Am Donnerstag, 23. August, beschäftigte sich auch der Innenausschuss des Sächsischen Landtages mit den Vorfällen vom 16. August am Rande der PEGIDA-Demonstration in Dresden. Und ein Ergebnis dürfte zumindest Innenminister Roland Wöller (CDU) arge Kopfschmerzen bereiten. Der Grünen-Abgeordnete Valentin Lippmann brachte es auf den Punkt: „Wir haben in der sächsischen Polizei ein grundsätzliches Problem, was den Umgang mit eigenen Fehlern angeht.“

Just diese Einschätzung bestätigte nach der Sitzung der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Christian Hartmann.

„Die Polizei genießt ein hohes Vertrauen in der Bevölkerung. Dies darf nicht beschädigt werden! Wir vertrauen als CDU unserer Polizei und weisen jeden Generalverdacht zurück. Deshalb klären wir diesen Vorgang lückenlos auf – auch im Interesse unserer Polizei und der Presse- und Meinungsfreiheit. Schließlich handelt es sich um hohe Güter von Verfassungsrang, die es unbedingt und zu jeder Zeit zu schützen gilt“, sagte er.

„Zum Verhalten der Polizeibeamten vor Ort ist zu sagen, dass sie offensichtlich grundsätzlich korrekt gehandelt haben. Ich hätte allerdings erwartet, dass sie in der angespannten Situation deutlicher den Presseauftrag des Fernsehteams im Blick gehabt hätten. Gleichwohl ist es die Aufgabe der Polizei, jeder Anzeige, ohne Ansehen der Person, nachzugehen.“

Das Problem mit der Fehlerkultur betrifft eben nicht nur die Polizei, sondern auch die seit 28 Jahren in Sachsen regierende CDU. Wer immer alles richtig macht, muss sich ja nicht korrigieren. Der muss auch nicht wahrnehmen, dass er gravierende Probleme hat.

Wobei Hartmann zumindest zugesteht, dass der aggressiv auftretende LKA-Mitarbeiter mit dem Deutschland-Hütchen wohl einige Grenzen überschritten hat.

„Für die Polizei in Sachsen ist dieser Vorfall ein Weckruf. Er mahnt uns dazu, intensiver über das Thema Werte und Verhaltensnormen für Staatsdiener nachzudenken, unabhängig ob es sich um Beamte oder Angestellte handelt. Wir müssen uns die Frage stellen, bis zu welchem Grad die Polizei Ansichten und Meinungen in ihren Reihen tolerieren kann, die nicht mit dem gesellschaftlichen Frieden im Einklang stehen“, sagt Hartmann.

„Über mögliche arbeitsrechtliche Konsequenzen für den Mitarbeiter des LKA möchte ich an dieser Stelle nicht spekulieren. Die Bewertung obliegt allein dem Innenministerium. Ich halte das Verhalten dieses Mitarbeiters für unangemessen. Aber auch wenn mir persönlich manche Art und Weise des lautstarken Protestes einer Minderheit nicht gefällt, ist selbst diese Form durch die Versammlungsfreiheit des Grundgesetzes geschützt.“

Pallas: Kritik ist kein Generalverdacht

Das mit dem von Hartmann genannten „Generalverdacht“ sieht sein ebenfalls als Polizist ausgebildeter Kollege aus der SPD-Fraktion dann doch ein bisschen anders.

„Die Geschehnisse am Rande der Pegida-Demonstration am vergangenen Donnerstag sind längst noch nicht geklärt. Selbst die Chronologie der Ereignisse wurde im Innenausschuss noch nicht abschließend aufgearbeitet. Hinzu kommt angesichts von Anzeigen die juristische Klärung“, erklärt Albrecht Pallas, der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion. „Eines kann man aber jetzt schon sagen: Positionierungen für die eine oder andere Seite kurz nach dem Ereignis waren nicht nur wenig hilfreich, sondern falsch.“

Und das Agieren der Polizisten bei diesem Vorfall sieht er ganz und gar nicht als so korrekt an, wie Hartmann fand.

„Die Sensibilität für die Arbeit der Medien muss dringend geschärft werden. Zum Beispiel kann in Einsatzbefehlen zu Versammlungen oder Demonstrationen eindeutig beschrieben werden, dass Journalisten so geschützt werden müssen, dass sie ungehindert arbeiten können“, sagt Pallas. Das sei etwa in Nordrhein-Westfalen gängige Praxis. „Das wäre auch im Sinne der Polizistinnen und Polizisten, die einen harten und verantwortungsvollen Job haben und denen man nicht genug Wertschätzung entgegenbringen kann.“

Und dann wird er doch deutlicher in seiner Kritik am lernunwilligen Koalitionspartner: “Das ganze Geschehen einschließlich der Äußerungen nach den Ereignissen verdeutlicht das Problem, das wir in Sachsen haben: Es fehlt mitunter die Sensibilität für wichtige demokratische Errungenschaften wie die Pressefreiheit. Das zeigt auch die Tatsache, dass sich die Polizei hier nicht vor die Presse gestellt und Angriffe oder Anwürfe abgewehrt hat. Wenn man das kritisiert, ist das aber noch lange kein Generalverdacht.“

Und was dieser PEGIDA-freundliche LKA-Mitarbeiter abzog, ist eigentlich so neu nicht. Es verblüfft schon, dass die Polizisten vor Ort das nicht unterbanden. Genau an der Stelle haben sie nämlich schon nicht mehr korrekt gearbeitet.

Albrecht Pallas: „Gleichzeitig müssen wir der Tatsache ins Auge blicken, dass es eine neue Strategie der Rechten ist, durch gezielte Anzeigen bei Versammlungen Journalisten und Polizisten zu binden und dadurch das Geschehen zu verkomplizieren. Darauf müssen wir uns alle einstellen.“

Ein handfestes Problem mit Rechtsextremismus

Dass die Polizei sich nicht schützend vor das Kamerateam stellte, sondern sich zum Handlanger eines aggressiv auftretenden PEGIDA-Anhängers machen ließ, ist im Grunde symptomatisch für die Fehlentwicklungen in Sachsen, die sich mit immer neuen Sprüchen von „Wir sind stolz auf unsere Polizei“ nicht mehr kaschieren lassen.

Auf unsere Polizei können wir stolz sein, keine Frage. Aber wenn Polizisten nicht korrekt handeln, muss das benannt werden. Dann kann man das nicht wieder mit schönen Worten zukleistern.

Woran Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, erinnert: „Der Vorfall in Dresden zeigt erneut, dass Sachsen ein handfestes Problem mit Rechtsextremismus hat. Ministerpräsident Kretschmer muss jetzt drei Dinge tun: Erstens, sich für seine Unterstützung des unangemessenen Verhaltens der Polizei entschuldigen.

Zweitens, den Vorfall endlich zum Anlass nehmen, die Politik des Wegschauens und Bagatellisierens zu beenden – die nur der AfD nützt und die Demokratie in Sachsen schwächt und drittens die Unterwanderungsstrategie der Rechtsextremen bekämpfen und Verstrickungen zwischen Öffentlichem Dienst und rechtsextremen Gruppen und Parteien absolut konsequent aufklären. Die Landesregierung darf nicht untätig bleiben.“

Lippmann: Es kann nicht angehen, dass der Ministerpräsident an vorderster Front den Dolch gegen die Pressefreiheit in Sachsen führt

Und richtig sauer zeigte sich nach der Sitzung im Innenausschuss Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag: „Die heutige Sitzung des Innenausschusses hat eindeutig ergeben, dass es erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der polizeilichen Maßnahmen gegenüber den ZDF-Journalisten gibt. Es war unverhältnismäßig, diese festzuhalten und einer mehrfachen Personenfeststellung zu unterziehen, nachdem sich die Person (mit Hut), die sich beschwert hatte, schon längst der Situation durch Weggehen entzogen hatte. Die Polizei hat die Journalisten also ohne Grund festgehalten. Die mehrfache Personenfeststellung war eine Behinderung der journalistischen Arbeit, die in diesem Maße nicht hinnehmbar ist und die auf ein unverhältnismäßiges Handeln der Polizei zurückzuführen ist.“

Die Handlungsweise der Polizisten war also keinesfalls korrekt. Das lässt sich nicht mehr beschönigen.

„Es hat sich heute auch deutlich gezeigt, dass wir an vielen Stellen Nachbesserungsbedarf bei der polizeilichen Ausbildung haben“, sagt Lippmann. Obwohl es entsprechende Ausbildungseinheiten in der Polizeiausbildung gibt. Aber augenscheinlich wird das von einigen Polizisten nicht wirklich ernst genommen und dann, wenn sie tatsächlich im Sinne von Demokratie und Pressefreiheit handeln müssen, benehmen sie sich auf einmal eigenartig.

Was Lippmann noch vorsichtig umschreibt, wenn er sagt: „Dies zeigt sich auch an den Aufnahmen, in denen die Polizisten überfordert wirken und Entscheidungen getroffen haben, die wir nun hinterfragen müssen. Diese Ausbildungsmängel müssen dringend beseitigt werden. Wir brauchen eine konkrete Erlasslage, um sowas zukünftig zu verhindern. Wir brauchen eine bessere Ausbildung der Polizei im Umgang mit Medien bei Versammlungen. Wir Grüne werden das zum Thema in der nächsten Plenarsitzung machen.“

Aber er ärgerte sich eigentlich noch mehr über die Reaktionen der führenden CDU-Politiker auf den Vorfall.

„Darüber hinaus braucht es ein klares Bekenntnis zu Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit im Freistaat Sachsen. Es kann nicht angehen, dass der Ministerpräsident an vorderster Front den Dolch gegen die Pressefreiheit in Sachsen führt und von seinem Fraktionsvorsitzenden unterstützt wird, der gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk schießt. Solche Äußerungen sind eine Hypothek für den Freistaat und müssen in der Zukunft unterbleiben. Andernfalls redet man denjenigen das Wasser, die zum Angriff auf die Grundrechte blasen“, benennt Lippmann die ganz und gar nicht vorbildliche Rolle der beiden CDU-Spitzenkräfte.

„Wir haben in der sächsischen Polizei ein grundsätzliches Problem, was den Umgang mit eigenen Fehlern angeht. Wir haben keine ordentliche Fehlerkultur. Es passiert das, was wir auch im konkreten Fall gesehen haben: Es wird die Wagenburg gebaut. Es wird dicht gemacht. Es wird behauptet, es sei alles richtig gelaufen, obwohl halb Deutschland anhand der Videos sehen kann, dass es vielleicht nicht richtig gelaufen ist. Ich erwarte daher von einer Polizeiführung und auch von einem Innenminister, dass für eine ordentliche Fehlerkultur in der sächsischen Polizei gesorgt wird. Fehler müssen offen angesprochen, diskutiert und vor allem notwendige Konsequenzen daraus gezogen werden.“

Und ihn besorgt natürlich die Tatsache, dass hier ein gut bezahlter Staatsmitarbeiter ganz offen bei einer verfassungsfeindlichen Demonstration auftritt.

„Dass Auslöser dieser ganzen Affäre ein Mitarbeiter des LKA war, wirft die Frage auf, wie weit die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Polizei auf der Seite der Demokratie stehen“, fragt sich Lippmann. „Der Vorfall ist besorgniserregend und muss vom Innenminister ernst genommen werden. Es müssen alle möglichen Konsequenzen geprüft werden. Allerdings haben Beschäftigte des Freistaates, wie alle Bürgerinnen und Bürger, das Recht an Demonstrationen teilzunehmen. Deshalb warne ich auch davor zu glauben, man könne die politischen Aktivitäten von Beschäftigten beim Freistaat einschränken. Fraglich ist, inwieweit die Person Kontakt zur Freitaler Naziszene hat. Hier erwarte ich Aufklärung.“

Stange: Polizei hat gegenüber Journalisten unverhältnismäßig gehandelt

Und während Christian Hartmann nach der Sitzung von korrekt arbeitenden Polizisten sprach, nahm Enrico Stange auch aus den Ausführungen von Innenminister Roland Wöller (CDU) etwas anderes mit.

„Nach unserer Überzeugung auf Grundlage der bisher bekannt gewordenen Fakten hat sich die Polizei gegenüber den Journalisten vor Ort offenbar unverhältnismäßig verhalten. Es ist zudem befremdlich, dass sie das vom Fernsehteam angebotene Videomaterial als Beweismittel nicht angenommen hat“, erklärt Enrico Stange, der in der Linksfraktion innenpolitischer Sprecher ist.

„Nach der vorschnellen Urteilsverkündung des Ministerpräsidenten via Twitter schon am Wochenende, die er bis heute nicht widerrufen hat, dass einzig die Polizei ‚seriös‘ aufgetreten sei, ist eine unabhängige Untersuchung dieser schwerwiegenden Beeinträchtigung der Pressefreiheit durch sächsische Sicherheitsbehörden im Einflussbereich der Staatsregierung nicht mehr möglich. Dies gilt umso mehr, seit – noch erklärungsbedürftig verspätet – bekannt wurde, dass ein Beschäftigter des Landeskriminalamtes als Pegida-Pöbler dieses unsachgemäße Polizeigebaren provoziert hat.“

Also eigentlich Staatsdiener unter sich. Was die Blockierung der Arbeit des Fernsehteams erst recht fragwürdig macht. Aber Stanges Hinweis auf den Tweed von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) zeigt im Grunde das ganze Dilemma: Kritik an einzelnen Staatsbehörden fasst die CDU-Spitze immer wieder als generelle Kritik an ihrer Regierungsarbeit auf. Sie blockiert sofort jede Diskussion und sorgt dafür, dass tatsächliche Verfehlungen nicht wirklich aufgeklärt werden und Fehlentwicklungen damit auch nicht grundlegend korrigiert werden.

Wie aber will der MP überhaupt irgendwelche Aussagen über die Seriosität der Behörden treffen, wenn der Dienstherr selbst Korrekturen verhindert und die Dinge einfach laufen lässt? Denn der Rechtsdrall in Sachsen hat spätestens seit 1989 mit so einem Laufenlassen zu tun: kleinreden, ignorieren, beschönigen. Was sich einst als stattliches Wahlergebnis für die NPD niederschlug und mittlerweile in einer hohen Zustimmung für die AfD gerade in Ostsachsen.

„Nachdem der CDU-Fraktionsvorsitzende Kupfer mit seiner Facebook-Attacke wider die betroffenen Journalisten den Eindruck erweckt hat, gar die Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks faktisch von politischer Wohlgefälligkeit abhängig machen zu wollen, dürfte jedem klar sein: Hier geht es insgesamt um die Wirksamkeit der Grundrechte im Freistaat Sachsen“, sagt Enrico Stange. „Dazu müssen jetzt alle ihren Beitrag leisten – angefangen beim Ministerpräsidenten und dem Innenminister, die die Grundrechtstreue der gesamten sächsischen Polizei sicherzustellen haben.“

Wobei die Linksfraktion erst einmal nicht viel machen kann. Die Verantwortung liegt ja bei der Regierung. Stange: „Wir werden nach weiterer gründlicher Auswertung der Ausschuss-Beratung und zur weiteren Aufklärung die Ergebnisse der durch den Staatsminister angekündigten Reihe von internen Prüfungen des Sachverhalts abwarten und zugleich unsere Forderung nach unabhängiger externer Kontrolle und Überprüfung bekräftigen.“

Nachtrag 25. August:

Und die neueste Wendung: Dresdens Polizeipräsident entschuldigt sich beim Kamerateam

Nach der polizeilichen Maßnahme gegen ein Fernsehteam des ZDF-Magazins Frontal 21 im Rahmen der Pegida-Demonstration am 16. August vor dem Landtag haben sich die Dresdner Polizei und ihr Präsident Horst Kretzschmar am Freitag, 24. August, bei dem Sender und dem Team entschuldigt und eingeräumt, man habe das Fernsehteam viel zu lange festgehalten. Zudem solle die bisherige Darstellung korrigiert werden. So melden es Medien übereinstimmend.

Hier zum Beispiel „Die Zeit“.

Was für Enrico Stange, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, eine dicke Frage auf den Tisch bringt: Warum haben dann der Landespolizeipräsident und der Innenminister die Sache im Innenausschuss anders dargestellt?

„Erst gestern haben der sächsische Innenminister Roland Wöller und sein Landespolizeipräsident Jürgen Georgie den Innenausschuss des Sächsischen Landtags in einer mehr als 90-minütigen Information über den Sachverhalt und die Lesart der Regierung und der Polizei informiert. Wenn sich heute der Dresdner Polizeipräsident bei den betroffenen Journalisten tatsächlich entschuldigt, die polizeiliche Maßnahme als zu lange bezeichnet und eine Korrektur der bisherigen Darstellung in Aussicht gestellt hat, dann haben Innenminister und Landespolizeipräsident dem Innenausschuss gestern wohl eine kaum noch zu haltende, massiv von den Tatsachen abweichende Version aufgetischt“, sagt Stange.

„Ich fordere den Innenminister auf, umgehend öffentlich und gegenüber dem Innenausschuss nunmehr eine der Wahrheit entsprechende Erklärung der Vorgänge abzugeben und zugleich aufzuklären, weshalb die Polizei und die Staatsregierung in seiner Person den Innenausschuss und somit das Parlament offenbar dreist belogen haben. Es darf jetzt keine weiteren Vertuschungen geben, sondern nur noch wahrheitsgemäße und rückhaltlose Aufklärung! Es bestätigt sich, dass unsere Forderung nach unabhängiger Untersuchung durch eine externe Expertenkommission richtig war und ist.“

Mit ihren Wortmeldungen zum Dresdner Vorfall haben Kretschmer und Kupfer höchst dilettantisch agiert

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