Der sächsische Verfassungsschutz steht aktuell in der Kritik, weil er nach Darstellung einiger Medien und Politiker das „Wir sind mehr“-Konzert im vergangenen September in Chemnitz als „linksextremistisch“ bezeichnet haben soll. Die Behörde bekräftigt nun, was eigentlich schon im Bericht für 2018 zu lesen war: Lediglich einige Besucher seien „linksextremistisch“ gewesen. Mitglieder der Landesregierung lobten das Konzert.

Der sächsische Verfassungsschutz sorgt mit seinem Jahresbericht für 2018 für Diskussionen. Erneut stuft er Pegida und andere völkische Organisationen nicht als „extremistisch“ ein – linke Bands wie beispielsweise „Feine Sahne Fischfilet“ hingegen schon. Zudem sorgt er mit Einschätzungen wie jener, dass Antifaschismus destruktiv sei, oder der besonderen Erwähnung von Parolen wie „Nazis raus“ für viel Unmut.

Besondere Aufmerksamkeit erhielt der Bericht überregional vor allem dadurch, dass der Verfassungsschutz das Konzert „Wir sind mehr“ im Abschnitt zu „Linksextremismus“ erwähnt. Am 3. September 2018 hatten mehrere zehntausend Menschen in Chemnitz bei einem antirassistischen Konzert gefeiert – eine Reaktion auf die rechtsradikalen Ausschreitungen in den Tagen davor.

Aus Sicht des Verfassungsschutzes ist jenes Konzert ein Beispiel dafür, wie „linksextremistische Musikgruppen“ akzeptiert würden und auf „Nichtextremisten“ einwirken könnten. Auch antifaschistische Parolen und Fahnen problematisiert der Verfassungsschutz.

Falsche Vorwürfe gegen den Verfassungsschutz

Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Neben den Parteien in Sachsen meldete sich beispielsweise auch die Parteispitze der Linken um Katja Kipping und Bernd Riexinger zu Wort. Auch Organisationen wie Amnesty International, die Amadeu-Antonio-Stiftung und die Organisatoren der „unteilbar“-Demonstrationen äußerten sich kritisch.

Häufig war dabei zu lesen, dass der sächsische Verfassungsschutz das Konzert beziehungsweise dessen Besucher als „linksextremistisch“ einstufe. Das ist allerdings nicht der Fall. Im Bericht für 2018 heißt es explizit, dass es sich um eine „nichtextremistische Veranstaltung“ mit „ganz überwiegend nichtextremistischen Zuschauern“ gehandelt habe.

Am Mittwoch, den 15. Mai, sah sich der Verfassungsschutz sogar zu einer Richtigstellung gezwungen. In einer Pressemitteilung wies er auf die entsprechenden Passagen im Bericht hin und ergänzte: „Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es gerade, über das Bestreben von Extremisten zu berichten, in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen und dort für Akzeptanz und Toleranz der eigenen menschenfeindlichen Ideologie zu werben.“

Lob für das Konzert aus der CDU

Auch Innenminister Roland Wöller (CDU) äußerte, dass Konzert und Besucher nicht „linksextremistisch“ seien. „Es war wichtig, ein klares Zeichen gegen Rechtsextremismus in Chemnitz, in Sachsen, wie insgesamt in Deutschland zu setzen. Ich danke den vielen Tausend Besuchern, die an diesem Tag in Chemnitz Haltung gezeigt haben.“

Ähnlich formulierte es Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU): „65.000 Besucher haben ‚Wir sind mehr‘ besucht. Ich war und bin beeindruckt und voller Anerkennung für diese Initiative. Die fünf Zeilen im Verfassungsschutzbericht bewerten weder Veranstaltung noch Veranstalter.“

Das Rechts-Links-Klippklapp macht Sachsens Regierung blind für den Rechtsextremismus

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