Der Sächsische Landtag wird in seiner letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause am heutigen Dienstag, 2. Juli, über einen Gesetzentwurf der Grünen zur Begrenzung des Flächenverbrauchs im Freistaat Sachsen abstimmen. Eigentlich müsste ein Land, das so schrumpft, nicht immer mehr wertvolle Böden verbauen. Aber der neue Bauplatz wird meist an einer anderen Stelle gebraucht als dort, wo man eigentlich alte Versiegelungen beseitigen kann.

„Derzeit werden jeden Tag 4,3 Hektar – so viel wie sechs Bundesliga-Fußballfelder – in Sachsen versiegelt. Das kann so nicht dauerhaft weitergehen“, kommentiert Wolfram Günther, Vorsitzender der Grünen-Fraktion, eine Entwicklung, die längst hätte gestoppt werden können. „Deshalb haben wir einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem der Flächenfraß im Freistaat eingedämmt werden soll. Wir wollen den Flächenverbrauch stufenweise reduzieren. Bis zum Jahr 2025 wollen wir die Netto-Null beim Flächenverbrauch in Sachsen erreichen.“

Der Grünen-Gesetzantrag führt die harten Zahlen zum Thema an: „Allein im Zeitraum von 2005 bis 2015 ist die erfasste Siedlungs- und Verkehrsfläche um ca. 30.000 Hektar angewachsen. Dies entsprach ca. 8 Hektar pro Tag neu erfasste Siedlungs- und Verkehrsfläche. Die Flächeninanspruchnahme hat sich in Sachsen deutlich von der demografischen Entwicklung entkoppelt bzw. verläuft gegenläufig. Zwischen 2005 und 2015 ist die Einwohnerzahl in Sachsen um ca. 220.000 Einwohner (-5,4 Prozent) gesunken. Die aktuellsten Zahlen auf den Seiten des sächsischen Umweltministeriums geben für das Jahr 2015 noch eine tägliche Flächeninanspruchnahme von über 9 Hektar an. Aktuellere Zahlen sind auf den Portalen der Staatsregierung nicht zu finden.“

Aber es bleibt das Problem: In vielen ländlichen Regionen schrumpfen die Gemeinden, die Bewohner ziehen fort. Alte Industrie- und Gewerbegebiete könnten zurückgebaut werden. Dafür wachsen Großstädte wie Leipzig und Dresden und müssen immer wieder neue Baugebiete ausweisen.

Ein Dilemma. Aber eins, das sich lösen ließe, finden die Grünen.

Damit die Städte und Gemeinden weiterhin eine dynamische Ortsentwicklung steuern können, schlägt die Grünen-Fraktion ein Flächenzertifikatesystem vor.

„Unter den Fachleuten herrscht Einigkeit, dass der Flächenfraß nur gemeinsam mit den Kommunen eingedämmt werden kann. Die Städte und Gemeinden erhalten durch das Gesetz endlich wirkungsvolle Instrumente für die Innenentwicklung ihrer Orte. Zudem brauchen die Kommunen eine kontinuierliche und strategische Beratung beim Flächenmanagement“, betont Günther.

Die Grünen-Fraktion hatte für die Jahre 2019/2020 schon einen Haushaltsantrag „Landesprogramm Steuerung Umgang mit Leerstand und Brachen“ eingebracht. Darin sollte der Freistaat nach dem Vorbild anderer Bundesländer wie Baden-Württemberg eine strategische Beratung für Kommunen zur Innenentwicklung für Brachen, Leerstand und Denkmale einrichten und so das aktive Flächenmanagement der Kommunen unterstützen. So könnten innovative Konzepte und städtebauliche Entwicklungen über einen längeren Zeitraum unterstützt werden und so eine aktive Innenentwicklung und kompakte Siedlungsmuster mit lebendigen Ortskernen und urbanen Stadtvierteln dauerhaft gestärkt werden.

Wobei es nicht nur um die kompakte (Groß-)Stadt geht, sondern auch um die riesigen Straßenneubauprogramme der Staatsregierung in der Vergangenheit, etliche dieser Großprojekte wurden ja immer wieder neu im Bundesverkehrswegeplan angemeldet – mit Zuwachszahlen im Verkehr, die aus uralten Prognosen stammten. Nicht zu vergessen die Baudummheiten der frühen 1990er Jahre: „Die Verödung von Ortskernen durch Verlagerung von Gewerbegebieten auf die ,Grüne Wiese‘, die damit einhergehende städtebauliche Entwertung, mehr Autoverkehr und weniger Lebensqualität stellen negative Begleiterscheinungen dar. Der Flächenverbrauch verursacht zudem hohe Kosten, beispielsweise für Betrieb, Unterhalt und Instandsetzung der Infrastruktur bei der Errichtung neuer Baugebiete. Die Ausweisung neuer Flächen für Kommunen kann damit zu einer Fehlinvestition zulasten von Einwohnerinnen und Einwohnern und zukünftigen Generationen führen. Wenn diese Kosten nicht gesenkt werden, wird ihr Absolutbetrag pro Einwohner stark ansteigen.“

Klug war die Raumplanung in Sachsen in all der Zeit nie wirklich – was auch mit dem gepflegten Gießkannenprinzip zu tun hat und den falschen Versprechen, man würde auch noch im letzten Zipfel des Landes blühende Wirtschaftslandschaften erzeugen können. Diese Denkart hat die Landesregierung bis heute nicht abgelegt. Und nicht einmal das selbst gesteckte Ziel, den Flächenverlust auf 2 Hektar pro Tag zu senken, wird wirklich ernsthaft angestrebt.

Stattdessen verspricht man den Bewohnern des Freistaats neue Straßen: „Der eng mit dem Landesverkehrsplan Sachsen 2025 in Zusammenhang stehende Landesentwicklungsplan 2013 weist beispielsweise die Planung von mehr als 130 Ortsumgehungsstraßen auf, an denen Suburbanisierungen mit weiteren neuen Bodenversiegelungen wahrscheinlich sind.“

Die Folge: „Die Auswirkungen und Gefahren des Flächenverbrauchs für Menschen, Tiere und Pflanzen sind massiv: Fruchtbare Böden gehen verloren, Landschaft und Naturräume werden zerschnitten und zersiedelt, die Biodiversität geht weiter zurück.“

Ob aber die aktuelle Regierung schon so weit ist, wirklich einmal auf einen sorgsamen Umgang mit dem Land und den wertvollen Böden umzuschalten? Das wäre bei der jetzigen Landtagszusammensetzung wohl eher ein Wunder.

Es sind noch immer wertvolle Ackerflächen, die der Versiegelung zum Opfer fallen

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