Bundesweit orakeln ja die Parteien aus der Großen Koalition in Berlin, woran es liegt, dass sie bei Wahlen derart abgestraft werden. Auch in Sachsen geht ja das große Geheule um. Aber am Mittwoch, 17. Oktober, machte Sachsens Agrarminister Thomas Schmidt deutlich, warum das so ist. Und warum mit der CDU im jetzigen Zustand kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist. Ein exemplarisches Beispiel von So-tun-als-ob-Politik.

Als Sachsens Umweltminister bekommt Thomas Schmidt zwar nicht allzu viel auf die Reihe. Weder beim Umbau der Landwirtschaft, beim Auenschutz oder bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. Da ist der ausgebildete Diplom-Agraringenieur völlig überfordert.

Und deshalb weicht er – so wie die gesamte CDU – beim Thema Umwelt auf populistische Themen aus – der Wolf ist so ein populistisches Thema. Man kann es herrlich mit dramatischen Bildern gerissener Schafe anreichern. So wie zuletzt am 10. Oktober nach dem Wolfsriss in Förstgen, nach dem sofort wieder aus CDU-Kreisen die Forderung nach Wolfsabschuss laut wurde.

Tatsächlich hat die ostsächsische CDU daraus schon im September eine neue Kampagne gemacht. Sachsens CDU-Generalsekretär Alexander Dierks hatte die Pläne für diese Kampagne in der „Morgenpost“ bestätigt. Wer das Informationssystem des Landtags durchstöbert wird sehen, dass das ein Lieblingsthema der AfD ist, die bei Umwelt- und Herdenschutz zwar nicht mithalten kann, aber immer neue Anfragen zur Gefährlichkeit der Wölfe stellt.

Und wie bei so vielen Themen schwenkt auch hier die CDU ohne Nachdenken auf die AfD-Argumentation ein.

„Wer wie die CDU jetzt selbst AfD-Politik betreibt, bekämpft diese Partei nicht, sondern macht sie nur stärker. Die CDU sollte Lösungen für die Probleme der Weidetierhalter finden anstatt Märchen über den bösen Wolf zu erzählen. Es gibt bei uns keine vom Wolf ausgehende Gefahr für den Menschen“, benannte Wolfram Günther, Vorsitzender und umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag, das zugrunde liegende Problem.

„Sollte die CDU diese Kampagne starten, bricht sie aus einem breiten gesellschaftlichen Konsens aus, den wir in Sachsen mit dem Wolfsmanagementplan erarbeitet haben. Alle großen gesellschaftlichen Gruppen von Jägern bis Naturschutz haben sich auf diesen Konsens zum Wolf verständigt, der seitdem vorbildlich trägt. Wenn die CDU diese Kampagne zum Wolfsabschuss startet, wird überdeutlich, dass es ihr nicht um Lösungen, sondern um Stimmungsmache geht.“

Aber was macht der Agrarminister?

Am Freitag, 19. Oktober, will er im Bundesrat sprechen und einen gemeinsam mit Niedersachsen und Brandenburg formulierten zehn Punkte umfassenden Entschließungsantrag einbringen, der auf Änderungen beim Umgang mit dem Wolf gerichtet ist.

„Sachsen war das erste Bundesland, in dem Wölfe vor mehr als 20 Jahren wieder heimisch wurden, mittlerweile ist fast die Hälfte der Landesfläche dauerhaft mit Wölfen besiedelt“, erklärt der Minister und haut dann auf die ganz große Pauke: „Nahezu täglich müssen wir Meldungen über Wolfssichtungen in Ortschaften oder über gerissene Tiere zur Kenntnis nehmen – und das, obwohl Sachsen seine sowohl gewerblichen als auch Hobbyhalter von Nutztieren von Anfang an bei der Prävention gegen Wolfsangriffe berät und unterstützt.“

Die tägliche Sichtung mag stimmen. Aber das mit den gerissenen Tieren ist eine Übertreibung.

„Wir brauchen mehr Unterstützung vom Bund, gerade um bei Menschen in den betroffenen Regionen Akzeptanz für den Artenschutz zu finden. Auch wenn der Schutz des Wolfes ein wichtiges Anliegen ist, muss der Mensch auch weiter an erster Stelle stehen. Sicherheit geht vor Artenschutz“, griff Schmidt zu einer ganz großen Floskel. „Sachsen bringt diesen Antrag gemeinsam mit Niedersachsen und Brandenburg ein. Das zeigt, dass hier nicht nur länder- sondern auch parteiübergreifend Änderungen beim Umgang mit dem Wolf für erforderlich gehalten werden.“

Im Bundesrat fordern die drei Länder nichts Geringeres als eine Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes, um die vorhandenen Spielräume, die das europäische Recht bietet, auch in Deutschland zu nutzen.

Womit er schon einmal überleitet zu einem Bild von Wolfsschutz, bei dem quasi eine Populationsgrenze definiert wird, ab der geschossen werden darf. Oder im Text der Pressemitteilung:

„Darüber hinaus müsse mit Blick auf die sich dynamisch entwickelnde Wolfspopulation der sogenannte Erhaltungszustand der mitteleuropäischen Flachlandpopulation jährlich neu bewertet werden. Dazu gehöre ein gemeinsames Monitoring nach gleichen Verfahren gemeinsam mit Polen. Das Erreichen eines günstigen Erhaltungszustandes, also einer Zahl von Tieren, die erwarten lässt, dass die Population in den nächsten einhundert Jahren nicht ausstirbt, ist auch Voraussetzung dafür, den strengen Schutzstatus für den Wolf zu lockern.“

Das ist wieder das alte Jägerdenken. Man will den hohen Schutzstatus lockern, um Wölfe schießen zu dürfen.

Viel wichtiger ist der andere Teil des Antrags: eine noch bessere Unterstützung der Nutztierhalter beim Schutz ihrer Tiere vor Wolfsangriffen.

„Hier sind die Grenzen, die uns beihilferechtliche Regelungen der EU setzen, längst ausgereizt. Allerdings reicht es nicht, den Nutztierhaltern 80 Prozent der Anschaffungskosten für Elektrozäune oder Herdenschutzhunde zu ersetzen. Auch der Arbeitsaufwand und die laufenden Kosten für die Haltung der Hunde sollten erstattet werden können. Darauf muss der Bund bei der EU hinwirken“, meinte Schmidt noch.

Und das Ganze liest sich dann so, als müsste Sachsen den Antrag einfach nur vorlesen, und dann springen die anderen und schon bald dürfte nicht nur illegal auf sächsische Wölfe geschossen werden (was einige besonders verbissene Wolfsjäger schon lange tun), sondern quasi in gesetzlich verbrieften Wolfsjagden.

„Der Umweltminister erweckt den falschen Eindruck, er würde im Bundesrat jegliche Probleme der Schafhalter lösen wollen. Dem Bundesrat liegt jedoch nur ein Entschließungsantrag vor, der lediglich die Meinung der Sächsischen Staatsregierung und der Länder Niedersachsen und Brandenburg zum Ausdruck bringt.

Selbst mit der Beschlussfassung dieses Antrags im Bundesrat passiert noch rein gar nichts. Mit diesem Antrag wird kein einziges Problem der Schafhalter gelöst. Stattdessen verunsichert die CDU die Bevölkerung weiter“, kommentiert Wolfram Günther dieses schöne Beispiel sächsischer Placebo-Politik.

Fast alle Meldungen der Staatsregierung zu ihren Aktionen im Bundesrat sind solche Show-Politik, die den Wählern suggerieren soll, Sachsen habe eine besondere Position und die Staatsregierung würde kraft kräftiger Worte dort irgendetwas Spürbares erreichen. Gar eine Änderung der Wolfspolitik – gegen den geltenden europäischen Schutzstatus.

„Es gibt Handlungsbedarf bei Problemwölfen“, gesteht Wolfram Günther zu. „Ich warne allerdings vor einer populistischen Überdramatisierung der Lage. Im Jahr 2015 wurden mindestens 69.300 Schafe in Sachsen gehalten. Die aktuellen Riss- und Verlustzahlen von etwas über 200 Schafen wirkt dagegen eher gering.

Sachsen sollte stolz sein, mit dem Wolfsmanagementplan einen breiten gesellschaftlichen Konsens zum Wolf erreicht zu haben. Dass gerade die CDU diesen Konsens von Jägern bis Naturschutz jetzt aufbrechen will, ist allein mit dem heraufziehenden Landtagswahlkampf zu erklären.“

Die Handlungsmöglichkeiten der Staatsregierung sind – anders als Schmidt erklärt – aber trotzdem noch nicht ausgereizt. Dazu hätten die Grünen selbst Vorschläge gemacht, wie der Umgang mit dem Wolf geregelt werden könne, betont Günther.

„Mit einer sächsischen Wolfsverordnung könnte der Umweltminister den Umgang mit Wölfen im Freistaat zeitnah und rechtssicher klären. Zudem haben wir mit unserem Antrag zur Rettung der Weidetierhaltung dargelegt, was getan werden muss, damit die Schafhaltung in Sachsen nicht weiter den sprichwörtlichen Bach runtergeht“, sagt der Landtagsabgeordnete, der dem Minister freilich auch blanken Populismus attestiert.

„Wie kommt er zu der Einschätzung, fast die Hälfte Sachsens wäre von Wölfen besiedelt? Harmlose Normalitäten wie Wolfssichtungen bläst er zum Skandal auf. Der Wolf ist seiner Natur nach ein scheues Tier. Die CDU sollte aufhören, immer neue Märchen über den bösen Wolf zu erzählen.“

Der Wolf im Fadenkreuz der sächsischen CDU

Der Wolf im Fadenkreuz der sächsischen CDU

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