Wenn stimmt, was Sachsens Innenminister jetzt auf eine Anfrage von Wolfram Günther, Fraktionschef der Grünen im Landtag, mitteilt, dann gräbt sich Leipzig gerade in der Wohnungspolitik selbst das Wasser ab, indem die Stadtverwaltung – ohne nachvollziehbaren Grund – die Bedarfsanmeldung für neue Sozialwohnungen senkt. Und das mitten in einer Situation, in der immer mehr Leipziger verzweifelt nach einer bezahlbaren Wohnung suchen.

Im Dezember hatte Wolfram Günther die Zahlen für das Jahr 2017 bekommen. Danach bezifferte Leipzig den Bedarf an neuen Sozialwohnungen mit 10.400 bis zum Jahr 2025. Was eh schon weniger war als das, was Dresden mit einem deutlich geringeren Bevölkerungswachstum gemeldet hatte: 12.500.

Und dazu kam, dass Dresden noch über 10.000 Wohnungen mit Belegungsrechten verfügte, Leipzig gerade mal über 300. Daran hat sich ja nicht viel geändert. Und trotzdem senkte Leipzig in seiner Meldung ans Innenministerium den Bedarf jetzt auf 4.437. Und da auch Dresden und Chemnitz ihre Bedarfe senkten, ergibt sich ein Bild, das Günther ziemlich verwundert.

Laut Aussagen der Staatsregierung ist der Bedarf an Sozialwohnungen in Sachsen binnen eines Jahres um 10.000 auf knapp 15.000 Wohnungen gesunken. So geht es aus der Antwort von Innenminister Prof. Roland Wöller (CDU) auf eine Kleine Anfrage von Wolfram Günther hervor.

„Mir ist diese Veränderung unerklärlich. Am Neubau von Sozialwohnungen kann es nicht gelegen haben“, kritisiert Wolfram Günther. „Doch der Bedarf an Sozialwohnungen – unabhängig davon, welche Zahlen zugrunde gelegt werden – bleibt in Dresden und Leipzig immens hoch. Es gibt keinen Grund, die Hände in den Schoß zu legen.“

Laut Antwort des Ministers wird der Bedarf an Sozialwohnungen Ende 2018 in Leipzig mit 4.437 angegeben (31.12.17: 10.400). In Dresden soll der Bedarf im gleichen Zeitraum von 12.500 auf 10.000 gesunken sein. Die Stadt Chemnitz gibt den Bedarf nunmehr mit null an (31.12.17: 1.530).

Reagiert die Stadt damit auf die Verweigerungshaltung der Regierung, die nur bereit ist, 40 Millionen Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen, obwohl eher 200 Millionen gebraucht werden? Die 40 Millionen werden ja anteilig auf die Großstädte verteilt und reichen in Leipzig in etwa für 500 bis 600 neue Wohnungen mit Mietpreisbindung aus. Was erstaunlicherweise den gemeldeten 4.437 Wohnungen nahekommt. Auch wenn viele Leipziger mit ihren kargen Einkommen die dann zu zahlenden 6,50 Euro je Quadratmeter auch nur schwer bezahlen können.

„Die von den Städten eingeforderten Sozialwohnungen können nur gebaut werden, wenn die Staatsregierung endlich eine strategische Wohnungspolitik betreibt“, erklärt Wolfram Günther. „In Leipzig und Dresden sind die steigenden Mieten ein enormes Problem. Innenminister Wöller muss eine Politik betreiben, die den Mietanstieg in den wachsenden Großstädten abbremst. Die Mietenfrage ist die soziale Frage in den Großstädten.“

Die Grüne Landtagsfraktion hatte in den Verhandlungen für den Doppelhaushalt 2019/2020 beantragt, 200 Millionen Euro Landesmittel pro Jahr für die Förderung von sozialem Wohnungsbau bereitzustellen. Damit hätten etwa 5.000 Wohnungen im Jahr gefördert werden können. Aber Sachsen hält die Gelder knapp, weil die entscheidenden Minister der festen Überzeugung sind, so könne man die Abwanderungsbewegung im Freistaat im Griff behalten und die Menschen, die der Arbeit hinterher in die Großstädte ziehen, dazu bringen, doch lieber in den Landkreisen eine Wohnung zu suchen, um den dortigen Wohnungsleerstand zu mindern.

In Leipzig gibt es praktisch kaum noch eine Wohnungsmarktreserve. Die Wohnungssuchenden geraten damit tatsächlich unter Druck, entweder viel zu teure Wohnungen zu mieten oder ins Umland auszuweichen.

„Die CDU/SPD-Koalition in Sachsen sollte die Großstädte beim Bau von Sozialwohnungen weit stärker unterstützen als bisher geplant. Das Geld, das Sachsen vom Bund ausdrücklich für den sozialen Wohnungsbau erhält, darf nicht länger etwa für die Förderung von Eigenheimen auf der grünen Wiese zweckentfremdet werden“, stellt Wolfram Günther fest.

„Es braucht eine deutlich höhere Förderung für den Bau von Sozialwohnungen als die von der Koalition vorgesehenen 40 Millionen Euro für das Jahr 2019 und die 50 Millionen Euro für 2020. Zudem sollten dafür auch geeignete Grundstücke aus Landesbesitz zur Verfügung gestellt werden. Die soziale Spaltung in den Großstädten darf sich nicht weiter verschärfen.“

Per Jahresende 2018 gab es sachsenweit 11.769 Wohnungen mit Mietpreisbindung. Das sind 122 weniger als im Jahr zuvor. Allein 10.177 der sächsischen Sozialwohnungen befinden sich in Dresden. In Leipzig ist der Bestand dagegen auf 305 Wohnungen gesunken, in Chemnitz sind rund 100 Wohnungen hinzugekommen, sodass dort 236 Wohnungen zur Verfügung stehen.

Ein Grund für die deutlich gesenkte Leipziger Zahl könnte das sich abschwächende Bevölkerungswachstum sein. Die Zeiten, dass 10.000 bis 16.000 Einwohner pro Jahr dazukommen, sind erst einmal vorbei. Der Zuwachs scheint sich eher bei 6.000 Menschen einzupendeln. Was dann eher 3.000 statt 6.000 neuer Wohnungen pro Jahr entspräche. Leipzigs Verwaltung hat sich ja bekanntlich darauf festgelegt, dass davon 30 Prozent sozialer Wohnungsbau sein sollen, was immer noch 1.000 Wohnungen in diesem Segment wären. Mit der gemeldeten Zahl bekommt aber Leipzig nur 600 neue Sozialwohnungen pro Jahr.

Es könnte sich als fatal erweisen, dass Leipzig versucht, den Bedarf mit einer 30-Prozent-Quote zu beschreiben, ohne die tatsächliche Nachfrage zu ermitteln.

Allein in Leipzig fehlen über 10.000 Sozialwohnungen und 40 Millionen Euro sind viel zu wenig

Allein in Leipzig fehlen über 10.000 Sozialwohnungen und 40 Millionen Euro sind viel zu wenig

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Es gibt 4 Kommentare

Allerdings ist es auch nicht gut, wenn durch das privat getriggerte Anziehen der Mieten jene Preisspirale durch die Stadt bedient bzw. unterstützt wird; die Lösung kann nur sein, ausreichend Sozialwohnungen zu haben, um die Mieten im Zaum zu halten. Im Interesse aller Bürger.

Wenn man weiß, dass die Stadtverwaltung diejenige ist, welche die “angemessenen” Kosten der Unterkunft in der Höhe festlegt, wenn man weiß, dass diese Mietgrenzen nicht nur für Kunden des Jobcenter, sondern eben auch für die steil steigende Zahl an Grundsicherungsempfängern gilt, dann kommt einem schon der Kaffee hoch. Wenn man nun von immer mehr wohnungsuchenden ALG2-Empfängern hört, dass ihnen vom Jobcenter gesagt wird, sie bekommen die Umzugskosten und einen kleinen Bonus wenn sie aus Leipzig wegziehen, dann schwant einem doch, wohin die Reise geht. Sozialausgaben senken, indem man die Bedürftigen einfach woandershin exportiert.

* Fakt ist, will man sich als Leipziger in Leipzig verändern, bekommt man die neue Wohnung nicht mehr zu den Preisen, wie man evtl. die vorherige mieten konnte. Da dürfte eine Stange obendrauf kommen. Da ist auch ein Bedarf innerhalb der Stadt, der bezahlbar sein sollte.

* Man will also das “Wohnungsloch”, was bereits besteht (!), strecken? Der Bedarf kann gern reduziert werden, wenn ausreichend Reserve vorhanden und somit auch wieder ein fairer Mietpreis etabliert ist.

* Wenn ich 200Mio höre, denke ich sogleich an die SAB, die in Leipzig für inzwischen nur maximal 158 Mio Euro gebaut wird.
Diese Verhältnismäßigkeit sprengt jeglichen gesunden Menschenverstand, der das versucht zu begreifen oder zu vergleichen.

“Und das mitten in einer Situation, in der immer mehr Leipziger verzweifelt nach einer bezahlbaren Wohnung suchen.”
Tatsächlich? Immer mehr Leipziger?
Sind es, bei steigenden Einwohnerzahlen die ihren Ursprung nicht in kohärent steigenden Geburtenzahlen haben, nicht vielmehr Leute, die nach Leipzig ziehen wollen? Aus Gegenden, in denen dann Wohnungen leer stehen? Die dann abgerissen werden sollen? Mit Steuermitteln?

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