Sehr aufmerksam verfolgt die Bürgerinitiative Böhlitz alles, was sich politisch rund um das einmalige Biotop im ehemaligen Steinbruch am Holzberg entwickelt. Dort möchte die Abbruchfirma KAFRIL ja bekanntlich Bauschutt abladen, was die Zerstörung dieses Biotops bedeutet. Am 19. August lud das Unternehmen extra Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer ein, um das Anliegen anzusprechen. Doch der reagierte augenscheinlich anders als erwartet. Der Bürgerinitiative war das einen richtig langen Kommentar wert.

Wir bringen die Presseerklärung der Bürgerinitiative Böhlitz vom 20. August 2020 hier in voller Länge:

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Ministerpräsident Michael Kretschmer weist bei seinem Besuch der Fa. KAFRIL auf die gebotene Rechtsstaatlichkeit in Sachen Holzberg hin und empfiehlt der Geschäftsleitung den Dialog mit der Bürgerinitiative, den Naturschutzverbänden und den Verbänden der Bergsportler.

Die LVZ veröffentlichte in ihrer Regionalausgabe vom 20.08.2020 einen Bericht über den Besuch von Ministerpräsident Michael Kretschmer am 19.08. beim Abbruch- und Erdbauunternehmen KAFRIL, einem Unternehmen, das durch seine Absicht das Natur- und Kletterparadies Holzberg unter einer 30 m dicken Schicht aus zu entsorgenden Abfällen der Bauwirtschaft zu begraben, zunehmend in die Schlagzeilen geraten ist.

Nach den Umweltverbänden NABU und BUND hatte sich im Januar 2020 auch der Deutsche Alpenverein (1,2 Millionen Mitglieder) in einem Positionspapier seines Bundesvorstandes kategorisch gegen eine Verfüllung des Holzbergs ausgesprochen:

„Eine Verfüllung … würde zum einen eine irreversible Beeinträchtigung des Steinbruchs als Lebensraum bedeuten und zum anderen den Verlust der darin vorkommenden Tier- und Pflanzenarten … Dadurch wäre gemäß §44 Bundesnaturschutzgesetz ein Verbotsbestand erfüllt und für die Genehmigung wäre eine Ausnahme gemäß … Bundesnaturschutzgesetz erforderlich. Für die artenschutzrechtliche Ausnahme bedarf es jedoch zwingender Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses, die wir in diesem Fall nicht erkennen können. Im Gegenteil, wir sehen hierbei aufgrund der hohen Artenvielfalt auch eine höhere Gewichtung zugunsten des Artenschutzes.“

Der Holzberg ist eines der wichtigsten Refugien des Artenschutzes in der Region. Allein unter den 10 Reptilien- und Amphibienarten des Holzbergs sind 5 Arten europaweit vom Aussterben bedroht und deshalb auch nach Europäischem Naturschutzrecht streng geschützt. Ohne ausreichende Artenvielfalt kann die Natur ihre für uns Menschen überlebenswichtigen Systemleistungen nicht mehr erbringen. Konsequenter Artenschutz ist deshalb nicht weniger wichtig, als die Abwendung der Klimakatastrophe.

Beim Besuch des Ministerpräsidenten in diesem erfolgreichen mittelständischen Betrieb ging es ganz sicher auch um die Würdigung des Lebenswerkes des kurz vorm Ruhestand stehenden langjährigen Geschäftsführers und Eigentümers der Firma.

Der Aufbau der Firma KAFRIL von der Nachwendezeit bis heute ist wahrhaftig eine gigantische Leistung der ursprünglich 3 Geschäftsführer und die Erfolge, die auf diesem Wege von den Mitarbeitern und ihrer Geschäftsleitung erreicht worden sind, verdienen vollsten Respekt.

Den Worten von Michael Kretschmer: „Herzlichen Glückwunsch zu diesem Betrieb“, kann man sich nur anschließen.

Gleichzeitig fragt man sich jedoch weshalb eine so erfolgreiche Firma einem völlig aus der Zeit gefallenes Projekt nachjagt und geradezu verbissen ihre Pläne zur Verfüllung eines Naturraumes von unschätzbarem Wert verfolgt.

Es scheint als sei die Führungsriege der Fa. KAFRIL in einer rückwärtsgerichteten Abfallentsorgungsstrategie gefangen und fände keinen Ausweg aus dem Dilemma.

So wird denn auch der Besuch des Ministerpräsidenten von diesem offenen Widerspruch geprägt. Man hört tatsächlich aus dem Ansinnen der KAFRIL-Geschäftsleitung den Wunsch heraus, dass wirtschaftliche Erfolge und Belegschaftsgrößen gegen die Einhaltung von Deutschem- und Europäischem Naturschutzrecht aufgewogen werden sollen.

Fast sieht es so aus, als habe man Michael Kretschmer an den Firmensitz von KAFRIL nach Großzschepa bei Wurzen eingeladen, um ihm Zugeständnisse in Sachen Holzberg abzuringen. Sollte der Besuch des Ministerpräsidenten tatsächlich zur Forcierung der KAFRIL-Pläne zur Holzbergverfüllung genutzt werden? Sogar den zeitlichen Rahmen gibt man vor – bis zum Eintritt von Herrn Karnahl in den Ruhestand, Ende September, möchte man in Sachen Holzberg „vorankommen“.

Diese Peinlichkeit hätte man sich ersparen können. Ein Blick in den Koalitionsvertrag und auf die in den ersten Monaten ihrer Amtszeit praktizierte Umweltpolitik dieser neuen Sächsischen Staatsregierung wäre aufschlussreich gewesen.

Der Versuch des scheidenden Geschäftsführers der Fa. KAFRIL, den Sächsischen Ministerpräsidenten für das unter regulären Bedingungen chancenlose Projekt der „Verfüllung des Holzbergs“ einspannen zu wollen, ist jedenfalls gründlich gescheitert.

Michael Kretschmer gab am Mittwoch die einzig richtige Antwort, wenn er sagte, Deutschland sei ein Rechtsstaat. Im selben Zug verwies er auf die durch Landrat Henry Graichen geschaffene Arbeitsgruppe zur Findung eines Alternativstandorts, in der neben der Fa. KAFRIL auch Vertreter des Deutschen Alpenvereins, der Bürgerinitiative und des Bundes für Naturschutz und Umwelt sitzen.

Schade nur, dass die Fa. KAFRIL bei der bisher einzigen Zusammenkunft dieser Arbeitsgruppe durch Abwesenheit glänzte.

Auch das Sächsische Oberbergamt sieht die einzig vernünftige Lösung des Problems in der Findung eines Alternativstandortes, denn auch das Bergrecht steht nicht aufseiten der Fa. KAFRIL. Der Sächsische Staatsminister für Wirtschaft und Verkehr, Martin Dulig, hatte 2019 bestätigt, dass die bergbauliche Tätigkeit hier seit mehr als 10 Jahren unterbrochen ist. Somit ist nicht nur der überwältigende Artenreichtum des Holzbergs streng geschützt, sondern auch die einzigartigen Lebensräume, die das Vorkommen so vieler seltener Arten auf engstem Raum überhaupt erst möglich gemacht haben, dürfen nicht mehr zerstört werden.

Die Zeiten, in denen Naturschutz nur ein Häkchen auf der Checkliste war, sind offensichtlich Geschichte. Angesichts der dramatischen Umweltveränderungen sind die Menschen hellwach und gerade im Umweltschutz entwickelt sich eine lebendige Bewegung, die unserer Demokratie sehr guttut. Das Aktionsbündnis zur Holzbergrettung sieht sich als Teil dieser selbstbewussten demokratischen Bürgerbewegung.

Die Holzbergfreunde haben bereits 18 mögliche Alternativstandorte zur Prüfung auf Eignung vorgeschlagen. Gedankt hat es ihnen die Fa. KAFRIL nicht. Mit der fristlosen Kündigung des Nutzungsvertrages am 15. April und der Sperrung des Holzberg blockiert deren Geschäftsleitung das größte und meistbesuchte Klettergebiet Mitteldeutschlands jetzt schon seit 4 Monaten. Mit fatalen Folgen für die verbliebenen kleinen Klettergebiete der Region, die den Ausfall des Holzbergs nicht kompensieren können. Wegen seiner besonderen Nähe zur Natur ist der Holzberg mit seinen über 100 Kletterrouten bundesweit ausgesprochen beliebt.

Die Menschen haben hier noch bis zum März 2020 Erholung im völligen Einklang mit der Natur gefunden. Dabei könnte aufgrund eines Vergleichs vor dem Verwaltungsgericht Grimma im Holzberg schon seit Wochen wieder geklettert werden. Jedoch verschleppt die untere Naturschutzbehörde des Landkreises Leipzig die Erteilung der längst fälligen Klettererlaubnis. Wir werten das als einen weiteren Beleg für deren Befangenheit.

Wenn in der Fa. KAFRIL von verfeindeten Lagern gesprochen wird, dann unterliegt man dort einem fatalen Irrtum. Weder von der Kletterszene noch von der Bürgerinitiative oder den Naturschutzverbänden geht eine Feindschaft zur Fa. KAFRIL aus. Wir haben immer wieder betont, dass wir uns nicht gegen diese Firma und ihre Geschäftsleitung zusammengeschlossen haben, sondern allein zum Zwecke der Verhinderung des unsäglichen Projekts der Verfüllung des Holzbergs.

In dem LVZ-Artikel wird letztlich auch auf die Gefahr hingewiesen, dass der Holzberg zu einem sächsischen Hambacher Forst werden könnte. Ginge es nach den Wunschvorstellungen der Geschäftsleitung der Fa. KAFRIL und die Verfüllung des Holzbergs würde gegen den Willen der Menschen und entgegen allen vernünftigen Argumenten mit Macht durchgedrückt, so bestünde diese Gefahr ganz real.

Aus unserer Sicht wird das aber schon deshalb nicht passieren, weil die Sächsische Staatsregierung dafür Sorge tragen wird, dass die Naturschutzgesetze strikt eingehalten werden. Die Sächsische Landesregierung geht ausgesprochen verantwortungsbewusst mit dem Holzberg um. Öffentliche Proteste oder Aktionen zivilen Ungehorsams sind unter diesen Umständen nicht angebracht.

Ministerpräsident Michael Kretschmer hat sich schon im Juli 2019 für den Erhalt des Holzbergs unter Ausschöpfung aller gesetzlich zur Verfügung stehenden Mittel ausgesprochen. Auf sein persönliches Wirken hin wurde die Trockenlegung des Flachwasserbiotops auf der Sohle des Holzbergs, verursacht durch permanentes Abpumpen von insgesamt mindestens 30 Millionen Litern Wasser, am 7. August 2019 gestoppt. Da waren 70 % des Flachwasserbiotops bereits zerstört – mit dramatischen Folgen für die Überlebenschancen der Artenvielfalt des Holzbergs.

Wie sich bald darauf herausstellte hatte die Fa. KAFRIL für das Abpumpen nicht einmal eine wasserrechtliche Genehmigung. Zu diesem Vorgang gibt es Beweisvideos, die dem Landratsamt zur Verfügung gestellt wurden. Es gibt dazu auch einen Bericht von MDR-Sachsenradio.

Nicht umsonst steht die untere Naturschutzbehörde des Landkreises Leipzig nach Auswertung der Dienstaufsichtsbeschwerde gegen deren Leiter, Herrn Dr. Bergmann, unter Fachaufsicht und Berichtspflicht. Dr. Bergmann und seine Stellvertreterin sind seit Monaten abwesend und der Fokus der Kritik konzentriert sich immer stärker auf den 1. Beigeordneten des Landkreises Leipzig. In dessen Ressort befindet sich die untere Naturschutzbehörde und er trägt folglich auch die volle Verantwortung für deren Arbeitsweise in Sachen Holzberg.

Niemand, der an der Spitze des Freistaats in der Verantwortung steht, wird einen der artenreichsten Hotspots Sachsens leichtfertig opfern. Das öffentliche Interesse an der Bewahrung dieser Naturschätze ist außerordentlich hoch. Hingegen ist für eine Verfüllung dieses Naturparadieses keinerlei öffentliches Interesse nachweisbar.

Noch dazu es sich bei den Verfüllmaterialien, nach den Worten des KAFRIL Geschäftsführers Jens Karnahl gegenüber dem Ministerpräsidenten, ausschließlich um sauberen Kies, Sand, Lehm oder Ton handeln soll, also um wertvolle Rohstoffe, die andernorts noch eine sinnvolle Verwendung finden können. Solche Materialien würden sich beispielsweise sehr gut zur Gestaltung von Bergbaufolgelandschaften im Zusammenhang mit dem Kohleausstieg eignen. Landrat Henry Graichen, der über langjährige Erfahrungen auf diesem Gebiet verfügt, hat sich diesbezüglich bereits richtungsweisend gegenüber der Bürgerinitiative geäußert.

Wie ideenlos müssten wir denn auch sein, wenn uns nichts Besseres einfiele, als diese einfach zu entsorgenden Materialien ausgerechnet in die gute Stube unserer heimatlichen Natur zu kippen?

Abgesperrter Zugang zum Holzberg. Foto: Gunter Winkler
Abgesperrter Zugang zum Holzberg. Foto: Gunter Winkler

Noch zeigt der aktuelle Blick in den Holzberg eine Sackgasse.

Diese Sackgasse hat durchaus Symbolcharakter, denn sie macht anschaulich, dass sich die Fa. KAFRIL in Sachen Holzberg noch immer auf dem sprichwörtlichen Holzweg befindet. Man kann der Fa. KAFRIL nur eine umgehende Kurskorrektur in Sachen Holzberg wünschen. Noch ist es Zeit von einem Vorhaben abzurücken, dass von Anfang an risikoreich und unkalkulierbar war. Noch kann die verhängnisvolle Spirale zu einem fatalen Fehlinvestment gestoppt werden. Noch kann erheblicher Imageschaden von einer Firma abgewendet werden, die bisher in gutem Ruf stand.

Im Interesse einer einvernehmlichen Lösung haben sich bis jetzt sowohl Naturschützer als auch Bergsportler mit offener Kritik zurückgehalten. Bisher wurde lediglich ein unsägliches Vorhaben kritisiert, nicht aber die dahinterstehende Firma. Spätestens bei seiner Einsichtnahme in die beeindruckenden Ergebnisse einer achtmonatigen Untersuchung zu den im Holzberg wildlebenden Tierarten, im Oktober 2018, hätte Herrn Karnahl klarwerden müssen, dass er als Mensch, der seiner Heimat „nie schaden wolle“, dieses Vorhaben zu den Akten legen muss.

Die Fa. KAFRIL kann sich sofort verlustfrei und ohne Imageschaden von diesem glücklosen Projekt trennen. Es gibt Kaufinteressenten für den Holzberg, die den Schutz dieses wunderbaren Natur- und Klettergebietes auf Dauer sicherstellen. Alle Beteiligten würden gewinnen – am meisten die Natur. Noch sind die Wege für eine vernünftige Lösung offen. Es zeugt bekanntlich von menschlicher Größe eine Fehleinschätzung einzugestehen und zu korrigieren. Diese Größe ist Herrn Karnahl auf der Zielgeraden seiner beruflichen Laufbahn sehr zu wünschen und ganz sicher auch zuzutrauen.

Leipziger Sektion des Deutschen Alpenvereins sieht eine Chance, mit KAFRIL zu einer einvernehmlichen Lösung am Holzberg zu kommen

Leipziger Sektion des Deutschen Alpenvereins sieht eine Chance, mit KAFRIL zu einer einvernehmlichen Lösung am Holzberg zu kommen

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Heute ist auf einem Webauftritt einer Leipziger Zeitung eine Lobhudelei für Herrn Karnahl (Firma KAFRIL) zu lesen.
Offensichtlich muss die mediale Präsenz wieder aufgehübscht werden, nach man am Holzberg alles verspielt hat.

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