Im Herbst durften die sächsischen Landtagsabgeordneten noch einmal träumen, was mit dem Geld alles gemacht werden könnte, das jetzt aus dem sächsischen Drama um die gestrauchelte Landesbank übrig bleiben wird. 1,87 Milliarden Euro hat dieses Pokerspiel mit freundlicher Genehmigung der damaligen Staatsregierung am Ende gekostet. Das sind eine verdammte Menge Kindertagesstättenplätze, um mal einen Leipziger Linke-Stadtrat zu zitieren.

Dass es nicht mehr wurden, hat mit der Arbeit der baden-württembergischen LBBW zu tun, die eben nicht nur die einstige Sächsische Landesbank übernahm, sondern auch den übrig gebliebenen Risikofonds verwaltete und nach und nach abwickelte. Was sich verkaufen ließ, wurde verkauft. Wo die Papiere platzten, bekam Sachsens Finanzminister eine Rechnung, über deren Begleichung er dann vierteljährlich berichtete.

2017 war es so weit, dass auch die Verwalter des Sealink Fund einschätzten, dass man den Rest im Portfolio komplett verkaufen und die Auffanggesellschaft auflösen konnte. Das ist dann auch 2018 geschehen, sodass im Herbst die ersten Zahlen genannt wurden, was die Sachsen jetzt nicht mehr zahlen mussten. Für 2,75 Milliarden Euro waren sie ja in Garantie gegangen.

Jetzt blieb tatsächlich noch was übrig. Und eigentlich erwarteten zumindest die Fraktionen der Landtagsopposition, dass über die Verwendung dieser Gelder noch einmal öffentlich debattiert würde. Aber das ist in Sachsen so nicht üblich. Auch daran waren sie ja schon gewöhnt. Jahr für Jahr stellen Sachsens Finanzminister ja verwundert fest, dass sie immer so um die 500 Millionen Euro mehr an Steuereinnahmen verbuchen konnten, als zuvor im Haushalt geplant. Normalerweise legt man das dann dem Landtag vor, damit der darüber entscheidet, wohin dieses Geld fließen soll. Denn die Haushaltshoheit liegt in Deutschland eigentlich bei den Parlamenten.

In Sachsen läuft das ein bisschen anders. Da entscheiden die Finanzminister relativ eigenständig, wohin das Geld kommt, verkünden das auch gern gleich der Öffentlichkeit. Vielleicht gibt’s vorher auch schon eine kleine Kabinettsrunde, in der der Finanzminister sich das O.K. der Kabinettskollegen abholt. Im Oktober verkündete Finanzminister Matthias Haß (CDU) dann schon mal, dass die rund 1 Milliarde Euro, die übrig bleiben würde, für Zukunftsinvestitionen und zur Haushaltsvorsorge vorgesehen sei.

Am 30. Januar beschloss dann der Landtag tatsächlich, 365 Millionen Euro aus dem Garantiefonds für das Zukunftssicherungsprogramm (also Schulen, Straßen und ländliche Räume) zu nutzen.

In einer Landtagsvorlage hat jetzt das Finanzministerium noch einmal abgerechnet, was vom Garantiefonds geblieben ist. In der Vorlage heißt es: „Der im September 2017 begonnene vorzeitige Verkauf des ehemaligen Sachsen-LB-Portfolios wurde im Oktober 2018 abgeschlossen. In Vorbereitung der Liquidation der Zweckgesellschaft Sealink Funding DAC konnte der Freistaat Ansprüche auf sogenannte Nacherlöse in Summe von rund 170,6 Mio. Euro geltend machen. Im vierten Quartal 2018 wurden aus dem Garantiefonds nach § 3 Abs. 3 SächsGaFoG 965 Mio. Euro für Zukunftsinvestitionen und zur Haushaltsvorsorge entnommen. Im Garantiefonds verbleiben damit rund 71 Mio. Euro. Die verbleibenden Garantiefondsmittel sind für die Erfüllung aller etwaigen Verpflichtungen des Garantiefonds zurückzustellen.“

Rund 600 Millionen Euro stecken also noch in der Haushaltssicherung, verwendbar für den Fall, dass noch ein paar offene Rechnungen zu begleichen sind.

Der Verweis auf das SächsGaFoG klingt so, als wäre der Vorgang dort genauso geregelt. Aber eigentlich regelt der das so nicht, sondern gibt nur einen Rahmen vor: „Der Fonds kann unbeschadet der in § 8 Satz 3 vorgesehenen Rückführung vorab Rückführungen an den Staatshaushalt leisten, soweit dadurch die Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen des Fonds nicht gefährdet wird.“

Hier steht also „Rückführungen an den Staatshaushalt“. Und damit eigentlich in die Entscheidungshoheit des Landtages, der sehr wohl darüber hätte diskutieren können, was mit den 965 Millionen Euro hätte passieren können oder sollen. Baustellen gibt es genug im Land. Und zumindest ein paar Landtagsabgeordnete werden sich noch daran erinnern, dass dieses Geld dem Haushalt immer schmerzlich gefehlt hat. Denn dass es heute in Sachsen so einen immensen Stau bei Schulen, bei Radwegen, Straßen oder Hochschulbauten gibt, hat auch mit diesen abgezweigten 2,75 Milliarden Euro zu tun.

Die neue Leipziger Zeitung Nr. 63: Protest, Vertrauen und eine gute Frage

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