Man hat sich ja an so manches gewöhnt in der sächsischen Politik. Sogar an die Rücktritte von Ministerpräsidenten und ihre Nachfolgeregelungen, die irgendwie immer dem Versuch ähneln, einen Kronprinzen zu etablieren. Aber Sachsen ist kein Königreich mehr. Bevor der Landtag einen neuen Ministerpräsidenten wählt, soll Ministerpräsident Tillich erst einmal erklären, wie es weitergehen soll, fordert jetzt die Linkspartei.

Am Freitag, 3. November, hat sie deshalb einen Antrag „Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zur Regierungsfähigkeit der Staatsregierung bei der Lösung der drängendsten Probleme in Sachsen“ (Parlaments-Drucksache 6/11196) gestellt.

„Die CDU hat Sachsen in die schwerste politische Krise seit 1989 gestürzt und tut nun so, als sei die Debatte über Auswege aus der Misere die Privatangelegenheit des Noch-Ministerpräsidenten Tillich und des Vielleicht-Nachfolgers Kretschmer“, stellt Rico Gebhardt, Vorsitzender der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, fest. „Allein das zeigt schon, dass die sächsische Union ihre Staatspartei-Attitüde noch längst nicht abgelegt hat und stattdessen auf ein Weiterso setzt, egal wie. Deshalb hat die Linksfraktion heute den Ministerpräsidenten per Antrag an den Landtag aufgefordert, eine Regierungserklärung abzugeben.“

Kritik erntet Stanislaw Tillich für seine Art des kommentarlosen Abgangs auch im Antrag selbst.

„Angesichts dieser komplexen Herausforderungen muss die Fraktion Die Linke jedoch feststellen, dass der Ministerpräsident Tillich, sich mit dem am 18. Oktober 2017 für den Dezember 2017 angekündigten Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten nicht nur darin treu geblieben ist, schwierigen Problemen einfach aus dem Weg zu gehen, sondern sich zudem der ihm obliegenden und von ihm übernommenen politischen Verantwortung zur Lösung der anstehenden Probleme zu entziehen versucht“, heißt es darin. „Aus diesem Grund steht der Landtag gegenüber den Menschen in Sachsen in der Pflicht,
den Ministerpräsidenten zur Abgabe einer öffentliche Erklärung zur gegenwärtigen und künftigen Regierungsfähigkeit der Sächsischen Staatsregierung bei der Bewältigung der bestehenden Problemlagen in den verschiedenen staatlichen, kommunalen und auch gesellschaftlichen Bereichen aufzufordern und sich nicht länger auf die – bislang vom Ministerpräsidenten in seinem Statement vom 18. Oktober 2017 aufgeführten – anstehenden Entscheidungen des Dezember-Landesparteitages der CDU -Sachsen und dessen Nachfolgerwünsche verweisen zu lassen.“

Das korrespondiert mit der Forderung der SPD, dass vor einer möglichen Wahl von Tillichs Wunschkandidat Michael Kretschmer zum Ministerpräsidenten der Inhalt der nächsten zwei Jahre in der Regierungsarbeit geklärt sein sollte.

„Wenn CDU und SPD denken, sie könnten im Schatten des Gezerres um eine mögliche ‚Jamaika-Koalition‘ in Berlin nun in Sachsen monatelang um mögliche Wahlgeschenke für die letzte Phase der Legislaturperiode vor den nächsten Landtagswahlen feilschen, haben sie sich getäuscht“, sagt Gebhardt. „Wir bestehen darauf, dass sich das Parlament in der Sitzung am 15. November mit Lösungsvorschlägen für die Krise Sachsens befasst, die sich unter dieser Koalition weiter verschärft hat. Diese Debatte wird es definitiv geben – entweder auf Basis der geforderten Regierungserklärung oder, wenn Tillich davor Angst hat und kneift, auf Grundlage unseres Antrages.“

Die neun Punkte, die die Linke in ihrem Antrag aufführt, die jetzt akut abzuarbeiten sind, ähneln natürlich den Punkten, die auch der SPD-Vorsitzende Martin Dulig schon genannt hat.

Das sind sie:

– Sicherstellung der Lehrer*innen-/Unterrichtsversorgung an allen sächsischen Schulen,

– Gewährleistung der Erfüllung der Daseinsvorsorgeaufgaben in den ländlichen Räumen, einschließlich eines Öffentlichen Nahverkehrs mit einheitlichem Tarifsystem sowie des bezahlbaren und barrierefreien Wohnens in allen Orten,

– Absicherung der landesweiten gesundheitlichen und (fach)ärztlichen Versorgung,

– flächendeckende digitale Versorgung mit mindestens 50 Mbit/s-Datenautobahnen

– Umgang mit den komplexen Folgen und Wirkungen des demografischen Wandels in allen gesellschaftlichen Bereichen,

– uneingeschränkte Gewährleistung der rechtsstaatlichen Funktionen und Aufgaben der sächsischen Polizei, Justiz und Strafvollzug durch eine dazu erforderliche, deutlich verbesserte Personal-, Sach- und Finanzausstattung,

– Entwicklung und Ausbau einer starken Demokratie statt eines starken Staates,

– Ergreifen wirksamer Maßnahmen gegen das Erstarken der extremen Rechten,

– Überwindung der nach wie vor bestehenden Benachteiligungen des Ostens und der ostdeutschen Bevölkerung.

Alles Punkte, die im Grunde seit 2009 auf dem Tisch liegen, aber immer wieder ausgebremst wurden oder auf ein Mindestmaß eingedampft. Was auch Sachsens wirtschaftliche Entwicklung gebremst hat. Und vor allem hat es im ganzen Land das Gefühl der Erstarrung erzeugt, das sich mit den lange Jahre geschürten rechten Ressentiments vermischt.

Der Antrag der Linksfraktion.

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