Als vier furchtlose Lok-Fans im April 2013 das Präsidium des 1. FC Lok übernehmen, verstehen sie sich als Arbeitspräsidium, das den Verein nur retten und dann anderen die Ämter wieder überlassen will. Statt den bereits bei Lok bekannten Finanzfachmann Jens Kesseler wählen sie den bis dahin unbekannten Heiko Spauke am 16. April 2013 zum Präsidenten. Zwei Jahre später tritt der 36-Jährige ab und hinterlässt einen Verein mit einem positiven Image.

Das erste, was die Mitglieder des neuen Präsidiums am Morgen nach der Amtsübernahme bekamen, war eine E-Mail von Ex-Präsident Michael Notzon, der ihnen riet, dringend Insolvenz zu beantragen. Monatelang hatte Notzon die Vereinsarbeit vernachlässigt, die Buchhaltung war seit Sommer 2012 nicht mehr erledigt worden, der Verein stand tatsächlich kurz vor der Insolvenz. 200 Fans demonstrierten noch Ende März vor der Geschäftsstelle des Vereins gegen das damalige Präsidium. Die Regionalliga-Mannschaft musste ernsthaft um den Klassenerhalt bangen.

Es gab sicherlich auch schon beim 1. FC Lok bequemere Zeiten, um sich in einem Vereinsgremium zu betätigen. Der heutige Vize-Präsident René Gruschka war der erste, der öffentlich bekannte, dass er sich vorstellen könne, als Präsidiumsmitglied den Verein zu retten. Ihm folgten Martin Mieth, Stephan Guth, Jens Kesseler und eben auch Heiko Spauke. Fünf Personen, die sich bis dato nicht kannten.

Als die bisherigen Mitglieder Wickfelder, Dischereit und schließlich auch Notzon nach und nach zurücktraten, übernahmen sie die Vereinsgeschäfte. Heiko Spauke wurde von Gruschka, Kesseler und Mieth zum Präsidenten gewählt. „Ich bin mir bewusst, dass dieses Amt eine große Verantwortung mit sich bringt”, sagte der neue Präsident beim Amtsantritt am 16. April 2013. „Ich werde alles dafür geben, dieser Verantwortung gegenüber unseren Mitgliedern gerecht zu werden und hoffe, meinen Teil beitragen zu können, um den 1.FC Lok wirtschaftlich zu sanieren und für die Zukunft fit zu machen”.

Keine Luftschlösser errichtet

Schon in seinem ersten Statement versprach Spauke keine Luftschlösser, die er sowieso nicht bauen würde. Gemeinsam mit seinem Arbeitspräsidium, welches ein Jahr später durch den ETL-Mitarbeiter Bernd Lang vervollständigt wurde, machte sich Heiko Spauke lieber an die Arbeit und brachte zahlreiche Dinge auf den Weg. Vom „turnaround“, den man schaffen wolle, war in der Anfangszeit die Rede.

Mit den Anwälten von Brinkmann & Partner schaffte es der Club, die Insolvenz abzuwenden und einen Entschuldungsplan aufzustellen. „Wie alle anderen Präsidiumsmitglieder hat Heiko Spauke viel Zeit und Kraft investiert, um den Verein zusammen- und lebensfähig zu halten“, so der damalige und heutige Aufsichtsratsvorsitzende Olaf Winkler.

„Trotz persönlicher Haftung sind diese Vier damals in die Bresche gesprungen. Dafür sind wir ihnen sehr dankbar.“ Sicherlich auch dafür, dass sie für einen Stimmungswechsel im Verein gesorgt haben. Die Ära Spauke steht auch für ein offenes Lok Leipzig, gegenüber seinen Mitgliedern und Fans und für einen Umgang auf Augenhöhe.

Sportlich lief es zunächst allerdings nicht rund. Spauke und sein Präsidium ließen Neu-Trainer Carsten Hänsel bei der Kaderzusammenstellung freie Hand. Hänsel schickte verdiente Leute weg, verplante sich, hatte Pech bei den Spielerverpflichtungen und musste noch im September 2013, nach nicht einmal drei Monaten, gehen.

Spauke kämpfte mit seinem Präsidium um das Lok-Idol Heiko Scholz als Nachfolger und überzeugte ihn. Ein Coup, der mit dem Engagement der weltweit tätigen Steuerberatung ETL verbunden war. Das Unternehmen ist Lok immer noch treu und wird möglicherweise seine Unterstützung ausbauen. Den Klassenerhalt in der Regionalliga verpasste das Team allerdings. Lok musste in die Oberliga und soll dort, so eines der aktuellsten Ziele des Präsidiums, so schnell wie möglich wieder raus.

Aktiv gegen rechtsextremistische Tendenzen

Im Gegensatz zu seinen Vorgängern ließ Spauke die aktiven Fans nicht an der langen Leine gewähren. Die rechtsextreme Fangruppe “Scenario” stieß beim neuen Vorstand nicht auf Gegenliebe. Spauke nutzte unrühmliche Vorfälle im Sommer 2013, um die Gruppe mit scharfen Sanktionen zu isolieren. Einzelne Mitglieder erhielten Hausverbot. Andere tauchten bei “Gauner Lok” unter. Mittlerweile ist “Scenario” Geschichte.

Ohnehin positionierte sich Spauke stets offensiv gegen den Rechtsextremismus, dem Teile der Fanszene nach wie vor anhängen. Eine überarbeitete Stadionordnung engte die Spielräume für diese Fans massiv ein. Die Voraussetzungen dafür, dass sich die Ultra-Gruppe “Fankurve 1966”, die sich öffentlich gegen Diskriminierung im Stadion positioniert, überhaupt erst gründen konnte, ohne Angst um die eigene Gesundheit haben zu müssen.

Unter Spauke öffnete sich der Verein für die Zusammenarbeit mit dem neuen Leipziger Fanprojekt. Der Vorstand schuf einen Fanbeirat und initiierte die Gründung der Stadionverbotskommission. Jeder Lok-Fan hat seither die Möglichkeit, sich vor der Aussprache eines Stadionverbots im Rahmen eines transparenten, fairen Verfahrens zu den erhobenen Vorwürfen zu äußern.

Mission noch nicht beendet

Bei anderen Projekten wartet das Präsidium unter Heiko Spauke noch auf den ganz großen Wurf. Das Stadion ist noch nicht wieder in Vereinshand und auch der Markenrechtsstreit mit Geschäftsmann Manfred Jansen ist noch nicht zu Ende gefochten. Auch das will Spauke mit den Vereinsgremien unter seiner Ägide noch schaffen, damit seine Amtszeit noch ein für alle Zeiten erinnernswertes, positives Ende findet.

Ansonsten kann sich der Unternehmer damit trösten, dass er im Gegensatz zu Steffen Kubald und Michael Notzon der erste Lok-Präsident seit der Neugründung ist, der ohne öffentlichen Druck von außen sein Amt zur Verfügung stellt und seinem Nachfolger einen – wie es scheint – zukunftsfähigen Club hinterlässt, in dem Reformprozesse nicht angeschoben, sondern nur begleitet und zum Abschluss gebracht werden müssen.

Und das ist, gemessen an den Voraussetzungen, unter denen er das Amt übernommen hatte, eine echte Leistung, die von dem damals unbekannten Arbeitspräsidenten in keinster Weise zu erwarten war. Die Ära Spauke zeigt, was mit Teamgeist und Zusammenhalt in den Vereinsgremien in einem Verein wie Lok Leipzig erreicht werden kann. Der Club entfernt sich immer mehr vom Image des dahinsiechenden, identitätslosen Chaosclubs.

Heiko Scholz betonte am Samstag noch einmal die Attraktivität des Vereins bei neuen Spielern. „Die wollen hierher, weil sich hier was tut. Der Club lebt.“ Lok Leipzig steht wieder für etwas. Für etwas, was es mit seinem scheidenden Präsidenten gemeinsam hat: für solide Teamarbeit im Sinne der Sache. Spaukes Nachfolger wird daran gemessen werden.

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