Wenn ein CDU-Minister und die Spitze der Linkspartei dasselbe Problem benennen, dann dürfte es wirklich eine ernste Sache sein. Und eigentlich darf man sich wundern, dass in diesem Sommer nur Familienministerin Lisa Paus (Grüne) den Mumm hatte, ihr Veto gegen die von Christian Lindner (FDP) verordneten Kürzungen bei der Kindergrundsicherung einzulegen. Auch andere Bundesminister hätten deutlich mehr Rückgrat zeigen können. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) zum Beispiel.

Denn die von Bundesfinanzminister Christian Lindner verordneten Kürzungen in der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) von 840 Millionen Euro haben dramatische Folgen. Und zwar vor allem für die strukturschwachen Regionen – auch in Sachsen.

Selbst das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft nennt es „das wichtigste nationale Förderinstrument zur Unterstützung der Land- und Forstwirtschaft, Entwicklung ländlicher Räume und zur Verbesserung des Küsten- und Hochwasserschutzes“.

„Das ist nicht nur eine fatale politische Botschaft für die ländliche Entwicklung. Es ist vor allem ein Bruch des eigenen Koalitionsvertrages“, erklärte Sachsens Regionalminister Thomas Schmidt (CDU) schon am 5. Juli, als Lindners drastische Sparpläne bekannt wurden. „Darin haben sich SPD, Grüne und FDP auch zu diesem Programm bekannt und eine jährliche Erhöhung der Mittel versprochen. Die Kürzungen werden damit nicht nur der ländlichen Entwicklung schaden. Sie werden Vertrauen kosten. Wer so handelt, darf sich bei der nächsten Wahl nicht wundern.“

Dramatische Verluste für ländliche Regionen

Sachsen finanziert über die GAK unter anderem das Programm „Vitale Dorfkerne und Ortszentren im ländlichen Raum“, mit dem seit dem Jahr 2016 mehr als 400 Projekte mit insgesamt 135 Millionen Euro unterstützt wurden.

„Nicht nur dieses wichtige Programm kommt durch die Streichungen des Bundes in Gefahr. Auch bei der Flurneuordnung und bei den in den LEADER-Regionen beliebten Regionalbudgets wären Kürzungen erforderlich“, so Schmidt weiter.

„Anstatt die Gebiete außerhalb der Ballungszentren als Zukunftsraum zu begreifen, welcher auch zur Entlastung der Wohnungsmärkte und Gewerbeflächen in den großen Städten beitragen würde, ist die jetzige Planung mit der vollständigen Streichung ein Schlag ins Gesicht für den ländlichen Raum. In den Städten muss dann wieder versucht werden, mit Regulatorik und teuren Förderprogrammen die Schäden durch die Überlastung zu reparieren. Das ist ein weiterer Schritt der allein auf große Städte fokussierten Politik der Ampel und schon fast Schildbürgertum.

Ich kann nur hoffen, dass der Bundestag seine Verantwortung für die Menschen auch auf dem Land annimmt und die vorgesehenen Kürzungen rückgängig macht“, sagte der Minister abschließend.

Der Sonderrahmenplan Ländliche Entwicklung ist von der Streichung im Haushaltsentwurf besonders betroffen. Die bisher jährlich 160 Millionen Euro sollen komplett entfallen.

Millionen fehlen auch für Klimafolgenanpassung

Und nicht nur für die Landflucht sind die geplanten Kürzungen der GAK-Mittel ein fatales Signal, meint Tobias Bank, Bundesgeschäftsführer der Partei Die Linke. Das Geld fehlt auch für die Anpassung an den Klimawandel.

„Dieser Sommer hat gezeigt, dass der Klimawandel verschiedene Gesichter hat. Erst Trockenheit und Hitze, dann Überflutungen und Unwetter. Besonders wichtig ist da der Umbau unserer Land- und Forstwirtschaft. Das geht nicht ohne Fördergelder des Bundes. Doch ausgerechnet jetzt – mitten in der Klimakrise – will Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) um rund 300 Millionen Euro pro Jahr kürzen“, kritisiert Tobias Bank.

Und das betreffe eben auch die Gelder für die Bewältigung von Extremwettereignissen und damit auch den nötigen Umbau unserer Wälder.

„Landwirte und Gemeinden trifft dieser Kahlschlag doppelt hart, weil es sich hier um Gelder handelt, die von den Ländern durch zusätzliche Mittel in gleicher Höhe flankiert werden. Aus 300 Millionen werden so schnell 600 Millionen, die 2024 fehlen könnten. Auch zahlreiche Maßnahmen zur ökologischen Vielfalt könnten der Sparwut des Ministers zum Opfer fallen, etwa Streuobstwiesen oder Blühstreifen an Feldrändern, die im ganzen Land für mehr Farbe und Artenvielfalt auf dem Land sorgen“, kritisiert Bank.

Nur ist es halt die Sparwut eines FDP-Finanzministers, der den Bundeshaushalt nach dem neoliberalen Modell der „Schwarzen Null“ umbaut. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hätte durchaus die Möglichkeit gehabt, auch seinerseits ein Veto einzulegen. Denn diese Kürzungen treffen auch den Kern der einst als „Klimakoalition“ gekürten Regierung.

„Bereits heute sind viele Landstriche von Abwanderung betroffen. Insbesondere der Osten blutet so langsam aus“, mahnt Bank. „Die Mittel aus der GAK werden nicht nur gebraucht, um Landwirte zu unterstützen. Sie sollen die Bedingungen vor Ort für alle attraktiver machen, damit nicht noch mehr junge Menschen abwandern. So werden auch Schulen und Kitas aus GAK-Mitteln gefördert. Doch offenbar gibt es in Berlin kein Interesse an den Menschen auf dem Land und ignoriert sie und ihre Probleme einfach, weil die größere Wählergruppe in den Städten zu Hause ist.“

Sachsen besonders betroffen

Auch Sachsens Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) hatte sich im Juli deutlich gegen die Kürzungen ausgesprochen: „Die Kürzungsvorschläge aus dem Bundesfinanzministerium sind ein Anschlag auf den Osten und auf die ländlichen Räume. Sie werfen uns zurück bei den dringend nötigen Anpassungen von Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Wasserversorgung an die Klimakrise. Das schadet Sachsen massiv. Die Kürzungspläne würden rund 40 Prozent der Mittel betreffen, die uns aktuell zur Verfügung stehen.“

Sachsen sei durch die Kürzungen sogar überproportional betroffen und würde rund 34 Millionen Euro verlieren, etwa 40 Prozent der bislang geplanten GAK-Mittel für den Freistaat.

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Es gibt 2 Kommentare

Ein “Industriestrompreis” von 5 Cent hier und 100 Milliarden Sondervermögen dort, da kommt nach ‘ner Weile richtig Geld zusammen. Und das muß ja schließlich irgendwo herkommen…

Beachtlich, dass so ein Artikel ohne Hinweis auf die reichlich fließenden direkten und indirekten Kriegskosten bzw. sich erstaunt zeigt, dass Zerstörung und Aufbau vereint nicht zu bezahlen sind. Na ja, wenigstens könne die Klagen auf dem kleinen Dienstweg diskutiert werden.

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