Nun hat es die Geschichte um die Biedenkopf-Tagebücher auch in den „Spiegel“ geschafft. Die Vorabmeldung gab’s am Samstag, 14. Januar, auch online: „Biedenkopfs Tagebücher. Tillich gerät wegen Finanzierung unter Druck“. Denn die Sache hat ein Nachspiel vor Gericht. Auch wenn es erst einmal nur um die Streitfrage geht: Wer hat in diesem Fall nicht die Wahrheit gesagt?

Die Staatsfinanzierung der Biedenkopf-Tagebücher und die Rolle von Biedenkopfs Parteifreund Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) dabei werden am kommenden Freitag, dem 20. Januar 2016, um 10:00 Uhr Thema bei einer mündlichen Verhandlung vor dem Sächsischen Verfassungsgerichtshof in Leipzig sein.

Da geht es dann um die im September 2015 im „Siedler Verlag“ veröffentlichten und aus drei Bänden bestehenden Tagebücher der Jahre 1990 bis 1994 des früheren sächsischen Ministerpräsidenten Biedenkopf (CDU). Dafür leistete der Freistaat einen nicht rückzahlbaren Zuschuss in Höhe von 307.900 Euro aus staatlichen Geldern an die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung, die das Geld dann weiterreichte. Biedenkopf bedankte sich im Vorwort des ersten Bandes überschwänglich bei seinem Parteifreund Stanislaw Tillich für dessen großzügige Unterstützung: „Dass die ersten drei Bände des Tagebuchs in der vorliegenden Form im Herbst 2015 … erscheinen können, ist der Entscheidung des Freistaates Sachsen und seines Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich zu verdanken. Er machte die Publikation des Tagebuches zu seiner Sache …“

Eine Aussage, die den Landtagsabgeordneten André Schollbach (Die Linke) stutzig machte. Wie kommt der Freistaat Sachsen dazu, die Tagebücher von Kurt Biedenkopf zu finanzieren? Und dann gar noch in dieser Höhe. Für 300.000 Euro produzieren Verlage ganz andere Buchprojekte. Das war mehr als nur eine Subvention.

Aber wer hat sie eingetütet?

Eine ganze Serie von Anfragen hat André Schollbach mittlerweile gestellt, um zu erfahren, durch welche konkreten Handlungen oder Maßnahmen Tillich das Erscheinen der Tagebücher befördert oder sonst beeinflusst hat und inwieweit er mit der Entscheidung bzw. deren Vorbereitung, Finanzmittel des Freistaates dafür aufzuwenden, befasst war. Die aus einem einzigen Satz bestehende Antwort zu diesem Vorgang war dann an Dürftigkeit kaum zu unterbieten: „Der Wunsch des ehemaligen Ministerpräsidenten, Prof. Kurt Biedenkopf, dessen persönliche Aufzeichnungen nach wissenschaftlicher Aufbereitung für eine Publikation vorzubereiten, war Herrn Ministerpräsidenten Tillich bekannt.“

Damit blieben alle Fragen unbeantwortet, stellte Schollbach fest.

Daher zog André Schollbach vor den Verfassungsgerichtshof und stellte einen Antrag auf Einleitung eines Organstreitverfahrens. Hierauf veränderte die Regierung ihre Antwort nachträglich und teilte nun mit, Tillich sei „mit der Entscheidung bzw. deren Vorbereitung, Finanzmittel des Freistaates Sachsen für die im Siedler-Verlag erschienene Tagebuchreihe … nicht befasst“ gewesen. Er habe das Erscheinen der Tagebuchreihe „nicht ‚zu seiner Sache‘ gemacht“.

Kurze Zeit später, nämlich am 20. Mai 2016, erklärte Kurt Biedenkopf jedoch in einem Interview der Sächsischen Zeitung das komplette Gegenteil: „Das Tagebuchprojekt ist ein Projekt des Freistaates. Es geht auf Tillichs Vorschlag zurück, die Tagebücher aus den Jahren 1989 bis 2000 aus Anlass des 25-jährigen Jubiläums des Freistaates Sachsen herausgeben zu lassen. Das Land sollte die Kosten für die Bearbeitung und die Veröffentlichung der Texte und den Erwerb der Rechte übernehmen. … Inzwischen lehnt der Ministerpräsident die weitere Erfüllung unserer Vereinbarung ohne weitere Begründung ab. Hätten wir das gewusst, hätten wir Tillichs Angebot nie angenommen.“

Was ja schon erstaunlich ist. Denn in einem sächsischen Verlag hätte die Staatsregierung die kompletten Tagebücher bis 2000 problemlos für 300.000 Euro produzieren lassen können.

Entweder ist in der Absprache zwischen Biedenkopf und Tillich tatsächlich etwas gründlich schiefgegangen – oder mit Steuergeldern wurde tatsächlich ziemlich eigensinnig umgegangen.

André Schollbach jedenfalls möchte Licht ins Dunkel bringen und die Rolle von Ministerpräsident Tillich bei der Finanzierung der Tagebücher aufklären. Deshalb hat der Abgeordnete den Fall vor den Verfassungsgerichtshof (VGH) in Leipzig gebracht. Er will feststellen lassen, dass er von der Regierung bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage in seinem verfassungsmäßigen Recht aus Art. 51 Abs. 1 Satz 1 der Sächsischen Verfassung verletzt worden ist. Gemäß Art. 51 Abs. 1 Satz 1 der Sächsischen Verfassung müssen parlamentarische Anfragen „nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig“ beantwortet werden.

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