Auch mit Medien ("irgendwas mit Medien") beschäftigt sich der Koalitionsvertrag. Den Leser überrascht natürlich nicht, dass man bei CDU und SPD tatsächlich glaubt, mit dem staatlich gepuschten Rundfunk und diversen Lokalsendern so eine Art "Medienvielfalt" in Sachsen am Leben zu erhalten. Aber zumindest hat man jetzt auch die nichtstaatlichen Medienmacher entdeckt - zumindest als Kreditnehmer für diverse Mikro-Darlehen.

Eine wirkliche Analyse der sächsischen Medienlandschaft fehlt natürlich. Wo sollte sie auch herkommen, wenn der Hauptverantwortliche der CDU die vergangenen fünf Jahre weitestgehend damit zu tun hatte, die Intendantenkür beim MDR zu managen. Einige wesentliche Stellen sind zu finden ab Seite 31 im Koalitionsvertrag, nachdem sich das Papier mit den ganzen Funk- und Breitenlöchern im sächsischen Fest- und Funknetz beschäftigt hat:

Zum MDR: “Sein Auftrag beschränkt sich nicht auf eine Mindestversorgung oder auf ein Ausfüllen von Lücken und Nischen, die von privaten Anbietern nicht abgedeckt werden, sondern erfasst die gesamte Breite des klassischen Rundfunkauftrags, den er auch in der ‘digitalen Medienwelt’ erfüllen soll. Sein Angebot soll dabei für neue Publikumsinteressen – auch jüngerer Menschen – aktuelle Inhalte und Formen offen bleiben und technisch nicht auf einen bestimmten Entwicklungsstand beschränkt werden. Die Abrufbarkeit von öffentlich-rechtlichen Inhalten im Internet (Verweildauerkonzepte) soll flexibler werden. Dies bezieht sich insbesondere auf eine Harmonisierung der unterschiedlichen Verweildauern. Außerdem ist uns eine faire Aufteilung der Rechte zwischen Sendern und Produzenten ein Anliegen.”

“Die einmalige, aber auch kleinteilige sächsische Lokalfernsehlandschaft befindet sich angesichts ertragsschwacher Werbemärkte in einer finanziell angespannten Lage. Gemeinsam mit der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien trägt der Freistaat durch finanzielle Förderung und Unterstützung zum Erhalt des Lokalfernsehens bei. Dabei wird darauf Wert gelegt, dass journalistische Mindeststandards in der Berichterstattung eingehalten sowie das gesellschaftliche und kulturelle Leben widergespiegelt werden.”

“Bürgermedien (Nichtkommerzielle Lokalradios) sollen in Sachsen besser unterstützt werden. Mit einer Änderung der gesetzlichen Grundlagen wird eine verbesserte Förderung geschaffen, damit die vorhandenen Trägervereine den regelmäßigen Sendebetrieb gewährleisten können und auch mittelfristig Planungssicherheit erhalten.”

Kommentar: Hier wird recht eindeutig gesagt, dass der MDR mit seinen diversen Angeboten unterstützt wird dabei, auch im Internet seine Inhalte zu verbreiten und deren Angebot ausbreiten zu dürfen – und dass er die jugendlichen Nutzer wohl irgendwie verloren hat. Vielleicht sind sie ja “im Internet”. Dass man einfach von “Lücken und Nischen, die von privaten Anbietern nicht abgedeckt werden”, redet, ohne dass es dazu in Sachsen überhaupt eine belastbare Erhebung gibt, ist schon recht unverfroren. Welche sollten das sein? Der öffentlich-rechtliche Rundfunk begründet seine Arbeit nicht damit, dass er alle “Lücken und Nischen” schließt, sondern dass er einen Informationsauftrag wahrnimmt – den er aber sichtlich nicht wahrnimmt. Hier erfolgt also eine sehr weite Auslegung des Rundfunkstaatsvertrages.

Aus den Gebührengeldern (Haushaltsabgabe, GEZ oder wie immer man diese Steuer bezeichnen will), wird in Sachsen freilich auch das Lokalfernsehen subventioniert. Das will man also weitertreiben, stellt aber erstaunlicherweise fest, dass die Angebote “journalistische Mindeststandards in der Berichterstattung” zumeist vermissen lasen, sonst müsste man’s ja im Zusammenhang mit den Subventionen nicht extra erwähnen.

Ein echter Fortschritt ist, dass man sich zumindest dazu bekennt, den Bürgerradios eine verbesserte Förderung geben will.

Bei der Mittelstandsförderung und einem Abstraktum wie dem “Internet 4.0” haben die beiden Koalitionspartner nun auch mal die Kreativbranche als wichtigen Motor der sächsischen Wirtschaftsentwicklung entdeckt. Eine Branche, in die gewöhnlich auch die Medien hineingezählt werden, auch wenn das dann Äpfel und Birnen sind – nämlich die staatlich subventionierten (MDR, Lokalsender) und die privaten und nicht-subventierten (die sich sonst für gewöhnlich um die “Lücken und Nischen”) kümmern. Nur bekamen Kreative in Sachsen bislang eher kaum irgendwo Kredit – auch nicht bei den sächsischen Förderprogrammen. Das soll sich nun ändern. Die Stellen findet man ab Seite 34:

“Die Aufnahme von weiteren Branchen in die Mikrodarlehensförderung streben wir an. Die Koalition sieht in der Kultur- und Kreativwirtschaft in Sachsen eine Branche mit hoher Innovationskraft, geprägt von Vielfalt und guten Beschäftigungs- und Entwicklungspotenzialen. Wir unterstützen die Kultur- und Kreativwirtschaft im Rahmen einer stärkeren Beratung zu bestehenden Fördermöglichkeiten und Rahmenbedingungen sowie durch die Anschubfinanzierung eines selbstorganisierten Kompetenzzentrums als Schnittstelle und Ansprechpartner zwischen administrativer Ebene und Kultur- und Kreativbranche. Die sächsischen Kreativen können zukünftig auch mit dafür geeigneten Instrumenten sächsischer Wirtschaftsförderung unterstützt werden.”

Energiepolitik und Braunkohle

Der Vorsitzende der sächsischen Linken, Rico Gebhardt, hat kritisiert, dass die Energiepolitik im Koalitionspapier von CDU und SPD eher keinen Fortschritt bringt, weil noch immer Braunkohle drin steht. Es sind aber trotzdem einige Nuancen erkennbar, die ein Abweichen von der bislang knallharten Braunkohle-Linie sichtbar machen. Die Stellen dazu findet man – nach dem Kapitel “Tourismus” ab Seite 40:

“Eine sichere, wettbewerbsfähige, klima- und umweltverträgliche sowie bezahlbare Energieversorgung ist für uns das Leitbild sächsischer Energiepolitik. Um dem fortschreitenden Klimawandel entgegenzuwirken verfolgen wir das Ziel, Sachsen schrittweise unabhängig von fossilen Energieträgern zu machen. Der Ausbau sogenannter erneuerbarer Energien muss im Einklang mit der Anpassung der Netzstruktur und der Speicherkapazitäten stehen.”

“Wir wollen den Ausbau der erneuerbaren Energien in Sachsen voranbringen. Wir orientieren uns bei den sächsischen Ausbauzielen für erneuerbare Energien an den Zielen des Bundes, welche derzeit bis 2025 zwischen 40 und 45 Prozent und bis 2035 zwischen 55 und 60 Prozent liegen. Wir bekennen uns zum Ausbau der Windkraft und setzen auf flexible Regelungen auf der Ebene der regionalen Planungsverbände. Es ist unerlässlich, die Bürger sowohl bei Neustandorten als auch beim Repowering frühzeitig und umfassend in die Planungen einzubeziehen. Zur besseren Koordinierung des Ausbaus der Windenergie und als Grundlage für die Fortschreibung der Regionalpläne werden wir eine Windpotenzialstudie für Sachsen erstellen. Starre Mindestabstandsregelungen für die Errichtung von Windkraftanlagen lehnen wir ab.”

“Die Braunkohlenutzung ist solange erforderlich, wie die erneuerbaren Energien Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit nicht in gleichem Maße gewährleisten können. Künftig soll Braunkohle auch stofflich stärker genutzt werden. Darin sieht die Koalition einen wichtigen Beitrag zum Strukturwandel in den betroffenen Regionen, welchen wir aktiv fördern und sozialverträglich gestalten wollen. Wir bekennen uns zum Abbau der Braunkohle in den im Rahmen des Braunkohleplans genehmigten und projektierten Abbaugebieten. Bei der Braunkohlesanierung treten die Koalitionspartner dafür ein, dass die berg- und wasserrechtlich begründeten Sanierungsmaßnahmen eng mit der infrastrukturellen Entwicklung der Regionen, mit Tourismusprojekten und weiteren Folgeinvestitionen verknüpft werden. Wir werden daher die mit dem Verwaltungsabkommen zur Bergbausanierung zwischen dem Bund und den betroffenen Ländern eingegangenen finanziellen Verpflichtungen erfüllen und weitere finanzielle Mittel zur Erhöhung der Folgenutzungsstandards nach §4 Braunkohleverwaltungsabkommen bereitstellen.”

Kommentar: Zwar will man an den bestehenden Tagebauen und Kohlekraftwerken festhalten, verknüpft das aber stärker mit einem Ausbau der erneuerbaren Energien. Damit ist das sture Ankämpfen insbesondere gegen Windkraftanlagen aus FDP-Zeiten einem realistischeren Herangehen gewichen, bei dem vor allem die Regionalen Planungsverbände mehr Gewicht bekommen. Und dass es weitere Gelder nach § 4 Braunkohleverwaltungsabkommen geben wird, wird besonders das Leipziger Neuseenland sehr freuen, das noch einen Bedarf von 25 bis 30 Millionen Euro für die Vervollständigung der Gewässerausbauten angemeldet hat.

Verkehr und ÖPNV

Einige entscheidende Festlegungen zum Verkehr, zum Straßenbau und vor allem zu Schienenverkehr, Radverkehr und ÖPNV findet man ab Seite 43:

“Wir setzen uns nachdrücklich für den Streckenausbau Dresden-Berlin und die Anbindung des südwestsächsischen Raums an den Schienenpersonenfernverkehr ein. Dazu gehören auch die Elektrifizierung und der angemessene Ausbau der Strecke Chemnitz-Leipzig. Wir fordern gegenüber dem Bund die vollständige Elektrifizierung der Sachsen-Franken-Magistrale bis Nürnberg, die Elektrifizierung der Bahnstrecken Dresden-Görlitz-(Breslau), Berlin-Cottbus-Görlitz und den Neubau der Eisenbahntrasse Dresden-Prag. Gegenüber dem Bund setzen wir uns mit Nachdruck dafür ein, dass die sächsischen Anmeldungen für den Bundesverkehrswegeplan mit höchster Priorität umgesetzt und ggf. weitere Projekte aufgenommen werden. Die Koalitionspartner sehen die Deutsche Bahn in der Pflicht, die Sachsen-Franken-Magistrale und die Strecke Dresden-Breslau über den Fernverkehr abzusichern. Für die prioritären Straßen-und Schienenverkehrsprojekte werden wir Planungsvorlauf schaffen.”

“Sachsen verfügt über ein dichtes und leistungsfähiges Straßennetz. Bis auf einige Lückenschlüsse und die Fertigstellung der A72 sind die Bundes- und Staatsstraßen gut ausgebaut. Erhalt und Ausbau haben für uns Vorrang vor Neubau, jedoch sollen Ortsumfahrungen den überörtlichen Verkehr beschleunigen und die Bürger entlasten.”

Zwischenkommentar: Noch hat man von der in den letzten fünf Jahren gepflegten Vorliebe für Großprojekte nicht Abstand genommen. Aber gerade beim Straßenbau scheint eine nüchternere Sicht auf den Bedarf und die finanziellen Möglichkeiten eingekehrt zu sein. Und zum ÖPNV:

“Die Dynamisierung muss sicherstellen, dass steigende Infrastrukturnutzungsentgelte nicht zu Lasten des Verkehrsangebots gehen. Die vom Bund zur Verfügung gestellten Regionalisierungsmittel werden wir stärker an die Aufgabenträger zur Bestellung von Verkehrsleistungen weiterreichen.”

“Unser Ziel ist es, den Schienengebundenen Personennahverkehr (SPNV) durch eine bessere Koordination und Bündelung bei der Ausschreibung von Verkehrsleistungen, durch die Einführung eines integralen Taktfahrplanes und eines landesweit gültigen Sachsen-Tarifs zu stärken.”

“Vor diesem Hintergrund und angesichts der demografischen Herausforderungen sowie der sich verändernden Finanzierungsgrundlagen werden wir eine Strategiekommission für den sächsischen ÖPNV/SPNV ins Leben rufen, die eine Gesamtstrategie für einen weiterhin leistungsfähigen öffentlichen Verkehr im Freistaat entwickeln soll. Die Strategiekommission soll insbesondere den Mittelbedarf für die Grundversorgung mit ÖPNV-Leistungen und den korrespondierenden Investitionsbedarf ermitteln. Sie soll darüber hinaus Lösungsansätze zur Sicherstellung der ÖPNV-Erreichbarkeiten erarbeiten, Optimierungsmöglichkeiten der Organisationsstrukturen im sächsischen ÖPNV/SPNV aufzeigen und Lösungsvorschläge zur Harmonisierung der Tarif- und Beförderungsbestimmungen im Freistaat Sachsen unterbreiten.”

Kommentar: Damit bestätigt der Koalitionsvertrag, dass die Lösungen der Finanzierungsprobleme im ÖPNV nicht durch immer neue Finanzierungsforderungen an die Allgemeinheit gelöst werden können, wie es der MDV gerade versucht. Die Finanzierungslücken sind in Sachsen in den letzten fünf Jahren durch eine rigorose Kürzungspolitik in Regie des Verkehrsministeriums aufgerissen. Das muss repariert werden und die Koalition scheint das auch vorzuhaben. Und eine Forderung des VCD nimmt Gestalt an: ein integraler Taktfahrplan für Sachsen. Das wäre eine kleine Revolution.

Flughafen

Eher zurückhaltend beschreibt der Koalitionsvertrag die Zukunft der beiden defizitären sächsischen Flughäfen.

“Die beiden sächsischen Flughäfen Leipzig-Halle und Dresden sind unverzichtbarer Bestandteil des Personenverkehrs und Warenaustauschs. Beim weltweiten Frachtflugverkehr soll der Flughafen Leipzig-Halle seine führende Position unter Berücksichtigung der Belange des Gesundheitsschutzes ausbauen. Dazu gehört, dass auch ausländische Fluggesellschaften auf der Grundlage von internationalen Luftverkehrsabkommen Start- und Landerechte in Leipzig-Halle erhalten (z. B. 5. Freiheit für ausländische Fluggesellschaften), die im fairen Wettbewerb das Angebot an Luftverkehrsverbindungen vervollständigen.”

Das klingt eher schwammig. Irgendwie will man den Flugbetrieb – mit vermehrter internationaler Beteiligung noch ausweiten, will aber auch die “Belange des Gesundheitsschutzes” berücksichtigen. Würde man Letzteres ehrlich meinen, müsste ein Nachtflugverbot auf die Tagesordnung. Aber es wird wohl wieder nur ein Feigenblatt sein.

Der Koalitionsvertrag:

https://www.epenportal.de/web/datapool/storage/files100474/LTW_2014/Koav_CDU_SPD_2014-2019_20141023.pdf

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