Eigentlich ist Sachsens Umweltminister Wolfram Günther ja auf der Seite der Bauern, die gern ökologisch wirtschaften wollen. Am Mittwoch, 17. März, fuhren sie ihm trotzdem eine Karre Mist vor das Ministerium. Stellvertretend quasi, denn aktuell ist Wolfram Günther Vorsitzender der deutschen Agrarministerkonferenz, also auch Gastgeber der Sonderrunde, in der es um den Anteil der Direktzahlungen an die Landwirtschaftsbetriebe für den Umweltschutz geht. Die Sitzung wurde dann mitten in der Nacht vertagt.

Denn mehrere Agrarminister sehen es zwar genauso wie der grüne Landwirtschaftsminister in Sachsen. Wie von der EU vorgegeben, sollen 30 Prozent der ausgeschütteten Direktzahlungen künftig an Umweltschutzauflagen gekoppelt werden. Aber eben doch nicht alle. Und das Hauptproblem sitzt eher im Bundeslandwirtschaftsministerium, auf das die Lobby der deutschen Agrarkonzerne den größten Einfluss hat.Viele Agrarminister/-innen aus den Bundesländern sehen eher die Notwendigkeit, endlich mehr Geld in echten Umweltschutz zu stecken, auch wenn man augenscheinlich noch heftig darum ringt, wie die künftige Förderarchitektur aussehen soll.

„Ausgangspunkt war heute eine enorme Bandbreite an Vorstellungen über die nationale Ausgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik. Ich werte als positives Zeichen, dass wir Agrarministerinnen und Agrarminister uns darauf verständigt haben, in der kommenden Woche weiterzuverhandeln. Der Ort für die Festlegungen, wie die künftige Agrarförderung aussieht, bleibt also die Agrarministerkonferenz“, formulierte es Günther am Donnerstagmorgen. „Angesichts der anhaltenden Diskussion über dieses komplexe und kontroverse Thema erwarte ich von der Bundesministerin, dass sie die Willensbildung der Agrarministerinnen und -minister umfassend berücksichtigt.“

Und am Vortag hatte er es sich auch nicht nehmen lassen, mit den protestierenden Bauern vorm Ministerium zu sprechen.

Agrarminister Wolfram Günther bei den Protestierenden vorm Sächsischen Landwirtschaftsministerium. Foto: Ruben Neugebauer / Campact
Agrarminister Wolfram Günther bei den Protestierenden vorm Sächsischen Landwirtschaftsministerium. Foto: Ruben Neugebauer / Campact

Mit Trecker und einer Ladung Mist protestierte dort ein Bündnis aus Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft (AbL), Campact und BUND Sachsen. Anlass war natürlich die Sonder-Ministerkonferenz der Agrarminister der Länder, die unter Vorsitz Sachsens über den nationalen Plan für die Umsetzung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) und Verteilung der EU-Gelder für die Landwirtschaft berieten.

Die Bündnis-Organisationen übergaben dem Minister Wolfram Günther (Bündnis 90 / Die Grünen) ihren Online-Appell mit mehr als 200.000 Unterschriften. Darin fordern sie, mindestens 30 % der Direktzahlungen für Landwirtschaftsbetriebe an Umwelt- und Klimaschutz-Maßnahmen zu knüpfen, stärkere Unterstützung bäuerlicher Landwirtschaft sowie die Einführung einer Gemeinwohlprämie, nicht für Testbetriebe.

Den jüngst von Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) vorgelegten Strategieplan zur GAP kritisiert das Bündnis als unzureichend. Regelungen zu Klimaschutz, Artenvielfalt und ökologischer Landwirtschaft bleiben weit hinter den Erwartungen zurück. Im Vorfeld der Sonderkonferenz wurde bekannt, dass sich Agrarminister/-innen der CDU, SPD und FDP gemeinsam mit dem thüringischen Agrarminister Benjamin Hoff (Die Linke) auf eine gemeinsame Position zur GAP verständigt haben.

Auch hier blieben die Vorschläge sogar hinter den zu erwartenden Regelungen der EU zurück. „Die Minister/-innen wollen Fakten schaffen, noch bevor die EU-Verhandlungen beendet oder die Länderkonferenz gestartet sind. Das ist politisches Taktieren und kein gesellschaftlicher Diskurs über die Zukunft der deutschen Landwirtschaft“, kritisiert das Bündnis.

Und Danilo Braun, Landessprecher der AbL Sachsen, sagte: „Weder die Gesetzentwürfe des BMEL, noch die bisherigen Vorschläge aus den Ländern geben ausreichende Antworten auf die sozialen und ökologischen Herausforderungen der Zukunft. Was es jetzt braucht, ist eine gerechte Verteilung der Fördergelder an die ganze Breite des Landwirtschaftlichen Berufsstandes sowie den Einstieg in den Ausstieg aus den pauschalen Flächenprämien.“

Dass die Agrarminister/-innen von CDU/FDP und Linken sich nicht durchsetzen konnten, war dann in der Nacht zum Donnerstag klar, als die Konferenz ohne Ergebnis abgebrochen wurde. Aber nicht endgültig, wie Günther betonte: „Wir haben heute lange und hart gerungen. Im Ergebnis haben wir uns heute vertagt. Wir setzen die Diskussion über die grüne Architektur der Gemeinsamen Agrarpolitik kommende Woche in der Frühjahrskonferenz fort. Es gab Einigungswillen auf allen Seiten, aber eben auch Dissens in entscheidenden Fragen. Dass wir heute noch nicht ins Ziel einlaufen, kann angesichts der Tragweite des Themas nicht verwundern.“

Und ein besonderer Hemmschuh bleibt Bundesagrarministerin Julia Klöckner. Was Danny Schmidt von Campact am Mittwoch noch besonders betonte: „Der Plan von Klöckner zeigt: Die Ministerin schlägt sich auf die Seite der großen Agrarkonzerne und schustert ihnen Milliarden zu. Klima- und Artenschutz sind für sie kaum Thema. Die Minister/-innen der Länder können sich zusammenschließen und ein Vorbild für klimafreundliche Landwirtschaft sein, doch stattdessen klüngeln sie und bremsen sich selbst. Eine nachhaltige und gesunde Landwirtschaftspolitik sieht anders aus.“

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