Die in Sachsen dauerregierende CDU tut sich schwer, aus dem am Dienstag, 22. November, vorgelegten „Sachsen-Monitor“ irgendwelche Lehren für die eigene Regierungsarbeit zu ziehen. Fraktionsvorsitzender Frank Kupfer sah nicht mal einen Grund, am wonniglichen Kurs etwas zu ändern. Deutlich kritischer sieht Fraktionspartner SPD die Ergebnisse. Sie hatte die Ausweitung der Befragung ja auch extra beantragt.

„Mit dem Sachsen-Monitor liegt nun schwarz auf weiß vor, worüber wir seit Monaten diskutieren: Wir haben in Sachsen ein Problem mit Rassismus und Menschenfeindlichkeit. Und wir haben ein massives Gerechtigkeitsproblem. Für die SPD sage ich: Beidem stellen wir uns. Und wir möchten dabei mit möglichst vielen Menschen ins Gespräch kommen und sie mitnehmen“, umreißt der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Henning Homann, die Folgerungen aus dem Sachsen-Monitor.

Homann sieht in der Studie einen klaren Handlungsauftrag an die Landespolitik: „Da helfen weder Betroffenheitslyrik noch Debatten über Sachsen-Bashing. Wir brauchen eine klare Kante gegen die Menschenfeinde, die den Nationalsozialismus relativieren oder sich als Demokratiefeinde erweisen. Wir brauchen aber auch eine langfristige und gute Politik, die soziale und demokratische Probleme aufgreift und darauf verzichtet, Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen.“

Aber zu Recht erwarten nun etliche Bürger des heimeligen Freistaats, dass jetzt auch konkrete Vorschläge auf den Tisch kommen.

Denn 14 Prozent der Sachsen haben zwar geschlossene, extrem rechte Einstellungen, 30 Prozent haben starke Ressentiments gegenüber ganzen Bevölkerungsgruppen. Aber das ist noch lange nicht die Mehrheit. Die erwartet wohl auch zu Recht, dass die Regierung jetzt deutlich mehr dafür tut, die Demokratie in Sachsen zu stärken.

Die leidet auch darunter, dass vielen Bürgern zunehmend das Gefühl fehlt, dass es in Sachsen und Deutschland gerecht zugeht. 48 Prozent der Sachsen finden, dass es in Deutschland ungerecht zugeht.

„Vielen Menschen geht es um Gerechtigkeitsfragen. Doch lange gewachsene Ungerechtigkeiten kann man nicht von heute auf morgen beseitigen. Aber wir können Schritt für Schritt für mehr Gerechtigkeit sorgen. Erste Schritte haben wir bereits gemacht“, betont Homann. Das ist ja das Problem des kleinen Koalitionspartners SPD: Man hat zwar einige Änderungen an der lange Zeit betonierten Sparpolitik der CDU bewirken können, aber man schafft es damit nicht unbedingt, auch die Mehrheit der Sachsen zu erreichen, der das möglicherweise sogar zu wenig ist und zu langsam geht.

„Wir bündeln die Programme gegen Rechts und haben die Gelder dafür erhöht. Wir haben die Polizei gestärkt wie auch Integrationsmaßnahmen umgesetzt, um hier bestehende Probleme zu lösen“, zählt Homann auf. „Wir lösen das Problem fehlender Lehrer. Wir haben den Staatsabbau gestoppt, damit die Menschen nicht das Gefühl haben, für Flüchtlinge sei Geld da, aber für die Sachsen nicht.“

Aber auch er sieht, dass das die umgehende Sorge um Teilhabe, Partizipation und soziale Sicherheit in Sachsen nicht dämpft. Zu lange wurden die Sorgen um die sich entleerenden Landschaften, um Niedriglöhne und prekäre Einkommen negiert.

„Das allein wird nicht reichen“, stellt denn auch Homann fest. „Es geht auch darum, wie Verwaltungen mit Bürgerinnen und Bürgern umgehen. Es geht darum, wie wir dafür sorgen, dass Löhne gerechter werden. Es kommt darauf an, welche Maßnahmen das Sozial- sowie das Kultusministerium ergreifen und wie hart das Innenministerium gegen Rechtsextremisten vorgeht, aber auch darum, wie erfolgreich wir die Programme gegen Rechts umsetzen. Und wir brauchen mehr politische Bildung für eine bessere demokratische Streitkultur und ein besseres Verständnis über Demokratie, nicht zuletzt an unseren Schulen. Hier kann man den Forderungen des Monitor-Beirates nur zustimmen. Wir müssen Sachsen sozialer machen, damit die Menschen nicht das Gefühl haben, zu kurz zu kommen. Wir dürfen vor allem nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen und Probleme kleinreden.

Das ist eine erstaunlich lange To-do-Liste. Und sie ist im Grunde ein Kontra gegen die Beschwichtigungen, die am Dienstag noch der CDU-Vorsitzende Frank Kupfer vorgebracht hat. Das schöne Sachsen-Gefühl allein wird kein neues Vertrauen herstellen und auch das gewachsene Misstrauen in „die Politik“ nicht abbauen.

Aber wie geht man mit dem miesen Zeugnis aus dem „Sachsen-Monitor“ um?

„Die SPD nimmt die Feststellungen der Studie, die uns politisch Verantwortlichen ein miserables Zeugnis ausstellt, sehr ernst. Wir stellen uns dieser Herausforderung“, sagt Homann. „Wir müssen und werden die Menschen stärker in politische Prozesse einbeziehen, denn wir können ein besseres Sachsen nicht ohne sie erreichen.“

Fazit: Sachsen muss sozialer werden.

Jetzt braucht es Vorschläge, wie das umgesetzt werden soll.

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