Es kam so, wie es die Grünen erwartet haben am Freitag, 2. Oktober. Da wurde der von den Fraktionen von CDU und SPD vorgelegte Antrag „Reduzierung des Flächenverbrauchs – grundsätzlich keine landwirtschaftliche Nutzfläche für Ausgleichsmaßnahmen“ im Umweltausschuss besprochen. Und während die CDU wieder glaubt, ihre Meinung zu Ausgleichflächen bestätigt bekommen zu haben, hörte auch die Linke nichts dergleichen.

Die Grünen hatten zuvor moniert, dass der ganze Antrag Quatsch sei. So haben sie es nicht formuliert. Aber darauf läuft es hinaus. CDU und SPD sehen den Hauptgrund dafür, dass in Sachsen der Flächenverbrauch immer noch wahnsinnige 3 Hektar pro Tag beträgt, in der unkoordinierten Ausweisung von Ausgleichflächen auf Kosten von landwirtschaftlichen und Waldflächen.

Der Grünen-Abgeordnete Wolfram Günther rechnete aufgrund von Zahlen, die er direkt vom sächsischen Umweltminister Thomas Schmidt (CDU) abgefragt hatte, vor, dass das nicht der Fall ist. Den größten Verbrauch an wertvollen Böden zieht der nach wie vor exzessive Straßenbau in Sachsen nach sich, gefolgt vom Flächenverbrauch durch Gewerbe- und Wohnbebauung.

Trotzdem glaubt Andreas Heinz, Vorsitzender des Arbeitskreises für den ländlichen Raum, Umwelt und Landwirtschaft der CDU-Landtagsfraktion, dass “alternative Ausgleichsmaßnahmen” die Lösung für das Problem sind.

“Der Verlust landwirtschaftlicher Nutzfläche in Industrieländern wie Deutschland ist ein ernstes Problem. Die heutige Sachverständigenanhörung hat gezeigt, dass wir mit unseren Bemühungen, den Flächenverbrauch in Sachsen zu reduzieren, richtig liegen. Denn immer mehr landwirtschaftliche Nutzflächen müssen Straßen und Wohngebieten weichen. Damit auch in Zukunft noch ausreichend Acker- und Grünland zur Nahrungsmittelerzeugung den Landwirten zur Verfügung steht, müssen wir ein Umdenken erreichen”, erklärte Heinz am Freitag. “Ziel des Antrages ist insbesondere die Sensibilisierung der zuständigen Verwaltungen und Planern, den weiteren Verbrauch landwirtschaftlich genutzter Flächen durch alternative Ausgleichsmaßnahmen zu senken. Dies können etwa die Sanierung von Trockenmauern im Weinbau oder die verstärkte Orientierung auf Produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahmen sein. Idealerweise sollte der Entzug von Landwirtschaftlicher Nutzfläche für Baumaßnahmen und in Folge dessen die entsprechenden Ausgleichsmaßnahmen durch verstärkte Innenentwicklung ganz vermieden werden.”

Als wenn die Gemeinden nicht längst sensibilisiert wären. Landwirtschaftliche Flächen werden ja oft erst dann für Ausgleichsmaßnahmen (in der Regel Waldpflanzung) in Anspruch genommen, wenn andere Flächen nicht mehr zur Verfügung stehen. Und andere Flächen heißt nun mal: andere kommunale Flächen. Denn das Ausgleichsmanagement ist so geregelt, dass im Gebiet des Verursachers auch wieder eine entsprechende Kompensationsfläche gefunden werden muss.

Das Problem ist in der Regel, dass verfügbare Flächen gar nicht der Kommune gehören, sondern in Privatbesitz sind. Es gibt nicht mal eine öffentliche Erfassung aller zwar versiegelten, aber ungenutzten Privatgrundstücke in Sachsen. Und da es keinen Mechanismus gibt, der diese Flächen wieder in die öffentliche Nutzung zurückgibt, spielen sich die eigentlichen Infrastrukturinvestitionen immer wieder in noch unverbauten Flächen ab – und das sind in der Regel landwirtschaftlich genutzte Flächen. Das Ergebnis ist eine weiter wachsende Inanspruchnahme wertvoller Bodenflächen, während andernorts große Brachflächen ungenutzt liegen bleiben.

Ein Dilemma, das man zumindest in der Linksfraktion sieht.

“Die Sachverständigenanhörung im Sächsischen Landtag zum Antrag der Koalition offenbarte eine bittere Realität: In Sachsen werden jeden Tag vier Hektar Fläche neu versiegelt. Die Koalitionsfraktionen konzentrieren sich in ihrem Antrag aber nicht auf eine stärkere Vermeidung dieser Flächenneuinanspruchnahme. Sie überlegen hingegen lediglich, die Regelungen für die Kompensation von Flächenverbrauch zu ändern. Unter anderem sollen Landwirtschaftsflächen weniger für Ausgleichsmaßnahmen geopfert werden”, kommentiert sie die halbherzige Vorlage, die vor allem wachsenden Städten wie Leipzig die Suche nach geeigneten Kompensationsflächen noch schwerer macht.

“Dieser Ansatz ist zu kurz gedacht, wie die Expertenanhörung zeigt”, stellt die umweltpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag, Dr. Jana Pinka, fest. “Der Rückgang von landwirtschaftlicher Nutzfläche ist nämlich nur in geringem Maße auf Kompensations- und Ausgleichsmaßnahmen zurückzuführen. Am meisten Landwirtschaftsfläche wird hingegen durch die Siedlungs- und Verkehrsfläche gefressen. Landesbauernpräsident Vogel mahnte deshalb in seinem Schlusswort an, dass es jetzt auch an der Zeit sei, über die Straßenbauvorhaben des Landes zu diskutieren.”

Und sie betont, dass es ohne rechtliche und finanzielle Hebel nun mal nicht geht. Wenn diese Hebel nicht greifen, kann die Suche nach Ausgleichsflächen für Kommunen sogar richtig teuer werden.

“Kritisiert wurde auch der Versuch, landwirtschaftliche Nutzfläche bei Kompensationsvorhaben grundsätzlich außen vor zu lassen. Denn woanders zeige sich, dass landwirtschaftliche Betriebe auch Partner bei Ausgleichsmaßnahmen sein können. Vielmehr böten die vorhandenen Instrumente wie die Ökoflächenagentur Sachsen oder die Regionalplanung genügend Potenzial”, sagt Pinka. Wenn denn nicht die Landkreise in diesen Regionalplanungen wieder ihr eigenes Spiel spielen und – wie aktuell im neuen Regionalplan Westsachsen – lieber die Entwicklung im Leipziger Nordraum ausbremsen, als mit der Stadt Leipzig, die dringend Platz für Neuansielungen braucht, gemeinsame Lösungsansätze zu suchen. Jana Pinka: “Sie müssten aber gut umgesetzt werden. Und ohne Vorkaufsrecht im Naturschutz bleiben Ökokonten sowieso zahnlose Tiger. Dieses Vorkaufsrecht wurde durch die immer noch regierende CDU genau vor fünf Jahren abgeschafft!”

Da staunt sogar die Feldlerche. Da soll also ein zahnlos gemachter Tiger so eine Art Gebiss bekommen. Eins aus Papier.

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