Schon am 19. Mai wunderte sich der Landtagsabgeordnete der Linken über den „peinlichen Koalitionsstreit“, der schon damals öffentlich ausgetragen wurde. Denn während die SPD darauf drängte, dass Sachsen gerade in den Jahren 2021/2022 auch genug Geld für die Co-Finanzierung der vom Bund bereitgestellten Breitband-Ausbaumittel in den Haushalt einstellte, stellte sich Koalitionspartner CDU quer und verhinderte bei Haushaltsbeschluss endgültig, dass die nötigen Gelder zur Verfügung gestellt wurden.

Nach einem Interview von Sachsens Finanzminister Hartmut Vorjohann in der „Freien Presse“ geht jetzt auch die SPD-Fraktion an die Öffentlichkeit.Denn aus Sicht von Henning Homann, SPD-Generalsekretär und SPD-Landtagsabgeordneter, bremst der Koalitionspartner CDU auf diese Weise Sachsens Zukunft aus.

„Die CDU holt in Sachsen die Rezepte der Neunzigerjahre wieder heraus. Das ist keine Zukunftspolitik. Wir müssen aber jetzt in die Zukunft investieren, statt zu kürzen, sonst wird Sachsen abgehängt. Wenn der CDU-Finanzminister Hartmut Vorjohann jetzt an eine Politik seines Vorvorgängers anknüpft, die offensichtlich gescheitert ist, zeigt er, dass ihm die Ideen fehlen, zukunftsorientierte Politik zu machen“, sagte Homann am Dienstag, 25. Mai.

„Dieser CDU-Finanzminister ist sich auch für die Unwahrheit nicht zu schade. Vorjohann versucht, das eigene Nichthandeln mit einer schlechten Legende zu rechtfertigen. Die SPD ist weder kurz vor Schluss mit der Forderung nach einer Kofinanzierung des schnellen Internets im sogenannten Graue-Flecken-Programm gekommen, noch hat sich die SPD zwischen Bildungsticket und Graue-Flecken-Programm entschieden. Diese Forderung wurde auch zu keinem Zeitpunkt von der CDU aufgemacht.“

Pokern um Sachsens Zukunft

Aber zumindest lässt Vorjohann nun durchblicken, wie seine Partei als Koalitionspartner pokert und so tut, als wären nur die kleinen Koalitionsmitglieder unersättlich in ihren Wünschen und müssten von einem Finanzminister als Schiedsrichter in die Bande verwiesen werden.

Immer nur neue Absichtserklärungen zum Breitbandausbaus in Sachsen werden die „Grauen Löcher“ im sächsischen Netz nicht stopfen. Das kritisierte auch der Fraktionsvorsitzende der SPD, Dirk Panter, am 19. Mai in der Generaldebatte zum sächsischen Doppelhaushalt.

„Bei aller Koalitionseinigkeit in den Absichtserklärungen für den weiteren Breitbandausbau: Wenn es ums Konkrete geht, schwindet die Einigkeit leider merklich.“ Es sei nicht gelungen, mit dem Haushalt Vorsorge für das Programm zu treffen, bedauerte Panter. Die Finanzierung müsse jetzt zügig geregelt werden.

„Die aktuelle Steuerschätzung sollte uns allen Rückenwind geben“, sagte er. „Die sächsische Finanz- und Haushaltspolitik muss diesem Ziel dienen: Unser Land fit zu machen für die Zukunft. Sie darf kein Selbstzweck sein, nicht Bremse, sondern Motor. Wenn wir heute nicht in Sachsens Zukunft investieren, gefährden wir den Wirtschaftsstandort auf Jahrzehnte. Das können wir uns nicht leisten.“

Noch im November 2020 hatte auch die CDU dem SPD-Vorstoß zum „Graue-Flecken“-Programm zugestimmt, stellt Homann fest: „Vielmehr hat die SPD bereits im November 2020 einen Kabinettsbeschluss für die Finanzierung des Graue-Flecken-Programms erwirkt, der auch von den Fraktionen im Landtag unterstützt wurde.“

Seitdem hätten Wirtschaftsminister Martin Dulig und SPD-Fraktionsvorsitzender Dirk Panter nachweislich eine Vielzahl an Finanzierungsoptionen geprüft und der CDU zahlreiche Vorschläge gemacht. Auch ein Verzicht darauf, den Generationenfonds jedes Jahr mit 800 Millionen Euro zu füttern, wäre eine Option gewesen. Schon die Hälfte des Geldes hätte genügt, die Bundesmittel für Sachsen problemlos abzurufen.

Leider habe es bislang trotzdem keine verbindliche Einigung darüber gegeben, wie das Graue-Flecken-Programm finanziert werden kann, so Homann.

Ganz ohne Hoffnung ist Homann noch nicht: „Ich bin mir sicher, dass sich die SPD mit ihrer Forderung nach mehr Zukunftsinvestitionen durchsetzen wird, denn nicht nur beim Breitbandausbau, sondern auch bei den Zukunftstechnologien liegt die ökonomische Notwendigkeit auf der Hand. Das Ausspielen von Breitbandausbau gegen Bildungsticket, das Eltern und Schüler entlastet, ist wirklich unwürdig. Ich würde diesen politischen Querschläger der CDU gerne abhaken und stattdessen zu einer schnellen Einigung kommen.“

Auch Homann verweist abschließend darauf, dass Sachsen die kurzfristige Nicht-Beteiligung am Graue-Flecken-Programm teuer zu stehen kommen würde, da die Mittel im Windhund-Verfahren verteilt werden. Heißt im Klartext: Wer zuerst kommt, bekommt die Bundesmittel. Wer zu spät kommt, bekommt gar nichts.

Sachsen muss also bald eine Lösung finden.

Auch Linke wollte 400 Millionen Euro

Der Linke-Landtagsabgeordnete Brünler jedenfalls meinte noch am 19. Mai, dass das Ganze eher nur politisches Theater war: „Es ist peinlich, welches Schauspiel die Koalitionäre schon wieder aufführen. Sie sollten persönliche Eitelkeiten endlich dem Wohle des Landes unterordnen. Sonst freuen sich nur die anderen Bundesländer, weil sie schneller sind und mehr Bundesgeld abgreifen können.“

„Es müssen jetzt unverzüglich die erforderlichen Entscheidungen getroffen werden, damit Sachsen das ,Graue-Flecken-Förderprogramm‘ des Bundes nutzt. Die flächendeckende Versorgung mit leistungsstarken Gigabitnetzen, die allen Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung stehen, ist von zentraler Bedeutung für eine erfolgreiche digitale Zukunft.“

Denn: Gigabitfähige Internetverbindungen für alle Haushalte und Unternehmen sind Voraussetzung für neue Formen der Produktion, intelligente Mobilität, Innovationen im Gesundheitswesen, die Nutzung künstlicher Intelligenz, digitale Bildung und vernetztes Arbeiten. Eine Förderung kommt infrage, wenn der Breitbandausbau eines Gebietes ohne staatliche Unterstützung nicht zustande kommt. Die Bundesregierung unterstützt all jene ländlichen Gebiete mit einer Neuauflage der Breitbandförderung, in denen der Markt versagt.

„Damit wird die Förderung deutlich ausgeweitet – bislang war nur eine Versorgung unter 30 Megabit pro Sekunde in den ,Weißen Flecken‘ förderfähig“, so Brünler. „Selbst diese Gebiete machen in Sachsen noch einen Anteil von neun Prozent aus. Jetzt können Kommunen oder Landkreise erstmals eine Förderung für den Glasfaserausbau in ,Grauen Flecken‘ beantragen, also in Gebieten mit einer Internetver­sorgung von weniger als 100 Megabit pro Sekunde. Diese Chance dürfen wir uns nicht entgehen lassen!“

Aber auch der Linke-Antrag, den „Breitbandfonds Sachsen“ um 400 Millionen Euro aufzustocken, blieb erfolglos. Genauso wie der Versuch der SPD-Fraktion, die CDU-Fraktion noch umzustimmen. Die Zeit läuft jetzt. Und ohne Verankerung im Doppelhaushalt wird es jetzt deutlich schwerer, eine Kofinanzierung für das „Graue Flecken“-Programm auf die Beine zu stellen.

Die SPD-Fraktion hat das Thema einmal in Fragen und Antworten zusammengefasst

Warum heißen sie „Graue Flecken“?

Bislang fördert der Bund die Erschließung der sogenannten „weißen Flecken“. Sie heißen so, weil die Gegenden mit besonders langsamem Internet also quasi als unerschlossene Gebiete gelten – auf entsprechenden Karten stellen sie „weiße Flecken“ dar. Gemeint sind alle Gegenden, in denen das Internet im Download langsamer ist als 30 Mbit/s.

Die „grauen Flecken“ sind jetzt die nächste Ausbaustufe. Hier ist das Internet schneller als in den „weißen Flecken“, aber trotzdem noch lange nicht auf der Höhe der Zeit. Das Graue Flecken-Programm fördert alle Gegenden, wo das Internet im Download nicht zuverlässig mindestens 100 Mbit/s schnell ist.

Wer würde von dem Graue-Flecken-Programm profitieren?

Es wird geschätzt, dass in ca. 737.000 Haushalten in Sachsen das Internet so langsam ist, dass sie als „graue Flecken“ zählen. Hiervon werden etwa 330.000 schon mit Fördermitteln aus anderen Förderprogrammen unterstützt. Es bleiben also noch 407.000 Haushalte, für die die Förderung infrage kommt. Eine grobe Orientierung darüber, wo das Internet wie schnell ist, bietet der Breitbandatlas der Bundesregierung. (www.bmvi.de/DE/Themen/Digitales/Breitbandausbau/Breitbandatlas-Karte/start.html)

Wie viel würde das Graue Flecken-Programm kosten?

Das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr rechnet damit, dass das Graue Flecken-Programm in Sachsen insgesamt ca. 816 Millionen Euro kosten würde. Von den Kosten würde der Bund voraussichtlich 60% übernehmen, sodass der Freistaat und die Kommunen noch 327 Millionen Euro bezahlen müssten.

Wann muss entschieden werden, ob Sachsen beim Graue-Flecken-Programm mitmacht?

Das Graue Flecken-Programm ist bis Ende 2022 befristet. Ob die Bundesregierung die Frist verlängert ist unklar – darauf zu bauen wäre riskant. Vor allem jedoch basiert die Förderung auf dem „Windhundprinzip“: Die Bundesregierung stellt insgesamt eine bestimmte Summe an Fördergeldern zur Verfügung, und wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Anträge können seit April 2021 gestellt werden. Wenn Sachsen also nicht schnell mitzieht, gehen alle Fördermittel in andere Bundesländer.

Was passiert, wenn Sachsen auf das Graue-Flecken-Programm verzichtet?

Dann müssen das Land und die Kommunen den Breitbandausbau selber bezahlen – und das kostet dann statt der 330 Millionen Euro gleich mehr als 800 Millionen. Oder Sachsen verzichtet auf schnelles Internet. Darunter leiden dann aber sowohl die Wirtschaft als auch die Privathaushalte in Sachsen.

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