Am 28. Februar musste das sächsische Kultusministerium melden, dass wieder nicht alle ausgeschriebenen Lehrerstellen besetzt werden konnten. Einerseits ist das natürlich Ergebnis einer verfehlten Personalpolitik, die auch Cornelia Falken (Linke) und Sabine Friedel (SPD) deutlich kritisieren. Aber Friedel kennt auch einen guten Grund, warum Sachsen sogar froh sein kann, dass es nicht noch schlimmer kam.

„Das Kultusministerium kann mit seiner Einstellungspolitik den Bedarf an Lehrkräften noch immer nicht decken. Das ist die Folge einer verfehlten Personalpolitik der vergangenen Jahre. Sie geht auf das Konto der CDU-Kultusminister“, zog Cornelia Falken, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag, ihren Schluss aus den Einstellungszahlen.

Die aktuellen Zahlen des Einstellungsverfahrens zum Februar 2018 zeigten, dass nicht einmal alle freien Stellen – insgesamt 660 – besetzt werden konnten. Von den 622 besetzten Stellen sind 237 Stellen mit grundständig ausgebildeten Lehrkräften und 385 Stellen mit Seiteneinsteigern besetzt. Damit steigt der Anteil der Seiteneinsteiger bei den Neueinstellungen erneut: binnen eines Jahres von 30 auf 62 Prozent.

„Das gravierendste Personalproblem ist jedoch, dass von 323 Bewerbern mit einer grundständigen Ausbildung ein Drittel nicht im Lande gehalten werden konnte. Nur 237 Stellen konnten schließlich mit ihnen besetzt werden“, sagt Falken.

Als Konsequenz aus den schlechten Einstellungszahlen fordere Die Linke das Kultusministerium deshalb auf, die Seiteneinsteiger ein halbes Jahr vor Beginn der Unterrichtsaufnahme einzustellen und ihnen eine solide berufsbegleitende Weiterbildung zuteilwerden zu lassen, die zu einem qualifizierten Lehramtsabschluss führt.

Aber wie wird Sachsen für junge Lehrer wieder attraktiv?

Cornelia Falken: „Um Bewerber mit einer grundständigen Ausbildung im Lande zu halten, bedarf es einer Verbesserung der Unterrichtsbedingungen und der Bezahlung. Hier sind der Handlungsbedarf und der Zeitdruck am größten. Die Koalition muss endlich die nötigen personalpolitischen Entscheidungen zur Erhöhung der Attraktivität des Lehrerberufes treffen. Dazu gehört auch, die Einstellungsverfahren weniger als reinen Verwaltungsakt zu verstehen, sondern als partnerschaftlichen Umgang miteinander. Die Bewerberinnen und Bewerber müssen den Eindruck gewinnen, dass sie gebraucht werden.

Und erstaunlich deutlich wird mittlerweile auch der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Lothar Bienst: „Die Dramatik der Zahlen zeigt sehr deutlich: Wir müssen jetzt entschlossen und mutig handeln. Die Zeiten des politischen Klein-Klein sind für uns endgültig vorbei. Deshalb hat die CDU-Fraktion einen Vorschlag auf den Tisch gelegt, mit dem Sachsen künftig im bundesweiten Wettbewerb um qualifizierte Lehrer bestehen kann. Dazu wollen wir vor allem Lehrer verbeamten und die Leistungen gestandener Lehrkräfte finanziell anerkennen. Jetzt ist unser SPD-Koalitionspartner am Zug und muss endlich über seinen Schatten springen. Ein Blick nach Thüringen oder Mecklenburg-Vorpommern würde helfen. Dort hat die SPD die Verbeamtung von Lehrern unterstützt.“

Irgendwie hängt er der Idee der Verbeamtung mit ganzem Herzen an. Obwohl das augenscheinlich nicht die Wünsche der Lehrer sind. Die wären mit einer besseren Bezahlung und einem besseren Schulumfeld schon zufrieden. Denn dort bekommen sie täglich die Folgen des „Klein-Kleins“, wie es Bienst nennt, zu spüren.

„Ich pflichte meinem CDU-Kollegen Lothar Bienst bei: Die Zeiten des politischen Klein-Klein müssen endgültig vorbei sein. Sachsen braucht ein Gesamtkonzept, um den Lehrermangel zu beheben. Dabei geht es um attraktive Arbeitsbedingungen für neue und gestandene Lehrkräfte. Und darüber hinaus um eine klare Planung und genügend Ausbildungsplätze“, ergänzt denn auch die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sabine Friedel. „Wir dürfen nie vergessen: Wir treffen Zukunftsentscheidungen für unseren Freistaat. Unser Horizont ist nicht 2019, sondern die nächsten zehn, fünfzehn Jahre.“

Aber wie bekommt man da die Kurve, wenn in den vergangenen zehn Jahren der Zeithorizont immer nur ein Jahr betrug – ein Haushaltsjahr? Denn in anderen Zeiträumen konnte bei der bis Herbst herrschenden Finanzpolitik in Sachsen gar nicht gedacht werden. Die Flickschusterei begann genau in dem Moment, als sich die Personalpolitik der Staatsregierung von der Zukunftsplanung abkoppelte und das neoliberale Kürzen mit Kurzzeithorizonten begann.

„Wir müssen heute die Lehrerausbildung der Universitäten absichern, damit wir morgen genügend ausgebildete Lehrkräfte haben“, sagt Friedel etwas eigentlich Selbstverständliches. Was aber in der Personalpolitik des Landes zehn Jahre lang nicht mehr stattfand. Eine Denkweise, die eng mit den Namen Tillich und Unland verbunden ist. Und deren fatale Folgen jetzt erst so richtig sichtbar werden. Friedel: „Wir müssen heute die Ausbildung regionalisieren, damit morgen Lehrkräfte in die ländlichen Räume gehen. Und wir müssen heute zusätzliches Personal für die nichtpädagogischen Aufgaben an unseren Schulen einstellen, um die Lehrkräfte zu entlasten.“

Und dann geht sie auf die aktuelle Meldung ein, die nicht wirklich verrät, wie dramatisch die Situation eigentlich war.

„Wie wichtig eine langfristige Perspektive ist, zeigen die heute veröffentlichten Einstellungszahlen“, sagte Friedel am Mittwoch, 28. Februar. „Denn sie sind Ergebnis einer politischen Fehlentscheidung: Während sonst im Einstellungsverfahren immer zwischen 500 und 900 ausgebildete Referendare zur Verfügung standen, sind es jetzt, im Februar 2018, rund 20. Grund dafür ist die planlose Umstellung und Rückumstellung des Referendariats vor einigen Jahren.“

Man hatte einfach mal mitten im Galopp die Referendariatszeit in Sachsen verkürzt. Was zwischenzeitlich ein Hoch an Lehramtsabsolventen ergab. Als man nun die Referendariatszeit wieder auf das ursprüngliche Maß zurückführte, entstand geradezu zwangsläufig ein Loch. Es waren also eigentlich gar keine Bewerber für den Lehrerberuf  „auf dem Markt“.

„Dass es dem Landesamt für Schule und Bildung trotzdem gelungen ist, über 300 grundständig ausgebildete Lehrkräfte einzustellen, ist aus unserer Sicht eine gute Leistung“, schätzt denn auch Friedel ein. „Wir sind zuversichtlich, dass ein solches Gesamtkonzept gelingen kann. Ein Konzept, das einerseits die Probleme kurzfristig lindert. Und andererseits Lösungen formuliert, die nicht nur wenige Monate tragen, sondern für die nächsten Jahre vernünftig sind. Daran haben beide Koalitionspartner ein großes Interesse.“

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