Der Landtag beschäftigt sich derzeit mit einem Antrag auf Verfassungsänderung, mit dem die AfD den Schutz der deutschen Sprache verankern will. Dazu wurden am Mittwoch, 1. März, diverse Experten angehört. Die CDU-Fraktion sprach ganz verschämt von „einer Oppositionspartei“. Dabei war es eindeutig die AfD, die den Antrag gestellt hat. Muss man das unterschlagen? Eigentlich nicht. Es gehört zur Sache.

Auch wenn der rechtspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Martin Modschiedler, meint: „Die Experten haben die Position der CDU deutlich bestätigt! In der Sächsischen Verfassung ist bereits an hervorgehobener Stelle auch die Pflicht des Freistaates zum Schutz der deutschen Sprache als Teil der Kultur Sachsens  in Art. 1 als Grundsatz geregelt.“

Dieser Artikel 1 lautet: „Der Freistaat Sachsen ist ein Land der Bundesrepublik Deutschland. Er ist ein demokratischer, dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Kultur verpflichteter sozialer Rechtsstaat.“

Der AfD, die so gern auf das Nationale abhebt, war das nicht genug.

„Die deutsche Sprache ist ein wichtiges Kulturgut: Sie ist nicht nur Grundlage einer großen Literaturgeschichte, sondern verkörpert auch eine bestimmte Weltsicht und Geisteskultur. Sprache ist die Speerspitze der kulturellen Evolution. Unter dem Druck von Globalisierung und Ausbreitung des Englischen werden andere nationale Sprachen zunehmend ins Abseits gedrängt. Darum haben bereits Staaten wie Österreich, Schweiz und Frankreich reagiert und ihre nationalen Sprachen unter besonderen Schutz gestellt“, erklärte dazu die AfD-Landtagsabgeordnete, Andrea Kersten, im Dezember, als die AfD ihren Antrag einreichte.

Durch die Sächsische Verfassung werde zwar das Recht nationaler und ethnischer Minderheiten deutscher Staatsangehörigkeit auf Bewahrung ihrer Sprache und Kultur geschützt, aber nicht die deutsche Sprache. Zudem gebe es eine zunehmende Verunstaltung des Deutschen durch „Gendersprache“ in eine geschlechterneutrale Sprache, kritisierte die Abgeordnete. „Wir dürfen nicht pessimistisch reagieren, sondern mit Förderung der Artenvielfalt. Wir wollen keineswegs das Englische schwächen – ganz im Gegenteil – wir wollen das Deutsche stärken. Es ist gut, dass unser Gesetzentwurf nun im Verfassungs- und Rechtsausschuss weiter diskutiert wird.“

„Die deutsche Sprache gehört selbstverständlich zum Kulturgut in Sachsen, daran besteht weder ein Zweifel noch gibt es ernstzunehmende Anhaltspunkte, dass sich dies in absehbarer Zukunft ändern wird. Eine Verfassungsänderung mit dem Ziel, die deutsche Sprache als Kulturgut zu schützen ist deshalb überhaupt nicht notwendig, da die Verfassung es bereits heute schon tut!“, meint nun Modschiedler. „Natürlich ist die Sprache einer ständigen Entwicklung unterworfen, heute spricht niemand mehr wie Walther von der Vogelweide. Jugendliche sprechen oft anders als ältere Menschen. Das ist auch völlig in Ordnung und natürlich. Das wollen, dürfen und können wir nicht verbieten. Sachsen braucht keine Sprach-Diktatur“, sagt der CDU-Rechtsexperte und warnt davor, über Gesetze dem Einzelnen vorschreiben zu wollen, wie er zu reden hat.

In ihrem Antrag benennt die AfD-Fraktion besonders den Artikel 5 Absatz 2 der Sächsischen Verfassung.

Der „gewährleistet und schützt Sachsen zwar das Recht nationaler und ethnischer Minderheiten deutscher Staatsangehörigkeit auf Bewahrung ihrer Identität sowie auf Pflege ihrer Sprache, Religion, Kultur und Überlieferung. Die deutsche Sprache hingegen ist aber nicht in den Schutzbereich einer Verfassungsnorm aufgenommen.“

Im Artikel 5 heißt es aber auch: „Dem Volk des Freistaates Sachsen gehören Bürger deutscher, sorbischer und anderer Volkszugehörigkeit an. Das Land erkennt das Recht auf die Heimat an. (…) Das Land gewährleistet und schützt das Recht nationaler und ethnischer Minderheiten deutscher Staatsangehörigkeit auf Bewahrung ihrer Identität sowie auf Pflege ihrer Sprache, Religion, Kultur und Überlieferung.“

Es ist tatsächlich das Selbstverständliche, das nicht extra benannt werden muss. Geschützt werden müssen Minderheiten.

Aber wie ist das mit der deutschen Sprache? Man möchte ja beinah einstimmen in die Klage: Überall blüht sprachlicher Unfug, quillt Managerdenglisch aus allen Ritzen, wird schlimmster Jugendslang als neuer Sprachtrend angepriesen, wabern bürokratische Schachtelsätze und technokratische Wortungetüme. Und dann auch noch dieser unübersehbare Verfall von Stil und Qualität, wenn Menschen sich in sozialen Medien entäußern. Da kann man schon den schlimmen Verdacht bekommen, dass die ihre Sprache nicht beherrschen, von Stil ganz zu schweigen.

Aber die Krux am AfD-Antrag ist eigentlich, dass die Fraktion damit selbst schlimme deutsche Schulmeisterei betreibt.

Und zwar nach dem „Ja, aber“-Prinzip.

„Um die deutsche Sprache auf der einen Seite nicht als historisch starres Relikt zu behandeln, auf der anderen Seite aber auch nicht einer ideologiegesteuerten Umgestaltung auszuliefern, muss sie in besonderer Weise geschützt und gefördert werden“, heißt es darin. Als hätte die AfD in Sachsen einen Akteur ausgemacht, der in der Lage ist, zu bestimmen, wie mit der deutschen Sprache umgegangen wird. Eine Art Deutsch-Kommission, sozusagen die Steigerung der schrecklichen Duden-Kommission, die mit ihren letzten Rechtschreib-Reformen mehr Unheil angerichtet hat als Nutzen gestiftet. Aber seit Konrad Duden ist ja dieser innige Wunsch in einigen Redaktionen vorhanden, die deutsche Sprache immer strenger zu normieren. Der „Duden“ selbst hat zwar über 100 Jahre geholfen, viele wichtige Normen und Regeln im deutschen Sprachgebrauch durchzusetzen. Aber genau das wirft die Frage auf. Was will die AfD jetzt mit unserer schönen Sprache eigentlich anstellen? Was soll denn da eigentlich geschützt und gefördert werden?

„Der außergewöhnlich hohe Stellenwert, welcher der deutschen Sprache in Kultur und Gesellschaft zukommt, sollte sich zukünftig in der Sächsischen Verfassung widerspiegeln. Eine identitätsfördernde Fortentwicklung des deutschen Wortschatzes und der deutschen Sprachkultur ist unser Ziel“, heißt es im Antrag.

Da kommt man schon ins Grübeln. Denn einerseits die Sprache vor einer „ideologiegesteuerten Umgestaltung“ zu bewahren und dann selbst eine „identitätsfördernde Fortentwicklung des deutschen Wortschatzes und der deutschen Sprachkultur“ zu verlangen, das beißt sich. Das ist beides der Versuch, eine Deutungshoheit über unsere Sprache zu gewinnen. Noch deutlicher wird der Antrag der AfD, wenn er auf den zunehmenden Einfluss des Englischen im Wissenschaftsbereich und den Einfluss der gendergerechten Sprache (AfD: „Gendersprache“) zu sprechen kommt.

Ob das Wohlwollen dem Englischen gegenüber berechtigt ist, bezweifle ich persönlich. Denn wenn man darüber etwas intensiver nachdenkt, was eigentlich hinter der Flut englischsprachiger Veröffentlichungen aus deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen steckt, bekommt man es mit einem Wissenschaftsbetrieb zu tun, in dem nicht mehr reale Ergebnisse zählen, sondern Latten von Veröffentlichungen in den einschlägigen Publikationen der Wissenschaftswelt. Es geht fast nur noch um Masse, nicht um Klasse.

Aber statt auf den Kern des Problems zu kommen – die unübersehbare Unfähigkeit eines Teils des Wissenschaftsbetriebes, mit der Welt außerhalb ihrer (englischsprachigen) Gemeinschaft noch zu kommunizieren und Erkenntnisse auch einem breiteren Publikum verständlich darzubieten – kommt die AfD wieder auf ihre alte Haltung zurück, die Vermutung, dass es „da oben“ Leute gibt, die das mit Absicht machen und die deutsche Sprache irgendwie kaputt machen wollen. Im Text des Antrags: „Eine Sprache muss sich dynamisch aus sich heraus entwickeln. Ideologische Eingriffe ‚von oben herab‘ dürfen ihr nicht aufgezwängt werden.“

Aber irgendwie will man das jetzt selbst wieder „von oben herab“ (nämlich aus Verfassungshöhe) regeln, verfällt also in eine ähnliche Korrektor-Position.

Und schreibt einen Satz hin, der das eigentlich völlig überflüssig macht: „Eine Sprache muss sich dynamisch aus sich heraus entwickeln.“

Sprachen entwickeln sich tatsächlich dynamisch. Ganz von allein. Aber nicht, wie die AfD meint „aus sich heraus“. Das ist diese abgekapselte nationalistische Sicht, aus der die AfD einfach nicht herauskommt. Sprache entwickelt sich immer in Interaktion mit anderen Sprachen. Und sie sind meist so vielschichtig, dass selbst die Verbesserer in Fallen stapfen, die eigentlich unübersehbar sind. Das geht ja schon mit dem Parteinamen „Alternative für Deutschland“ los, über den ich bis heute grübele.

Welche Alternative meinen die eigentlich? Albanien? Russland? Kongo?

Ist nicht so einfach mit der deutschen Sprache. Und noch eine Frage tut sich auf: Was soll eigentlich in dem Absatz in der geänderten Verfassung stehen, „der den Schutz und die Förderung der deutschen Sprache normiert“? Soll eine Schutzbehörde eingerichtet werden, die darüber wacht, dass die deutsche Sprache im Sinn der gewünschten Normierung benutzt wird? Mit welchen Sanktionen soll das bewehrt sein? Oder soll es extra Geld geben für Leute, die besonders Gutes für die deutsche Sprache tun?

Das eigentliche Problem aber steckt in dieser fast beiläufig hingeschriebenen Behauptung: „Die deutsche Sprache und deren Stellenwert mag als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt gewesen sein, der nichtvorhandene Gleichlauf mit dem Schutz der Sprache von Minderheiten deshalb auch nicht thematisiert oder problematisiert. Von dieser Selbstverständlichkeit kann jedoch nicht mehr ausgegangen werden.“

Zumindest hier in Leipzig gibt es noch keine auffälligen Zeichen dafür, dass die deutsche Sprache (außer an diversen anglophilen Hochschulen) ihren Stellenwert nicht mehr behaupten kann. Hier reden die Leute alle noch deutsch. Aber vielleicht ist das ja in Dresden anders.

Der AfD-Antrag.

Die Wahrheit über die deutsche Sprache:

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