Glaubt man dem sächsischen Verfassungsschutz, gibt es im Landkreis Görlitz nahezu keine rechte Gewalt. 202 soll es genau eine Gewalttat aus dem rechtsextremen Spektrum gegeben haben, 2021 sogar keine einzige. Falls das stimmt, wäre das, was sich am 21. Juli in Görlitz ereignet hat, die schwerste rechte Gewalttat seit Jahren.

Wie die Polizei am darauffolgenden Tag mitteilte, sollen sich mehrere Personen – offenbar Neonazis – gewaltsam Zutritt zu einer Wohnung verschafft haben. Dort schlugen sie auf einen Mann und eine Frau ein und klauten Handy und Bargeld. Als sich die Polizei bereits vor Ort befand, kehrte die Gruppe zurück, rief Naziparolen und bedrohte die Beamt*innen nach deren Angaben mit einem Messer. Die Polizei setzte daraufhin Reizstoff ein.

Von fünf der mutmaßlich sechs Angreifer*innen stellte die Polizei die Identitäten fest. Neben einem 35-jährigen Mann und einer 39-jährigen Frau befanden sich darunter auch drei Kinder beziehungsweise Jugendliche im Alter von 13, 16 und 18 Jahren.

Die sechste Person konnte entkommen. Gegen den 35-Jährigen wurde Haftbefehl erlassen. Laut MDR befindet er sich bereits in einer JVA. Opfer und mutmaßliche Täter*innen sollen sich wohl gekannt haben.

Ebenfalls kein Hotspot rechter Gewalt ist laut Verfassungsschutz der Landkreis Meißen. Dort sind im aktuellen Verfassungsschutzbericht lediglich vier Gewalttaten in den vergangenen drei Jahren verzeichnet. Doch auch hier ist nun eine dazugekommen.

Nur einen Tag nach dem Vorfall in Görlitz ist es in Sebnitz zu einem weiteren Angriff auf eine Wohnung gekommen – diesmal aber eine von Geflüchteten bewohnte.

Zwei mit Sturmhauben vermummte Männer sollen zwei jugendliche Geflüchtete mit einer Stange angegriffen haben. Zwei weitere Personen, die sich laut Polizei vor dem Haus aufhielten, sollen möglicherweise an der Tat beteiligt gewesen sein. Die Täter sind in einem später veröffentlichten Video zu sehen. Von einem konnte die Polizei bereits die Identität feststellen.

Es handelt sich um einen 20-jährigen Deutschen, dessen Wohnung durchsucht wurde. Mehrere Beweismittel seien sichergestellt worden, so die Polizei. Wenige Stunden vor der Tat sollen die beiden Geflüchteten zudem rassistisch beleidigt worden sein – ein direkter Zusammenhang zwischen beiden Vorfällen wird laut Polizei noch untersucht.

Der Sächsische Flüchtlingsrat erklärte in einer Pressemitteilung, dass es immer wieder zu rassistischen Vorfällen in ländlichen Regionen und bestimmten Stadtteilen von Großstädten käme. „Viele Geflüchtete berichten, dass sie sich allein nicht mehr trauen, auf die Straße zu gehen“, so Osman Oğuz vom Sächsischen Flüchtlingsrat.

„Als Maßnahme des Selbstschutzes bewegen sie sich lieber in Gruppen. Damit einher geht das Gefühl, bei rassistischen Angriffen zunehmend alleingelassen zu werden.“

„Neonazis in Görlitz und Sebnitz verbreiten Angst: Zwei Angriffe auf Wohnungen an einem Wochenende“ erschien erstmals in der Juli-Ausgabe, ePaper LZ 115, der LEIPZIGER ZEITUNG.

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