Landauf, landab gibt es in allen Städten jede Menge zu tun, die Städte auf eine Zukunft mit immer mehr Wetterextremen vorzubereiten. Dazu gehört auch die Wappnung für immer mehr Dürre- und Hitzezeiten. Im Grunde müssten die Städte regelrecht entsiegelt werden. Plätze und Höfe, die in der Vergangenheit einfach mit Pflaster oder Asphalt versiegelt wurden, müssten wieder freigelegt und begrünt werden, wie das ein entsprechender „Abpflastern“-Wettbewerb in Hamburg schon initiiert.

Genau das haben die Grünen auch in Leipzig beantragt. Wäre da nicht das liebe Geld. Und ein immer noch nicht genehmigter Haushalt, der die finanziellen Spielräume der Stadt gerade jetzt, wo an allen Ecken und Enden investiert werden müsste, massiv eingrenzt.

„Entsiegelung und Begrünung tragen zu einer erhöhten Durchlässigkeit und Aufnahme von Niederschlägen im Sinne der wassersensiblen Stadtentwicklung, zur Abkühlung sowie zur Artenvielfalt bei. Das vom Stadtrat beschlossene Ziel einer Netto-Null-Versiegelung wird nur mit deutlich verstärkten Anstrengungen zur Entsiegelung von Flächen umsetzbar sein“, hatte die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Antrag geschrieben.

„Mit der Förderrichtlinie ‚Naturbasierte Lösungen zur Anpassung an den Klimawandel fördert die Stadt Maßnahmen zur Entsiegelung und Begrünung.“ Dumm nur, dass Leipzig nicht einmal dafür Geld hat. Zumindest im aktuell immer noch nicht genehmigten Haushalt 2025/2026.

Es fehlt an Personal und an Geld

„Das Ziel des Antrags, die Flächenentsiegelung in der Stadt zu fördern, wird von der Verwaltung geteilt, weil es den städtischen Zielen entspricht. Gerade unter dem Aspekt einer wassersensiblen Stadtentwicklung ist es zu begrüßen, wenn über Förderprogramme, Wettbewerbe oder anderweitige monetäre Anreize auch kleinste Entsiegelungsmaßnahmen umgesetzt werden.

Sie sollten allerdings mit den verschiedenen städtischen Projekten, Konzepten oder Strategien (Stadtplatzprogramm, Mobilitätsstrategie, Straßenbaumkonzept, Planungen der Kommunalen Wasserwerke etc.) übereinstimmen“, schreibt das Amt für Umweltschutz nun zum Grünen-Antrag.

„Für die Stadtplanung ist die gesamtstädtische Ermittlung von Entsiegelungspotenzialen von großem Interesse, da Entsiegelungsmaßnahmen eine häufig benötigte Kompensationsmaßnahme im Zuge der Eingriffsregelung nach Bundesnaturschutzgesetz sind.

Deshalb wäre im Rahmen eines solchen Wettbewerbs darauf zu achten, dass großflächige Entsiegelungsmaßnahmen (auch auf privaten Grundstücken) ggf. für die Zuordnung externer Kompensationsmaßnahmen für Eingriffe in die Natur und Landschaft nutzbar gemacht werden können.“

Man schaut auch wohlwollend nach Hamburg, wo der Wettbewerb in diesem Jahr gestartet wurde. Nur: „Aufgrund fehlender personeller und finanzieller Ressourcen kann der vorgeschlagene Wettbewerb in der Laufzeit des Doppelhaushaltes 2025/2026 nicht realisiert werden. Im Rahmen der derzeitigen Erarbeitung kann geprüft werden, ob der Wettbewerb Bestandteil des Klimaanpassungsprogrammes werden sollte.“

Auch in Hamburg fehlt das Personal

Eine Ablehnung, die auch die Hamburger Misere sieht. Denn auch in Hamburg gibt es jede Menge Vorschläge zur Entsiegelung von den Bürgern – nämlich 1.643. Aber dann fehlt auch dort das Personal, um alle diese Vorschläge auch nur zu prüfen.

„Grafik und Zahlen zeigen, dass ein enormes Missverhältnis zwischen der Zahl der Vorschläge und den abgearbeiteten Vorschlägen besteht. Zur Bewertung dieser Diskrepanz in Hinblick auf eine Etablierung eines solchen Wettbewerbs in Leipzig sei noch darauf hingewiesen, dass diese Diskrepanz besteht, obwohl der Wettbewerb in Hamburg im Rahmen eines Forschungsprojektes unter Beteiligung von 5 nichtstädtischen Institutionen durchgeführt wird, also zusätzlich zum Personal der Verwaltung Personalressourcen zur Verfügung stehen“, erläutert das Amt für Umweltschutz.

„Vor diesem Hintergrund hat die Verwaltung geprüft, ob und ggf. wie ein solcher Wettbewerb für Leipzig organisiert werden kann. Die vorangehenden Ausführungen verdeutlichen, dass der Wettbewerb nur mit dem Einsatz einer erheblichen Zahl von Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern durchgeführt werden kann.

Da in der derzeitigen Situation und in absehbarer Zeit, wie im Folgenden näher dargelegt, keine Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter für zusätzliche freiwillige Aufgaben zur Verfügung stehen werden, erübrigt sich eine weitergehende Recherche zu der genauen Anzahl von Personen, die erforderlich wären.“

Da könnte man schon einen Punkt setzen. Ausgerechnet in der Situation, in der Städte wirklich Ressourcen für mehr Klimaschutz und Klimaanpassung aufbringen müssen, werden sie durch eine völlig verfehlte Finanzpolitik vor allem im Bund in immer mehr Schulden und letztlich die Handlungsunfähigkeit getrieben.

Mindestens 600.000 Euro

„Eine Alternative wäre der Rückgriff auf externe personelle Unterstützung durch die Bindung entsprechend qualifizierter Firmen. Dafür wären erhebliche finanzielle Ressourcen erforderlich. Für die Begleitung des Wettbewerbes über ein Jahr werden die Kosten auf der Basis der Kosten für ein anderes Bürgerbeteiligungsverfahren auf 600.000 € geschätzt. Diese Haushaltsmittel stehen im derzeitigen Doppelhaushalt nicht zur Verfügung“, stellt nun das Amt für Umweltschutz fest.

„Die überwiegende Zahl von Flächen, die in Hamburg zur Entsiegelung vorgeschlagen werden, sind öffentliche Flächen. Die Prüfung der Entsiegelbarkeit dieser Flächen muss vermutlich im laufenden Verwaltungsgeschäft erfolgen. Dies mag ein Grund für die oben beschriebene Diskrepanz zwischen vielen vorgeschlagenen unbearbeiteten Flächen und wenigen Flächen, über die entschieden worden ist, sein.“

Dass das Amt den Wettbewerb sinnvoll findet, merkt es ja an. Aber wenn es dann ans Wesentliche geht, steht auf einmal die alles entscheidende Frage: Woher soll man das Geld eigentlich nehmen? Denn es bleibt ja nicht nur bei Prüfung und Personal. Für die Entpflasterung selbst steht ja auch kein Haushaltsposten bereit.

Oder mit den Worten des Amtes für Umweltschutz: „Für Leipzig gilt jedenfalls, dass ein Prüfaufwand entsteht, für den keine personellen Kapazitäten vorhanden sind. Ebenso stehen keine Mittel für die Finanzierung separater Entsiegelungsmaßnahmen, die nicht zu den im Haushalt eingeordneten Baumaßnahmen gehören oder im Rahmen der Klimaanpassungsförderung mitfinanziert werden, zur Verfügung.

Im Ergebnis würde der Wettbewerb deshalb ins Leere laufen und das Anliegen eher beschädigen, wenn zu Vorschlägen aufgerufen wird, die dann weder (in vertretbarer Zeit) geprüft noch ggf. umgesetzt werden könnten. Beispielhaft sei hier auf den städtischen Mängelmelder verwiesen, über den in großem Umfang Meldungen zu Schäden in Fahrbahnen und Gehwegen eingehen, die personellen Kapazitäten es aber nicht ermöglichen, den Bearbeitungsstatus im Mängelmelder aktuell zu halten.

So entsteht bereits hier das Bild, dass die Stadt einerseits zu Meldungen aufruft und andererseits anscheinend tausende Meldungen unbearbeitet bleiben.“

Ein gut bekanntes Dilemma also. Die Bürger sind nur zu bereit mitzumachen. Aber die Kapazitäten und Finanzen der Stadt geben einfach nicht her, alle Meldungen abzuarbeiten. Womit die Enttäuschung bei den Bürgern wieder wächst. Ein Dilemma.

Aber wer meint, Bund und Land würden die Dramatik der Finanznotlage in den Städten schon begriffen haben, der irrt: Vielleicht ist es wirklich der einzig mögliche Vorschlag, den das Amt für Umweltschutz da macht. Im Rahmen der derzeitigen Erarbeitung des Haushalts 2027/2028 könne „geprüft werden, ob der Wettbewerb Bestandteil des Klimaanpassungsprogrammes werden sollte.“

Da freut man sich doch über jedes Pflänzchen, das sich tapfer in Stein- und Asphaltfugen zeigt.

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Es gibt 2 Kommentare

@Bahnschranke
Na dann mal Butter bei die Fische: Welche Parks werden denn bebaut? Und bitte jetzt nicht mit sowas wie Lene-Voigt-Park argumentieren, wo versiegelte und zwischenzeitlich zugewucherte Flächen eine bauliche Nutzung erfahren. Und bitte auch mal die rechtliche Situation solcher möglicherweise gemeinter Flächen betrachten…

Kein Plan warum die Stadt noch so tut als würde sie sich fürs Klima interessieren. Dumm rumlabern und im selbem Atemzug Parks bebauen. Greenwashing vom Feinsten.

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