Es gibt Themen in der sächsischen Regierungspolitik, die sind wie Watte. Da kann man nachfragen und reinpieksen, und man bekommt doch immer nur dieselben, watteweichen Antworten. Wie beim Flughafen Leipzig/Halle und dem dortigen Schallschutz. Aus Sicht der sächsischen Regierung ist alles paletti. Auch beim passiven Schallschutz. Auch wenn der nach zehn Jahren immer noch nicht fertig ist.

Nachgefragt hat der grüne Landtagsabgeordnete Wolfram Günther. Geantwortet hat die Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD). Wirtschafts- und Verkehrsminister Martin Dulig war mal wieder mit einer Delegation unterwegs. Aber die Antworten waren genauso windelweich, als hätte sie ein Staatssekretär, der schon seit Ewigkeiten die Antworten zum Flughafen schreibt, kopiert und ausgegeben.

Wenn die Antworten etwas deutlich machen, dann vor allem eines: Die Staatsregierung behandelt den Flughafen wie ein fernes Beteiligungsunternehmen und fühlt sich nicht wirklich dafür verantwortlich. Was Gründe hat. Übrigens dieselben wie beim Kohlebergbau: Der Wirtschaftsminister ist nur scheinbar zuständig. Tatsächlich hat sich der Ministerpräsident das Thema auf den Tisch gezogen. Und den interessieren Schallschutzprobleme im Leipziger Norden nicht die Bohne. Den interessieren die nach wie vor mauen Zahlen des Unternehmens, das quasi in Konkurrenz zu sich selbst arbeitet. Möglich, dass das demnächst die neue Rochade an der Unternehmensspitze gibt. Aber es ändert nichts daran, dass die Konstruktion der Flughafenlandschaft in Sachsen von vornherein falsch war und von Größenwahn geprägt.

Und die Spezialisierung des Leipziger Flughafens zum nächtlichen Frachtflughafen hat das Unternehmen auch nicht in die Gewinnzone gebracht. Und viele Möglichkeiten, das zu ändern, hat die Gesellschaft nicht. Der größte Spieler ist nach wie vor DHL: Ohne DHL fällt das ganze Gebäude Logistik-Hub in sich zusammen.

Und deshalb hält sich auch das zuständige Verkehrsministerium komplett heraus aus allen Entscheidungen um den Flughafen. Was dann auch schon zu Falschaussagen von Regierungsseite führt. Denn die Auskunft zu Ausbildungsflügen ist eindeutig falsch.

„Ausbildungs- und Übungsflüge sind nur montags bis samstags von 06:00 bis 22:00 Uhr zulässig. Die Trainingsrunden sind so gelegt, dass Ortschaften in unmittelbarer Nähe des Flughafens nicht überflogen werden.“

Die beigefügten Bilder von Thomas Pohl aus der flughafennahen Gemeinde Rackwitz widerlegen die Aussage. In diesem Fall überflog ein Ausbildungsflug mit dem A 380 am 10. März 2017 in der Mittagszeit die Dächer der Gemeinde Rackwitz in 350 Meter Höhe. Thomas Pohl bedankte sich bei der Flugaufsicht sehr herzlich dafür, denn Rackwitz liegt ja in der Einflugschneise für die Südbahn, hier ist also in der Nacht zwischen 22 und 5 Uhr reger und lauter Verkehr.

Und so kann man die Aussagen von Eva-Maria Stange durchgehen: Sie zeugen von größtmöglichem Nichtwissenwollen, was die Zustände am Flughafen Leipzig/Halle betrifft. Man registriert zwar, dass es massive Beschwerden zur Bahnverteilung und zur Südabkurvung gibt, aber man hält sich das alles lieber vom Leib, führt auch keine Statistik. Motto: Das ist einzig und allein Sache des Flughafens. „Aufgrund der an das SMWA gerichteten Fluglärmbeschwerden waren keine Maßnahmen der Staatsregierung zu veranlassen. Der Flughafen Leipzig/Halle wird seiner Betriebsgenehmigung entsprechend betrieben.“ Punkt, aus, fertig.

Selbst die Beschwerden zu Triebwerksprobeläufen, die trotz Probehalle im Freien stattfanden, wimmelt die Regierung ab: „Zum Schutz vor dem Lärm von Triebwerksprobeläufen errichtete die Flughafen Leipzig/Halle GmbH eine Triebwerksprobelaufhalle mit einem Aufwand von 14,2 Mio. Euro. Diese kann von Flugzeugen bis zur Größe einer Antonow AN 124 bzw. eines Airbus A 380 genutzt werden.“

Ausbildungsflug des A 380 am 10. März 2017 über Rackwitz. Foto: Thomas Pohl
Ausbildungsflug des A 380 am 10. März 2017 über Rackwitz. Foto: Thomas Pohl

Und dann sind da ja noch die Maßnahmen des passiven Lärmschutzes. Erst 2015 sorgte die Nachricht für Aufsehen, dass der Flughafen diese Maßnahmen noch immer nicht zur Gänze umgesetzt hat. Man kommt tatsächlich nur im Schneckentempo voran. Bis zum Jahresende 2016 hat man immerhin 81 Prozent der beantragten Maßnahmen geschafft.

In der Antwort der Regierung heißt es dazu: „Die Flughafen Leipzig/Halle GmbH setzt die Schallschutzauflagen des Planfeststellungsbeschlusses Start- und Landebahn Süd vom 4. November 2004 um. Bei 81 % der Wohneinheiten, für die durch die Antragsteller die zur Dimensionierung der Schallschutzmaßnahmen erforderlichen Angaben an die Flughafen Leipzig/Halle GmbH (FLHG) übersandt wurden, sind die notwendigen Maßnahmen bereits realisiert worden. Für 15 % der Wohneinheiten liegt den Eigentümern das Ergebnis der schallschutztechnischen Dimensionierung vor und es erfolgt aktuell die Abstimmung zur Ausführung der Maßnahmen. Bei weiteren 3 % der Wohneinheiten befinden sich die Maßnahmen derzeit in der Realisierung. Lediglich 1 % befindet sich noch in der Phase der Dimensionierung des notwendigen Schallschutzes.“

Die von der LVZ einmal behaupteten 100 Millionen Euro wird man natürlich nicht erreichen: „Die Aufwendungen für passiven Lärmschutz im Zusammenhang mit dem Planfeststellungsvorhaben Start- und Landebahn Süd am Flughafen Leipzig/Halle betrugen per 31. Dezember 2016 insgesamt 39,5 Mio. EUR, wovon 1, 1 Mio. EUR auf das Geschäftsjahr 2016 entfallen. Für die Folgejahre sind nach derzeitigem Erkenntnisstand weitere Aufwendungen in Höhe von ca. 6,0 Mio. EUR zu erwarten.“

Womit man dann bei 45,5 Millionen Euro landet – aber nicht alle Probleme gelöst haben wird. Denn da sich die Flugaufsicht nicht an den Planfeststellungsbeschluss hält, werden gerade mit den kreativ gefundenen kurzen Abkurvungen auch Wohngebiete zusätzlich beschallt, die nicht im Lärmschutzgebiet liegen, also auch keine Ansprüche auf Lärmschutzmaßnahmen stellen können.

Womit die Betroffenen mit ihren Beschwerden folgerichtig im Nichts landen. Für Verstöße gegen den Planfeststellungsbeschluss fühlt sich die Staatsregierung nicht zuständig.

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