Noch bevor die eigentliche Landtagswahl am 1. September stattfindet, durften Kinder und Jugendliche schon mal sachsenweit ihre eigenen Wahlen durchführen. Und das Erstaunliche ist: Auch diese Wahlen zeigen, dass es gewaltige Unterschiede macht, wo jemand wählt. Das Klima vor Ort verändert Wahlentscheidungen gewaltig. Leipzig ist das beste Beispiel dafür.

Kinder und Jugendliche haben am 23. August bei der sächsischen U18-Wahl deutlich gemacht, wie aus ihrer Sicht die Landtagswahl ausgehen soll. In Leipzig haben in 53 Wahllokalen über 2.300 Kinder und Jugendliche ihre Stimme abgegeben.

Das sächsische Gesamtergebnis war zwar durchwachsen, in seiner Grundaussage aber deutlich.

In Sachsen stellen nach dem Willen der Kinder und Jugendlichen Bündnis 90/ Die Grünen mit 27,2 % die stärkste Kraft. An zweiter Stelle rangiert allerdings die AfD mit 15,5 % der Stimmen. Die Linke (10,9 %), CDU (10 %) und die Tierschutzpartei (8,8 %) liegen dicht beieinander. Mehr als 5 % erreichten Die PARTEI (7,3 %) sowie die SPD (6,8 %) und würden mit in den Landtag einziehen. Die FDP mit 4,8 % verfehlt knapp die Fünf-Prozent-Hürde. Damit hätten weder Rot-Rot-Grün, noch eine Regierung aus CDU, Grüne und SPD eine Mehrheit.

Das U18-Wahlergebnis für ganz Sachsen. Grafik: Stadtjugendring Leipzig
Das U18-Wahlergebnis für ganz Sachsen. Grafik: Stadtjugendring Leipzig

Wobei auffällt, dass die Stimmenzahl für die AfD in Ostsachsen (mit Ausnahme Dresdens) überdurchschnittlich hoch ist. Augenscheinlich können sich auch die jungen Menschen dort nicht der Stimmung in ihren Elternhäusern entziehen. Oder einmal so formuliert: Es entstehen tatsächlich lauter emotionale Biotope. Was auch daran liegt, dass Parteien in den verschiedenen Landesteilen unterschiedlich aktiv sind. Wo zum Beispiel eine Partei wie die Grünen auch außerhalb der Großstädte besonders aktiv ist – wie in Görlitz – erreichen die Grünen auch in ländlichen und eigentlich AfD-nahen Regionen Spitzenwerte.

Das U18-Wahlergebnis in Dresden. Grafik: Stadtjugendring Leipzig
Das U18-Wahlergebnis in Dresden. Grafik: Stadtjugendring Leipzig

Dazu kommt natürlich die mediale Berichterstattung. Wenn immer nur über die AfD und ihren Zweikampf mit der CDU berichtet wird, ändert das sichtlich auch die Wahrnehmung der (potenziellen) Wähler, welche Partei man als „stark“ oder „kämpferisch“ erlebt. In Görlitz hat sich das auch verändert, weil die Grünen-Landtagsabgeordnete Franziska Schubert einen bemerkenswerten OB-Wahlkampf bestritten hat, mit dem sie „Grün“ in Görlitz für viele Wähler, die mit den konservativen Positionen von AfD und CDU nicht einverstanden sind, zur attraktiven Alternative gemacht hat.

Deutlich ist freilich auch, dass „Grün“ bei den jungen Wähler/-innen auch in Landkreisen wie Mittelsachsen und dem Landkreis Leipzig längst als wichtigste politische Kraft gesehen wird. Denn dass der Klimawandel auch um Sachsen keinen Bogen macht, ist den junge Leuten meist stärker bewusst als ihren Eltern. Und „Fridays For Future“ tut natürlich seinen Teil dazu, die Themen Klima, Umwelt und Kohleausstieg ins Bewusstsein der jungen Menschen zu rücken.

U18-Wahlergebnis im Landkreis Leipzig. Grafik: Stadtjugendring Leipzig
U18-Wahlergebnis im Landkreis Leipzig. Grafik: Stadtjugendring Leipzig

In den Großstädten Dresden, Chemnitz und Leipzig erreichen die Grünen bei den U18-Wähler/-innen natürlich Spitzenwerte.

In Leipzig stellen Bündnis 90/Die Grünen mit 42,4 % den klaren Wahlsieger. Mit deutlichem Abstand folgen Die Linke (13,9 %) vor der AfD (8,3 %) und Die PARTEI (7,9 %). Mit 7,3 % landet die Regierungspartei CDU nur auf Platz 5 der Leipziger Ergebnisse, gefolgt von der Tierschutzpartei (6,5%). Mit unter fünf Prozent schafft die SPD (4,4 %) es nicht in den Landtag der Kinder und Jugendlichen.

U18-Wahlergebnis in Nordsachsen. Grafik: Stadtjugendring Leipzig
U18-Wahlergebnis in Nordsachsen. Grafik: Stadtjugendring Leipzig

„In Leipzig setzen die Kinder und Jugendlichen damit eine Woche vor der Landtagswahl ein starkes Signal an die Politik sowie an die weiteren Generationen und wählen ökologische und umweltpolitische Themen an die Spitze“, kommentiert Tom Pannwitt vom Stadtjugendring Leipzig e. V. das Ergebnis. „Damit könnte zum ersten Mal in der U18-Wahlgeschichte von Leipzig ein ökologisches Bündnis, geführt von den Grünen, gemeinsam mit der Tierschutzpartei und Die PARTEI, regieren. Eine grün-soziale Regierung wäre rechnerisch ebenfalls möglich. Sie setzen sich damit klar vom Gesamtergebnis in Sachsen ab, wo die Bündnissuche schwieriger ausfällt.“

Die hohe Bereitschaft, ein Wahllokal anzumelden und bei der U18-Wahl seine Stimme abzugeben, sorgte in Leipzig in diesem Jahr sogar für neue Rekorde.

„Leipzig hat knapp ein Viertel aller Wahllokale und die meisten Stimmen der Kreisfreien Städte aus Sachsen gestellt. Damit hat sich die U18-Wahl zu einer der größten Veranstaltungen der politischen Bildung in Leipzig entwickelt“, führt Frederik Schwieger, Geschäftsführer des Stadtjugendrings Leipzig, aus.

U18-Wahlergebnis in Leipzig. Grafik: Stadtjugendring Leipzig
U18-Wahlergebnis in Leipzig. Grafik: Stadtjugendring Leipzig

„Die Leipziger Jugendarbeit ist ein zentraler Ort gelebter Demokratie in unserer Stadt“ unterstreicht Christian Gundlach vom Kinder- und Jugendbüro Leipzig. Zurückzuführen sei dies auf das allgemeine Interesse zur Landtagswahl und insbesondere der Wunsch von Kindern und Jugendlichen, selbst wählen zu dürfen. Die Fridays-for-Future Aktionen und die Demonstrationen zur Wahlaltersenkung gaben darauf im Vorfeld bereits deutliche Hinweise.

Der Stadtjugendring Leipzig e. V. und das Kinder- und Jugendbüro des Kinderschutzbundes Leipzig koordinieren die U18-Wahl in Leipzig. Das Ergebnis wird am 1. September, auf der öffentlichen Wahlauszählung im Neuen Rathaus, präsentiert.

Protest in der Leipziger Innenstadt: Jugendliche wollen wählen dürfen

Protest in der Leipziger Innenstadt: Jugendliche wollen wählen dürfen

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