die Flickarbeit der deutschen Politik irgendwie repariert werden soll.

Im November spielten Rothe und Mey noch mit dem Gedanken, große Diskussionsveranstaltungen in der Region zu organisieren, um mit den Bürgern direkt ins Gespräch zu kommen über den Sinn einer Länderfusion. Oder den Unsinn – kann ja sein, es kommt auch mal jemand um die Ecke, der die Kleinteiligkeit der drei Landesverwaltungen sinnvoll und ökonomisch erklären kann. Aber davon haben die beiden erst einmal Abstand genommen. Sie wollen es lieber – wie schon mit ihrer monatelangen Unterschriften-Sammelei gezeigt – an der frischen Luft versuchen.

“Statt zu Versammlungen einzuladen, werden wir weiterhin Info-Tische im gesamten Unterschriftensammlungsraum realisieren”, kündigt Roland Mey an, “dies bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, also vermutlich 2016 und auch noch 2017. Und wir werden über diese Zeit hinweg auch Bürgerbriefe verteilen, um so die Bürger über unsere Erfahrungen, den status quo, die Notwendigkeit und unser weiteres Vorgehen zu informieren.”

Also kann man sich schon mal auf die ersten Aktionen zum Jahresbeginn freuen.

Die ersten Info-Tische werden am 16. Januar in Leipzig und am 23. Januar in Halle stehen. Wenn genauer Ort und genaue Uhrzeit bekannt sind, werden wir dazu weiter informieren.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar