Vorträge, Kundgebungen, Partys: Vierzig Aktionen führten die "Jungen Nationaldemokraten" (JN) vergangenes Jahr in Sachsen durch. Das ergab die Antwort von Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf zwei Kleine Anfragen der Linken-Abgeordneten Kerstin Köditz.

Die NPD kam demnach auf 79 Ereignisse. Nicht mitgezählt sind Beteiligungen an Veranstaltungen Dritter, beispielsweise von “Freien Kräften”.

Gemessen an der Mitgliederzahl, war der Parteinachwuchs umtriebiger als seine Mutterpartei. Fünfzig Mitglieder zählte die JN 2011. Genauso viele wie in den beiden Vorjahren. Sie sind zur Zeit in den sechs Stützpunkten Leipzig, Nordsachsen, Muldental, Elbsand (Riesa), Chemnitz und Sächsische Schweiz organisiert. Zur NPD Sachsen machte der Innenminister keine näheren Angaben. Im Jahr 2010 gehörten ihr laut Verfassungsschutz 800 Mitglieder an. Die Zahlen unterstreichen den elitären Anspruch des Nachwuchsverbands. Denn bei einzelnen Veranstaltungen waren weit mehr Besucher zu Gast, als der Verband Mitglieder hat.

So besuchten 100 Personen am 7. Januar einen Vortrag mit Altnazi Reinhold Leidenfrost in Doberschütz (Nordsachsen). Tags darauf begrüßte die JN Muldental 80 Gäste zu ihrer Neujahrsfeier. Keine Überraschung, denn im Direktionsbereich Leipzig verfügt die JN mit drei Stützpunkten sachsenweit über die bestausgebauten Strukturen. “Von den hier ansässigen mitgliederstärksten Stützpunkten Nordsachsen und Muldental waren im vergangenen Jahr die meisten Aktivitäten zu verzeichnen”, teilte Ulbig mit.

Im Leipziger Speckgürtel ist der Parteinachwuchs engzahnig mit dem “Freien Netz” (FN), einem Bündnis militanter Neonazi-Gruppen, verbandelt. Die Grenzen zwischen Partei und Kameradschaftsszene verlaufen fließend, personelle Schnittmengen sind vielfach vorhanden. Der Delitzscher Maik Scheffler gilt als Mitbegründer des Netzwerks. Beim Parteitag am 9. Juli in Auerbach stieg der bullige Mitdreißiger zum NPD-Landesvize auf. Der Leipziger Tommy Naumann gehört als sächsischer JN-Chef dem Gremium “Kraft Amtes” an.Mit von der Partie ist auch Thomas Sattelberg. Der Mann aus der Sächsischen Schweiz, der die extrem gewaltbereiten “Skinheads Sächsische Schweiz” anführte, steht Dank seiner Partei sogar auf der Gehaltsliste des Dresdner Landtags. Die Gruppe war 2001 verboten und von den Behörden als kriminelle Vereinigung eingestuft worden. Ulbig nennt die drei “neonationalsozialistisch” geprägt, was im Verfassungsschutz-Sächsisch soviel bedeutet, dass sie noch rechter sein sollen als ihre ohnehin schon stramm rechten Vorstandskollegen.

Warum sich die Schlapphüte eine solch skurrile Differenzierung ausgedacht haben, bleibt ihr Geheimnis. Immerhin ist auch der stellvertretende Landesvorsitzende Helmut Herrmann vorbestraft, weil ein Nachruf auf der Internetseite des Leipziger Kreisverbands mit der Losung der Waffen-SS endete. Die Nominierungen von Scheffler, Sattelberg und Naumann widersprechen dem neuen, bürgernahen Image, das Apfel der Rechtsaußenpartei verpassen will. Sie beweisen erneut, dass die NPD derzeit nicht ohne ihr vergangenheitsbezogenes Klientel auskommt.

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Die Partei suchte auch 2011 abermals die öffentliche Provokation. Mit dem Aufruf an ihre Mitglieder, sich freiwillig als Volkszähler zu melden, erntete sie ein überregionales Medienecho. In Bad Schlema, Meißen und Kamenz kandidierten NPD-Kader erfolglos als Bürgermeister. Ihr Kamenzer Kandidat Mario Ertel provozierte schon Monate vor dem Urnengang mit der “Wählervereinigung für Volksentscheide und direkte Demokratie”, die eifrig Unterschriften gegen ein geplantes Asylbewerberheim sammelte. Im Spätwinter und Herbst unterstützten sächsische Mitglieder die Wahlkämpfe der NPD in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin.

Holger Apfel ließ es sich nicht nehmen, die Wahlwerbung im Nachbarbundesland persönlich zu betreuen. Gebracht hat seine Unterstützung nichts. Die NPD verpasste im März 2011 mit 4,6 Prozent der Stimmen den Einzug ins Magdeburger Parlament.

Für Aufregung sorgte im Dezember die Meldung, dass der parteieigene “Deutsche Stimme Verlag” in finanzielle Schwierigkeiten geraten sei. In den Jahren 2009 und 2010 machte das Unternehmen zusammen etwa 46.000 Euro Verlust. Zudem wies die Firma Ende 2010 Verbindlichkeiten über rund 420.000 Euro auf. Ob Geschäftsführer Eckart Bräuniger die Talfahrt 2012 stoppen kann, bleibt abzuwarten.

Die Antwort der Staatsregierung auf die Kleine Anfrage vom 5. Januar zu NPD-Veranstaltungen: http://edas.landtag.sachsen.de

Antwort der Staatsregierung auf die Kleine Anfrage zu Veranstaltungen der Jungen Nationaldemokraten: http://edas.landtag.sachsen.de

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