In Sachsen war immer irgendetwas Anderes wichtiger. Mal war es die Autoschieberei, mal die Crystal-Dealerei, mal die Wohnungseinbrecherei. Beim Thema Prostitution und Menschenhandel hat sich die sรคchsische Regierung meist lieber weggeduckt, das brisante Thema nicht so ernst genommen, wie schon 2015 eine GroรŸe Anfrage der Grรผnen ergab. Nun scheint man sich auch mit der Umsetzung des Prostitutionsschutzgesetzes eher schwerzutun.

Sechs Monate vor Inkrafttreten des Prostitutionsschutzgesetzes am 1. Juli 2017 ist nicht klar, welches Ressort innerhalb der Sรคchsischen Staatsregierung fรผr die Umsetzung des Gesetzes im Freistaat zustรคndig ist, stellt Katja Meier, gleichstellungspolitische Sprecherin der Grรผnen-Fraktion im Sรคchsischen Landtag, fest. Das hatte ihr in der Dezembersitzung in aller Kรผrze Gleichstellungsministerin Petra Kรถpping (SPD) geantwortet. Antworten, die darauf hindeuteten, dass sich im Kabinett mal wieder Streitlinien zwischen Unionsministern und den Ministerkollegen der SPD aufgetan haben. Wer bekommt hier die volle Verantwortung?

Der โ€žAbstimmungsprozess hinsichtlich der Zustรคndigkeiten und รœbertragung von Aufgabenโ€œ sei noch in vollem Gang, hatte Petra Kรถpping mitgeteilt. Schon ihre Antworten auf eine Kleine Anfrage im September waren ausweichend beantwortet worden.

Das Prostitutionsschutzgesetz sieht zusรคtzliche Aufgaben fรผr die Lรคnder und Kommunen vor โˆ’ wie etwa die Beratung und Registrierung von Prostituierten und die Genehmigung von Bordellen.

โ€žUm die Ziele des Gesetzes erreichen zu kรถnnen, bedarf es der Schaffung hinreichender landesrechtlicher, personeller und finanzieller Grundlagen weit vor dem Startterminโ€œ, mahnt Katja Meier an. โ€žDie Behรคbigkeit der Staatsregierung verwundert allerdings nicht. Bereits im Jahr 2015 bekannte Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf eine GroรŸe Anfrage der Fraktion Bรผndnis 90/Die Grรผnen im Sรคchsischen Landtag, dass weder Erkenntnisse zur Zahl und Lage der Prostituierten in Sachsen vorlรคgen noch entsprechende Erhebungen hierzu geplant sind.โ€œ

Wenn man ein Dunkelfeld nicht wirklich erleuchten will, gibt es natรผrlich auch keine Zahlen, die fรผr รถffentliche Diskussionen sorgen kรถnnten. Dass jedes Jahr mehrere Fรคlle nachweisbaren Menschenhandels zum Zwecke sexueller Ausbeutung in Sachsen ermittelt werden, hatte Markus Ulbig durchaus zugestanden. Da man aber auch keine Erhebung รผber die Zahl der existierenden Bordelle hat, ist auch das Dunkelfeld nicht abschรคtzbar. Und auch nicht, inwieweit sich die Betreiber an die gesetzlichen Auflagen halten. Ulbig: โ€žWie viele Durchsuchungen in Bordellen, Wohnungen oder anderen privaten Rรคumen mit welchem Ergebnis in Bezug auf Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung durchgefรผhrt wurden, wird statistisch nicht erfasst.โ€œ

Aber wirklichen Schutz gibt es erst, wenn das Land weiรŸ, was es alles gibt und was in welcher Instanz regelmรครŸig kontrolliert wird. Da ist es eher erstaunlich, dass man sich augenscheinlich รผber die Zustรคndigkeit im Regierungskabinett nicht einigen kann. Und damit wertvolle Zeit vertrรถdelt.

โ€žDie Staatsregierung muss endlich mit der Umsetzung des durch Bundestag und Bundesrat beschlossenen Prostitutionsschutzgesetzes (ProstSchG) beginnen. Prostituierte, Bordellbetreibende als auch Kommunen brauchen Klarheit, welche Behรถrden fรผr die Anmeldung sowie die รœberprรผfung und Besichtigung der Bordelle zustรคndig sein werdenโ€œ, betont Katja Meier. โ€žAuch muss schleunigst geklรคrt werden, wie die sowieso schon vรถllig รผberlasteten und personell nicht sehr gut ausgestatteten Gesundheitsรคmter die Beratung vornehmen sollen. Insbesondere ist zu entscheiden, wie hoch der finanzielle Ausgleich des Landes fรผr die neuen Aufgaben der Kommunen ausfallen wird.โ€œ

Denn bei denen wird wohl letztlich die Hauptlast der Arbeit landen. Und zwar ohne dass geklรคrt ist, welche Art Finanzierung es dafรผr geben soll. โ€žDer Mitte Dezember durch den Landtag beschlossene Doppelhaushalt 2017/2018 sieht keine zusรคtzlichen finanziellen oder personellen Mittel fรผr die Umsetzung des im Gesetz vorgesehenen behรถrdlichen Verfahrens vorโ€œ, stellt Meier fest. โ€žDie Staatsregierung verschlieรŸt offensichtlich die Augen vor dem Thema Prostitution.โ€œ

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Skandalรถs. Um den Schutz von Leib und Leben und die Bekรคmpfung von Kriminalitรคt meint die sรคchsische Regierung sich wohl nicht kรผmmern zu mรผssen? Das wรคre doch mal eine sinnvolle Verwendung von Steuergeldern. Aber fรผr das Elend von Armutsprostituierten und die Opfer von Menschenhandel scheint man sich nicht zu interessieren. Naja, wenigstens kรถnnen sich die Freier weiter รผber niedrige Preise freuen โ€ฆ

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