Seit 2015 arbeitet in Sachsen die Fachkommission zur Ermittlung des Personalbedarfs bei der Polizei. Damals eingesetzt besonders auf Drängen der SPD, die die Folgen der sogenannten „Polizeireform 2020“ für Sachsen schlicht inakzeptabel fand. Denn Sachsen wurde damit nicht nur zum Polizeibilligheimer – es unterbot bei der Stellenausstattung auch noch all jene Bundesländer, von denen der damalige Innenminister behauptete, an denen würde man sich orientieren.

Das wurde erst richtig deutlich, als die eingesetzte Kommission just mit den so oft zitierten Vergleichsbundesländern anfing, die sächsischen Zahlen durchzurechnen. Da landete die Kommission sogar 2015 schon weit vor den einst von Innenminister Markus Ulbig für 2025 angepeilten 11.280 Stellen. Das bedeutete einen riesigen Personalabbau, den die „Polizeireform 2020“ als Effizienzsteigerung verkaufte. 2010, ein Jahr vor dem Inkraftsetzen der „Reform“ hatte Sachsens Polizei noch 13.911 Haushaltsstellen.

Aus Sicht der damaligen CDU/FDP-Regierung viel zu viel. Aber wie die Zielmarke tatsächlich berechnet wurde, wurde nie öffentlich erklärt.

Und dass selbst der Verweis auf die scheinbar sparsameren Vorbildländer falsch war, machte dann die Vergleichsrechnung der neu eingesetzten Kommission deutlich.

In ihrem neuen Bericht, der jetzt dem Landtag vorliegt, kommt sie darauf zurück. Dort heißt es: „Die Berechnung des Gesamtpersonalbedarfs wurde durch die Fachkommission 2015 anhand der entsprechenden Fallzahlen sowie der Haushaltsstellen der Vergleichsländer im Jahr 2014 durchgeführt und ergab rein rechnerisch wie in Kapitel 2.2.5. ‚Bilanzierung des Personalbedarfs‘ dargestellt, eine Orientierungsgröße für den Personalbedarf der sächsischen Polizei in Höhe von 13.640 Haushaltsstellen.“

Worauf ja bekanntlich die Regierung reagierte und den Einstellungskorridor deutlich nach oben korrigierte. Was natürlich nicht bedeutete, dass auch der Personalschwund sofort gestoppt werden konnte. Auch die Ausbildung neuer Polizist/-innen braucht ja Zeit. Erst 2018 wurde wieder die Soll-Stärke von 13.000 überschritten. Erst 2021 ist mit dem Überschreiten der 13.500er-Marke zu rechnen. Wirklich wieder erreicht wird die Mannschaftsstärke von 2010 erst im Jahr 2023.

Wofür die zusätzlichen Polizist/-innen gebraucht werden. Grafik: Fortschreibung des Berichtes der Fachkommission zur Evaluierung der Polizei des Freistaates Sachsen
Wofür die zusätzlichen Polizist/-innen gebraucht werden. Grafik: Fortschreibung des Berichtes der Fachkommission zur Evaluierung der Polizei des Freistaates Sachsen

Aber die Kommission hat den Wunsch der Staatsregierung, sparsam zu wirtschaften, durchaus ernst genommen und auch durchgerechnet, wie viele Polizist/-innen Sachsen brauchen würde, wenn es sich ausgerechnet die finanzschwächsten Bundesländer zum Vorbild genommen hätte.

Das Ergebnis: „Hieraus ergäbe sich unter Beibehaltung des originären Benchmarks mit den finanzschwachen Flächenländern West sowie Bayern und Hessen als Qualitätssicherung ein aktueller Gesamtstellenbedarf der sächsischen Polizei von 13.190 Haushaltsstellen.“

Selbst das liegt meilenweit über der Zielmarke der „Polizeireform 2020“. Diese Zahl wurde 2019 gerade mal wieder erreicht.

Aber es gibt ja auch noch die anderen Bundesländer, die bei der Kriminalitätsbekämpfung zu den erfolgreichsten gehören. Und der Erfolg in der Kriminalitätsbekämpfung hängt nun einmal auch mit der Personalstärke zusammen. Und so ergibt sich hier rechnerisch jener Wert, über den die Linksfraktion im Landtag schon im Januar staunte.

„Bei der Verwendung dieser Bundesländer als Vergleichsgröße ergibt sich für die sächsische Polizei zum aktuellen Zeitpunkt ein Stellenbedarf von 14.917 Haushaltsstellen“, stellt der Bericht der Polizeikommission jetzt fest.

Natürlich wird das nicht der Wert sein, an dem sich Sachsen orientiert.

Es war ja schon ein Erfolg der Kommission, die Zielvorgabe von 13.000 auf 14.000 Polizist/-innen zu erhöhen. Übrigens mit klarer Untersetzung, wo die zusätzlichen Stellen gebraucht werden: Über 400 im Streifendienst, über 400 in Kriminalitätsbekämpfung und Prävention und auch über 200 im Verkehr.

Immer weniger Verkehrspolizist/-innen im Einsatz. Grafik: Fortschreibung des Berichtes der Fachkommission zur Evaluierung der Polizei des Freistaates Sachsen
Immer weniger Verkehrspolizist/-innen im Einsatz. Grafik: Fortschreibung des Berichtes der Fachkommission zur Evaluierung der Polizei des Freistaates Sachsen

Denn die Auswertung der Kommission zeigte auch, wie mit dem Abbau der Beamt/-innen im Verkehrsbereich von 837 im Jahr 2010 auf 588 im Jahr 2018 die Zahl der Verkehrskontrollen massiv zurückging, während zeitgleich das Verkehrsaufkommen deutlich zulegte, insbesondere beim Wirtschaftsverkehr.

Und an anderer Stelle leistete sich Sachsen, dass Polizisten dauerhaft für Aufgaben eingesetzt wurden, die eigentlich nicht zum Kern der Polizeiarbeit gehören. Denn ab 2010 wurden sächsische Bereitschaftspolizisten immer öfter zur Durchsetzung von Abschiebungen eingesetzt. Nicht erst seit 2015. Dass die ausländerfeindlichen Kräfte 2015 so viel Zuspruch erhielten, war in Sachsen kein Zufall. Schon vorher setzte hier die Staatsregierung auf eine harte Abschiebepolitik und verfestigte damit das Bild, dass Asylsuchende im Land nicht willkommen sind.

Immer mehr Bereitschaftspolizisten sind mit Abschiebungen beschäftigt. Grafik: Fortschreibung des Berichtes der Fachkommission zur Evaluierung der Polizei des Freistaates Sachsen
Immer mehr Bereitschaftspolizisten sind mit Abschiebungen beschäftigt. Grafik: Fortschreibung des Berichtes der Fachkommission zur Evaluierung der Polizei des Freistaates Sachsen

Leisteten die Bereitschaftspolizisten 2010 noch 12.691 Stunden für „Abschiebe- und Vorführmaßnahmen“, stieg diese Stundenzahl bis 2018 massiv an auf 41.271 Stunden. Waren 2010 im Schnitt acht Bereitschaftspolizisten jeden Tag mit Abschiebungen beschäftigt, so band diese Maßnahme 2018 schon 26 Polizisten – jeden Tag.

Natürlich wird Sachsen trotzdem seinen Personalstock nicht auf 14.900 Polizist/-innen erhöhen.

Die Polizeikommission hat alle ihre Zahlen noch einmal durch die Mühle gedreht und kommt diesmal auf eine ganz ähnliche Empfehlung wie 2016.

In ihrem Bericht heißt es dazu: „Das aus der Weiterentwicklung der Methodik der Fachkommission unter Benchmark mit den finanzschwachen Flächenländern West sowie Bayern und Hessen zur Qualitätssicherung resultierende Ergebnis von 13.190 Haushaltsstellen zeigt, dass die auf der Grundlage der Empfehlungen der Fachkommission durch die Sächsische Staatsregierung im März 2016 beschlossene Gesamtstellenanzahl der sächsischen Polizei von 14.077 Haushaltsstellen aus der damaligen Perspektive, auch heute noch als hinreichend bemessen angesehen werden könnte.

Soll das aktuelle politische Ziel, Sachsen zu einem der sichersten Bundesländer zu machen, erreicht werden, wäre auch bei der Personalausstattung eine Orientierung an den jeweils besten Bundesländern vorzunehmen. Bei diesem Benchmark ergibt sich ein Gesamtpersonalbedarf der sächsischen Polizei von 14.917 Stellen.“

Also empfiehlt die Kommission die Beibehaltung des Ziels von 14.077 Haushaltsstellen. Dieser Wert wird wohl 2024 erreicht, wenn alles nach Plan läuft.

Expertenkommission sieht in Sachsen sogar Bedarf für 14.900 Polizisten

Expertenkommission sieht in Sachsen sogar Bedarf für 14.900 Polizisten

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Keine Kommentare bisher

Solche sinnlosen Grafiken (“Wie sich die Personalstärke der sächsischen Polizei bis 2024 entwickeln soll”) machen mich immer wütend. Das sieht da so aus, als ob sich die Zahl der Polizisten bis 2024 mehr als verdreifacht (ggü. 2016), dabei sind es nicht mal 10% mehr! Sollte man lieber weglassen als seriöser Journalist… 😉

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