Seit der Landtagswahl besitzen CDU und SPD keine Mehrheit mehr. Weil Ministerpräsident Michael Kretschmer sowohl ein Bündnis mit der AfD als auch eine Minderheitsregierung ausgeschlossen hat, müssen die bisherigen Koalitionäre nun zusätzlich mit den Grünen reden. Am Montag, den 16. September, fand in Dresden das erste von planmäßig drei Sondierungsgesprächen statt. Mitte Oktober wollen die Parteien entscheiden, ob sie Koalitionsverhandlungen aufnehmen.

Die Sondierungsgespräche in Sachsen haben begonnen. Am Montag, den 16. September, trafen sich jeweils zehn Vertreter/-innen von CDU, SPD und Grünen in Dresden, um nach eigenen Angaben über „Schwerpunkte einer Zusammenarbeit“ zu reden. In einer gemeinsamen Pressemitteilung äußerten sich die Parteien allgemein zu den Zielen der Sondierungen.

Laut Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) geht es in den anstehenden Gesprächen um die Frage, „ob wir ein gemeinsames Programm entwickeln können, das als Grundlage für fünf Jahre verlässliche und vertrauensvolle Regierungszusammenarbeit trägt.“

Katja Meier und Wolfram Günther, die Spitzenkandidat/-innen der Grünen vor der Landtagswahl, betonten, dass gesellschaftlicher Zusammenhalt das Ziel einer neuen Koalition sei. „Dazu gehören für uns eine klare Haltung gegen Hass und Ausgrenzung und eine Kultur des Zuhörens und Miteinanders ebenso wie der Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen und ein schonender Umgang mit unseren Ressourcen“, erklärte Günther.

SPD-Landeschef Martin Dulig strebt laut eigener Aussage ein Sachsen an, das in fünf Jahren „gerechter, sozialer und demokratischer“ ist. Die SPD soll nach seinen Vorstellungen die „soziale Kraft“ in einer neuen Regierung sein. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz sagte Dulig zudem, dass es vielleicht „die richtige Koalition für die Herausforderungen dieser Zeit“ sein könnte. Die Gespräche am Montag seien „harmonisch“ und „freundlich“ verlaufen.

Drei Treffen und neun Arbeitsgruppen

Konkrete Inhalte wurden zunächst nicht bekannt. Das Treffen dauerte etwa zwei Stunden. Für den 27. September und den 3. Oktober sind weitere Sondierungsgespräche geplant. Zudem sollen sich neun Arbeitsgruppen mit bestimmten Themen befassen. Mitte Oktober wollen die Parteien darüber entscheiden, ob sie Koalitionsverhandlungen aufnehmen. Bei den Grünen wird die Entscheidung voraussichtlich auf der Landesversammlung am 12. Oktober in Leipzig fallen.

Zu den Teilnehmer/-innen der Sondierungsgespräche gehören Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), die aus Leipzig stammenden Landtagsabgeordneten Dirk Panter (SPD), Claudia Maicher und Christin Melcher (beide Grüne) sowie der Leipziger Stadtrat Norman Volger (Grüne). Zudem nehmen unter anderem mehrere Minister/-innen und andere Bürgermeister/-innen an den Gesprächen teil.

Als problematische Themenbereiche gelten beispielsweise Braunkohleausstieg und Strukturwandel in der Lausitz, das von Linken und Grünen gerichtlich beklagte Polizeigesetz, die Möglichkeit von Gemeinschaftsschulen in Sachsen, eine neue ÖPNV-Struktur in Form einer gemeinsamen Landesnahverkehrsgesellschaft und die Frage, wie es beim Autobahnausbau weitergehen soll. Als sicher gilt, dass Martin Dulig (SPD) das Wirtschafts- und Verkehrsressort weiterführen möchte, während die Grünen auf einem grünen Umweltminister bestehen werden.

Angesichts der sterbenden Fichtenwaldplantagen, der Großagrarpolitik in Sachsen und der von CDU und AfD initiierten „Wolfsjagd“ wenig verwunderlich, auch im Bereich Artensterben und Hochwasserschutz scheint der derzeit amtierende Thomas Schmidt (CDU) lieber Beton anzurühren, als kluge Lösungen zu suchen.

Kenia oder AfD-Tolerierung

Die ultrakonservative „Werteunion“ innerhalb der CDU hatte sich im Vorfeld gegen Sondierungsgespräche mit den Grünen ausgesprochen. Die nach eigenen Angaben gerade einmal in ganz Deutschland 3.000 Mitglieder starke Vereinigung mit Mitgliedern wie Werner Patzelt und Ex-Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen in ihren Reihen, strebt eine Minderheitsregierung mit wechselnden Mehrheiten an. Was allerdings eine Tolerierung der AfD in bestimmten Fragen und im Zweifel sogar die Stimmen der Rechtspopulisten bereits bei der Wahl Michael Kretschmers zum Ministerpräsidenten bedeuten würde.

Bei einem Scheitern der sogenannten „Kenia“-Verhandlungen könnte man zumindest erwarten, dass große Teile des Parlaments auf grüner, linker und SPD-Seite Kretschmer als Antwort auf fehlende Kompromissbereitschaft eher nicht wählen würden. Dann wäre er auf eine Zustimmung der AfD angewiesen, um Ministerpräsident des Freistaates Sachsen zu werden.

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