Wir leben in einer Welt, in der immer mehr Brachen monopolisiert werden und riesige Fonds bestimmen, welche Regeln gelten. Bis in die Politik hinein. Und wenn dann die Grünen im Bundestag mal fragen, was das für Folgen für die kleineren Bauernhöfe etwa in Sachsen hat, reagiert der sächsische Agrarminister – scharf. Eine Emotion, die zeigt, dass die Anfrage eine ganz wunde Stelle erwischt hat. Und einen überforderten Minister.

Staatsminister Thomas Schmidt wies am Mittwoch, 7. November, gleich mal mit offizieller Pressemitteilung die Behauptungen des Bundestagsabgeordneten Stephan Kühn in Bezug auf die Kleine Anfrage an die Bundesregierung „Höfesterben in Sachsen“ (Drs. 19/5257) und die anschließende Medienberichterstattung seit dem 5. November 2018 zurück.

„Die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Sachsen ist seit Jahren stabil – auch die der kleinen Betriebe. Einem Rückgang in den vergangenen 13 Jahren um 1.700 Betriebe muss ich deutlich widersprechen“, sagte Landwirtschaftsminister Schmidt. „Leider wurde der Hinweis der Bundesregierung, dass die Zahlen vor und nach dem Jahr 2010 nicht miteinander vergleichbar sind, vollkommen ignoriert, um eigene Vorurteile und Klischees bedienen zu können.“

Dargestellt seien in der Beantwortung der Kleinen Anfrage Zahlen zur Entwicklung der Landwirtschaft in Sachsen vom Jahr 1999 bis 2016. Die Werte aus dem Jahr 2016 sind mit denen aus dem Jahr 2003 allerdings nicht uneingeschränkt vergleichbar, wie die Bundesregierung bereits auf der zweiten Seite ihrer Antwort herausstellt.

Dort heißt es: „Aufgrund der Anhebung der unteren Erfassungsgrenzen ab dem Jahr 2010 hat sich die Zahl der erfassten landwirtschaftlichen Betriebe deutlich verringert. Die Ergebnisse für die Jahre 2010 und 2016 sind daher mit denen für frühere Jahre nur eingeschränkt vergleichbar.“

Wurden früher beispielsweise alle Betriebe größer zwei Hektar erfasst, so sind es seit dem Jahr 2010 nur noch Betriebe größer fünf Hektar.

„Der dargestellte drastische Rückgang der Betriebszahl in Sachsen ist also im Wesentlichen auf einen statistischen Effekt zurückzuführen – das blieb leider unerwähnt, sodass sich ein falsches Bild in der Wertung ergibt“, so Staatsminister Schmidt. Werden dagegen auch für das Jahr 2003 die unteren Erfassungsgrenzen angesetzt, die im Jahr 2010 galten (fünf Hektar), ergibt sich sogar ein Anstieg um über 130 Betriebe insgesamt (2003 rund 6.350 Betriebe in Sachsen; 2016 etwa 6.485 Betriebe).

Auch die Forderung nach einer bevorzugteren Förderung kleinerer Betriebe sei in diesem Zusammenhang nicht sachgemäß, denn dies erfolge bereits. Auf die ersten 30 Hektar erhalten Landwirte eine erhöhte Förderung von 50 Euro pro Hektar und auf die folgenden 16 Hektar zusätzlich 30 Euro pro Hektar.

„Wenn kleinere Betriebe heute aufgeben, liegt das eher an den ständig steigenden Umweltauflagen, die von den Grünen in noch viel stärkerem Maße gefordert werden. Dies können gerade kleine Bauern nicht mehr schultern und verzweifeln an immer höheren Lasten“, sagte der Landwirtschaftsminister.

„Glauben Sie wirklich, dass ein Nebenerwerbslandwirt mit fünf Hektar unter diesen Voraussetzungen weitermacht, nur weil er einmal im Jahr wenige Euro zusätzlich vom Staat bekommt? Wir müssen bei dem Abbau der Bürokratie ansetzen und nicht weitere Mittel für die ersten Hektare umverteilen! Dort würde ich mir die Unterstützung der Grünen wünschen. Das Gegenteil ist der Fall.“

Die sächsische Landwirtschaft zeichne sich durch strukturelle Vielfalt aus, betonte das Ministerium. Hier wirtschaften Neben- und Haupterwerbsbetriebe sowie juristische Personen, Ackerbau- und Grünlandbetriebe, Unternehmen mit extensiver Tierhaltung und Tierhaltung in großen Ställen.

„Wichtig ist, dass die Wertschöpfung in Sachsen bleibt. Kleine und große Betriebe leisten dazu einen wesentlichen Beitrag und werden vom Freistaat unterstützt. Bei den Diskussionen zur Gemeinsamen Agrarpolitik der EU nach dem Jahr 2020 werden wir uns weiterhin vehement für den Bürokratieabbau einsetzen, unser ‚ELER-Reset‘ darf jetzt nicht auf halber Strecke stehen bleiben. Aber auch hierbei gibt es keine Unterstützung von Leuten, die gleichzeitig ein Höfesterben beklagen“, sagte Staatsminister Schmidt noch.

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Postwendend reagiert auch Stephan Kühn.

Für ihn ist die Reaktion von Minister Schmidt ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver.

„Getroffene Hunde bellen. Dass Minister Schmidt die Zahlen der Bundesregierung nicht schmecken überrascht kaum“, betonte Stephan Kühn, sächsischer Bundestagsabgeordneter für Bündnis 90/Die Grünen. „Belegen doch die Zahlen der Bundesregierung das Versagen der sächsischen Landwirtschaftspolitik in den letzten Jahren. In Sachsen hat sich die industrielle Tierhaltung seit 2010 massiv ausgeweitet und kleine Bauern haben es neben den riesigen Agrarbetrieben immer schwerer.

Der Versuch, das mit statistischen Effekten geradezurücken, ist durchschaubar. Minister Schmidt beschwert sich über die Bürokratie, die sächsische Landwirte zur Aufgabe ihrer Betriebe zwänge, als ob die CDU seit 28 Jahren keine politische Verantwortung tragen würde. Das Ganze ist nicht mehr als ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver.“

Kleines Fazit:

Sachsens Agrarminister sieht den Hauptgrund für das Verschwinden der ganz kleinen Höfe darin, dass vor allem solche im Nebenerwerb aufgegeben werden. Diese tragen in der Regel schon nicht den Lebensunterhalt der Besitzer, die meist in anderen Berufen ihre Haupteinnahmequelle haben.

Stephan Kühn hingegen sieht, wie in Sachsen immer mehr Großbetriebe das Bild bestimmen, die – hochtechnisiert – immer weniger Beschäftigte haben. Mit bedenklichen Folgen wie das Wachstum der Massentierhaltung.

Der Minister meint, die Bürokratie mache den kleinen Bauern besonders zu schaffen. Und Kühn fragt wohl nicht ganz zu Unrecht, wer für diese Bürokratie eigentlich zuständig ist. Vielleicht doch der Minister, der lieber verwaltet?

Seit 2003 hat sich die Zahl der kleinen Bauernhöfe in Sachsen halbiert

Seit 2003 hat sich die Zahl der kleinen Bauernhöfe in Sachsen halbiert

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