LZ/Ausgabe 48Und da rollt sie wieder, die Debatte rings um Abschiebungen, Duldungen, Familiennachzug und so manchen geplatzten Integrationstraum in Sachsen. Vor allem die Arbeit der Ausländerbehörden und die politischen Vorgaben rücken seit dem Bekanntwerden der Herausgabe von wertlosen Ersatzpapieren in Sachsen und Leipzig an Geflohene wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Mit allen Mitteln versucht man derzeit offenbar, Menschen loszuwerden, den Nachzug ihrer Familien zu verhindern, Integration letztlich unmöglich zu machen. Oft mit fragwürdigen Einziehungen von Pässen und dem Ausstellen von sogenannten „Identitätsbescheinigungen“.

Von ausländerfeindlicher Seite ruft es Hurra, andere fragen sich allmählich, ob es nicht immer die am ehesten trifft, die versuchen, sich an Regeln zu halten, sich zu integrieren, ja eine Arbeit zu finden und in ein neues Leben zu starten. Nicht zuletzt sind mittlerweile auch Leipziger Unternehmen, darunter Handwerksbetriebe und Handelsunternehmen verunsichert, ob es wirklich möglich ist, offene Stellen mit den neu in Leipzig lebenden Menschen überhaupt tragfähig zu besetzen.

Mal aus deutscher Sicht betrachtet: Alle, die es hassen, „aufs Amt“ zu gehen, Anträge zu schreiben oder sich womöglich mal mit dem Jobcenter rings um Leistungskürzungen zu streiten, Hand hoch. Nun noch die dazu, die höchst ungern daran erinnert werden, endlich die Steuererklärung zu machen, sich mit lustigen Antragsformularen auf die Erteilung des Passagierscheins A38 zur Erlangung einer XYZ-Genehmigung herumzuärgern oder schlicht vergessen, ihren ablaufenden Personalausweis zu verlängern.

Vermutlich sind nun eine Menge Hände oben. Von Menschen, die meist hier geboren und aufgewachsen sind. Die also die Chance hatten, frühzeitig durch Eltern und Bekannte mitzubekommen, dass Deutschland ein Land ist, welches für wirklich alles Regeln kennt. Gern auch mal Regeln, die sich – Einzelfallprüfung! – auch mal widersprechen können, aufeinander aufbauen oder für weniger Kenntnisreiche im Desaster enden können: Unternehmer ahnen hoffentlich, was man so alles lassen sollte, wenn es um ein Tänzchen mit dem Finanzamt geht.

Doch wie ist es nun mit Menschen, die neu zu uns gekommen sind und „deutsch lernen sollen“? Für diese gibt es einen Rechtsbereich, über den zwar jeder gern polemisiert (von links, rechts, oben und unten), aber doch immer wieder kuriose Sichtweisen rotieren. Die meisten Geflohenen oder einfach so zu uns in die EU gekommenen und in Deutschland gelandeten Menschen landen in der Mühle aus Asylbeantragung, Duldung, Schutzstatus oder Komplettablehnung und Ausweisung.

Aufgrund der nach wie vor zu langen Bearbeitungszeiten vergehen oft Jahre, Zeit, die nicht nur unsicher ist, sondern von immer neuen Bestimmungen und Gesetzen begleitet ist.

Wie hart die deutschen Regeln für Geflohene dabei letztlich durch die in den vergangenen Jahren ständig verschärften „Asylpakete“ sind, erfährt man am besten, wenn man mal beim Amt anfragt. Und Antworten der Leipziger Ausländerbehörde erhält, die einen, höflich formuliert, staunen lassen. Über die Komplexität und die Freiräume, die der Staat sich im Umgang mit Menschen aus fremden Ländern längst selbst eingeräumt hat. Anlass der generellen Anfrage war die Abschiebung des indischen Lehrlings Dhruv Patel am 5. September 2017 mitten aus seiner Ausbildung im Leipziger Autohaus Saxe.

Heraus kam eine Darstellung, wie verzwickt die Lage für Geflohene ist, die versuchen, in Leipzig eine Arbeit oder einen Ausbildungsplatz nicht nur zu finden, sondern auch antreten und behalten zu dürfen. Geantwortet hat der LZ Helga Kästner, stellvertretende Leiterin des Ordnungsamtes, für die Ausländerbehörde Leipzig.

Die Fragen & die Antworten

Bestehen generell Möglichkeiten für einen Flüchtling ohne Asylgrund, bei Vorlage eines Nachweises einer regulären Beschäftigungs-/Ausbildungsmöglichkeit diese in legaler Form zu erreichen und zu behalten? Welche sind dies?

Es ist generell zu unterscheiden zwischen der Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit/Beschäftigung und einer Ausbildungsduldung. Ist der Betroffene im Besitz einer Duldung (Aussetzung der Abschiebung), ist ihm die Ausübung der Erwerbstätigkeit grundsätzlich nicht erlaubt. Die Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit kann durch die Ausländerbehörde erteilt werden, wenn keine Versagungsgründe vorliegen.

Gemäß § 60 a AufenthG darf einem ausländischen Staatsangehörigen, der eine Duldung besitzt, die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn die Einreise lediglich dazu diente, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates ist.

Die Voraussetzungen zur Erteilung einer Ausbildungsduldung sind abschließend in § 60 a Abs. 2 Satz 4 und 6 AufenthG geregelt. Eine solche Duldung ist demzufolge zu erteilen, wenn der Betroffene

1. eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat,
2. die o. g. Versagungsgründe nicht vorliegen,
3. konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen und
4. keine Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Straftat vorliegt (Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen oder bis zu 90 Tagessätzen wegen Straftaten, die nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Asylgesetz nur von Ausländern begangen werden können, bleiben grundsätzlich außer Betracht).

Die Entscheidung, ob eine Ausbildungsduldung erteilt wird, liegt nicht im Ermessen der Ausländerbehörde. Liegt eine der Erteilungsvoraussetzungen nicht vor, kann keine Ausbildungsduldung erteilt werden. Die Abschiebung wird für die Dauer der Ausbildungszeit ausgesetzt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen der sogenannten Ausbildungsduldung vorliegen.

Welchen Schutz vor einer Abschiebung bietet die Kombination einer Duldung, einer eigenen Wohnadresse und ein Lehrvertrag normalerweise und unabhängig vom Herkunftsland in Leipzig laut aktueller Gesetzeslage?

Die oben beschriebene Kombination bietet grundsätzlich keinen Schutz vor einer Abschiebung. Die Duldung ist kein Aufenthaltstitel und begründet damit kein Aufenthaltsrecht. Der Betroffene ist vollziehbar ausreisepflichtig. Die Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird lediglich ausgesetzt.

Beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ist eine Ausbildungsduldung zu erteilen. Nur der Besitz der Ausbildungsduldung bietet Schutz vor einer Abschiebung für die Dauer der Ausbildungszeit.

Im vorliegenden Fall wurde das Lehrverhältnis durch die Bundesagentur für Arbeit vermittelt und aktiv befördert, durch die Handwerkskammer Leipzig bestätigt und auch durch das BAMF entsprechend als zulässig angesehen. Was müssen demnach für Voraussetzungen vorliegen, damit ein Arbeitgeber von der Rechtmäßigkeit eines Lehr- Ausbildungsvertrages mit einem ausländischen Staatsbürger ausgehen kann?

Die betroffenen Personen können einen Ausbildungsvertrag selbstständig rechtmäßig abschließen. Die tatsächliche Aufnahme der Ausbildung setzt „nur“ das Vorliegen der Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit voraus. Die Erlaubnis der Erwerbstätigkeit ist keine Garantie, dass die Abschiebung für die Dauer der Ausbildung ausgesetzt wird.

Die Abschiebung wird für die Dauer der Ausbildungszeit ausgesetzt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen der sogenannten Ausbildungsduldung vorliegen. Eine der Voraussetzungen ist, dass konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen.

Nach unseren Informationen wurde der gültige Pass im vorliegenden Fall aufgrund einer abschlägigen Asylbescheidung eingezogen, die bereits genannte Duldung jedoch ausgesprochen. Unmittelbar nach diesem Vorgang muss die Abschiebung eingeleitet worden sein, was vermuten lässt, dass der Einzug des Passes stattfand, um eine reibungslose Abschiebung zu gewährleisten. Wie stellt sich dieser Ablauf seitens Ihrer Behörde dar?

Mit der Einleitung von Passbeschaffungsmaßnahmen wird die Aufenthaltsbeendigung vorbereitet. Die Zuständigkeit der Passbeschaffung sowie der Aufenthaltsbeendigung bei abgelehnten Asylbewerbern liegt bei der Landesdirektion Sachsen, Zentrale Ausländerbehörde.

Wird ein Ausbildungsvertrag vorgelegt und sind zu diesem Zeitpunkt bereits Maßnahmen der Passbeschaffung veranlasst, ist damit auch der Vorgang der Abschiebung eingeleitet. Der Pass oder Passersatz eines ausreisepflichtigen Ausländers soll bis zu dessen Ausreise in Verwahrung genommen werden.

Was muss ein Ausbildungsbetrieb über die bereits unter 1. und 2. genannten Bedingungen hinaus vorweisen können, um die Abschiebung eines Mitarbeiters wirksam zu verhindern und wie hat die Ausländerbehörde im vorliegenden Fall den Ausbildungsbetrieb über fehlende Voraussetzungen für eine Ausbildung informiert?

Der Ausbildungsbetrieb hat keine Handhabe, eine Abschiebung zu verhindern. Nur mit dem Vorliegen einer Ausbildungsduldung genießt der Ausbildungsbetrieb die Sicherheit, dass für die Dauer der Ausbildung keine Aufenthaltsbeendigung durchgeführt wird. Die Ausländerbehörde ist nicht verpflichtet, den Ausbildungsbetrieb über das Erteilen der Ausbildungsduldung zu informieren bzw. über die Versagung in Kenntnis zu setzen.

Mit dem Erhalt der Ausbildungsduldung erhält der Arbeitgeber jedoch ein Hinweisblatt mit seinen Mitwirkungspflichten. Aus diesem Hinweisblatt geht hervor, dass der Auszubildende eine Ausbildungsduldung erhalten hat.

Da die Aufnahme einer bereits begonnen Lehrausbildung und einem zuvor stattgefundenen Praktikum durch die Ausländerbehörde geprüft worden sein muss, scheint die nun erfolgte Abschiebung nach Ausbildungsbeginn dieser Prüfung faktisch entgegenzustehen. Wie erklärt sich Ihre Behörde diesen Ablauf?

Die Abschiebung eines ausreisepflichtigen Ausländers ist für die Dauer der Ausbildung auszusetzen, wenn die gesetzlichen Bestimmungen erfüllt sind. Die Erlaubnis zur Ausübung der Erwerbstätigkeit ist lediglich eine der Voraussetzungen für die Erteilung der Ausbildungsduldung. Die Erlaubnis zur Ausübung der Erwerbstätigkeit kann nicht unmittelbar zur Erteilung der Ausbildungsduldung führen.

So ist es durchaus möglich, dass trotz der Erlaubnis zur Ausübung der Erwerbstätigkeit keine Ausbildungsduldung erteilt wird und der Betroffene die Ausbildung beginnen kann, aber kein Schutz vor aufenthaltsbeendenden Maßnahmen besteht. Die Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung/Ausbildung erfolgt zeitlich begrenzt.

Die Ausländerbehörde ist bei der Duldungserteilung nicht an die Befristung der Erlaubnis zur Ausübung der Beschäftigung gebunden. Daher kann es zu Differenzen zwischen der Befristung der Duldung und Befristung der Beschäftigung kommen.

Mehr zum konkreten Fall und aktuelle Informationen unter l-iz.de/?s=Auto-Saxe

Fachkräftemangel in den Unternehmen und Integration für Dummis

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