Man hat es schon fast vergessen, wie sächsische Kontrollbehörden im vergangenen Herbst und Winter immmerfort neue Sperr- und Beobachtungsbereiche im Zusammenhang mit der Vogelgrippe verordneten. Kaum wurde die eine Region wieder freigegeben, wurde andernorts ein toter Vogel gefunden. Doch am meisten gelitten haben die Geflügelzüchter. Und mit dem nächsten Herbst droht das nächste Chaos.

Die Linksfraktion war im sächsischen Landtag zwar mit einem kurzfristigen Antrag erfolgreich, dieses wilde Sperren scheinbar vom Vogelgrippevirus befallener Region im März zu beenden. Aber das kann keine Lösung sein. Vor allem, weil die Behörden in Wirklichkeit gar nichts machen können gegen das Vorkommen des pathogenen Vogelgrippe-Subtyps H5N8, der nun augenscheinlich in mehreren Wildvogelpopulationen verbreitet ist. Man hängt nur lauter Schilder hin, erklärt ganze Gebiete zum Beobachtungsraum.

Man kann auch ganze Geflügelmessen absagen, wie das im Dezember in Leipzig geschah. Und man kann mit lauter Sondergenehmigungen arbeiten, die dann das zur Stallpflicht verdammte Zuchtgeflügel doch noch irgendwie zu Freilandgeflügel erklären. All das erzählt eher von Planlosigkeit als von irgendwie sinnvollen Konzepten, mit dem Vogelgrippeerreger umzugehen.

Am 18. Mai wurde in der Sitzung des Sächsischen Landtages ein Antrag der Koalitionsfraktionen von CDU und SPD mit dem Titel „Stallpflicht für Geflügel“ (Drs. 6/9488) diskutiert.

Immerhin ein erster Moment, die Sache mit mehr Überlegung und weniger Hysterie anzugehen, stellt Wolfram Günther, landwirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, fest: „Ich freue mich, dass das Aufbegehren der Geflügelhalter, der Geflügelzüchterverbände und nicht zuletzt der Druck von uns Grünen die Koalition endlich zum Handeln gezwungen hat.“

Denn die Grünen hatten schon zuvor einen eigenen Antrag, das Dilemma für die Geflügelhalter aufzulösen, eingereicht. Deutlich umfangreicher übrigens.

Logisch, dass Günther sich wundert, warum die beiden Regierungsparteien nicht den fundierten Antrag der Grünen einfach übernommen haben. Haben sie sich geschämt, dass sie nicht als erste drauf gekommen sind? Oder wollten sie der Opposition wieder zeigen, dass völlig egal ist, welche Kompetenzen sie hat? Die Regierenden machen sowieso das, was ihnen besser gefällt?

„Mit dem Inhalt des Antrages kann man sich allerdings nicht zufrieden geben. Es ist der Versuch, ein Thema aufzugreifen, ohne wirklich etwas zu tun“, zieht Wolfram Günther seine Schlüsse aus dem lustlosen Papier der Regierungskoalition.

„Weil ein enormer Handlungsdruck besteht, haben wir Grünen bereits lange vor diesem Koalitionsantrag einen eigenen Antrag erarbeitet und ins Parlament eingebracht, der echte Hilfen im Fall des erneuten Krankheitsauftretens vorsieht. Wir brauchen in Sachsen im Fall der Geflügelpest endlich eine Strategie für ein differenziertes und risikoorientiertes Tierseuchenmanagement, damit beim nächsten Mal nicht wieder kopflos und undifferenziert agiert werden muss. Denn eines ist gewiss: Nach der Geflügelpest ist vor der Geflügelpest!“

Aber was CDU und SPD da vorgelegt haben, ist nichts anderes als ein Feigenblättchen mit Berichts- und Prüfauftrag, aber ohne wirklich ernsthafte Schlussfolgerungen. Die erwartet man jetzt irgendwie vom Bund. Die Staatsregierung möge sich doch auf „Bundesebene für eine Evaluierung und Überarbeitung der Verordnung zum Schutz gegen die Geflügelpest dahingehend ein(…)setzen, dass die bisherige ‚Kann-Bestimmung‘ zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung in eine ‚Soll-Bestimmung‘ geändert wird.“

In Wirklichkeit hat die sächsische Regierung eigene Spielräume. Aber die will man augenscheinlich nicht nutzen, scheut sich regelrecht vor klaren Entscheidungen und verschiebt das ganze wieder in den schattigen Raum der Bittstellerei.

Was Wolfram Günther der mutlosen Regierung auch genau so ankreidet: „Der Antrag von CDU- und SPD-Fraktion besteht dagegen nur aus einem unverbindlichen Berichts- und Prüfteil. Der Antrag enthält nur eine einzige konkrete Forderung an die Staatsregierung, diese möge sich ‚auf Bundesebene für eine Evaluierung und Überarbeitung der Verordnung zum Schutz gegen die Geflügelpest dahingehend einzusetzen, dass die bisherige ‚Kann-Bestimmung‘ zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung in eine ‚Soll-Bestimmung‘ geändert wird.“

Im Grünen-Antrag wird zumindest der Verdacht geäußert, dass auch Geflügelanlagen, die sich nicht an bestimmte Hygieneregeln halten, Teil der Verbreitungswege für das Vogelgrippe-Virus gewesen sein könnten. Das sollte aus ihrer Sicht unbedingt untersucht werden. Möglich, dass genau das CDU und SPD zurückschrecken ließ, an dieser Stelle endlich einmal konsequent zu sein. Solange man über die möglichen Ansteckungswege der Wildvögel munkeln kann und nichts genaues weiß, kann man auch mit den Verhütungsmaßnahmen im Vagen bleiben.

Den Geflügelhaltern hilft das freilich wenig, wenn das Theater mit den Wildvögelzügen im Herbst aufs Neue beginnt.

Grünen-Antrag „Geflügelpest – differenziertes Tierseuchenmanagement statt genereller und unbefristeter Stallpflicht“ (Drs 6/9351)

Der Antrag von CDU und SPD. Drs. 9488

Auf der L-IZ.de zum Thema: Woher kommt die Vogelgrippe?

Kommen die pathogenen Keime in Wirklichkeit aus der industriellen Geflügelwirtschaft? + Video

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